Weihnachtsserie „Türchen öffnen“ Hardtbergerin öffnet das Tor zur Teilhabe
Brüser Berg · Heidemaria Kemp öffnet seit sieben Jahren als ehrenamtliche Lesepatin in der Realschule Hardtberg Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse das Tor zum Regelunterricht. Nebenbei vermittelt sie auch Selbstsicherheit.
Die Deutscharbeit wird das Thema „Pro und Kontra“ haben. Auch deutsche Jugendliche müssen erst mal lernen, wie man das angeht: Was ist wichtig, wie formuliert und begründet man eine Meinung? Für Gurpreet, Laian (beide 14) und Enas (15) gibt es da noch eine zusätzliche Hürde: die deutsche Sprache mit all ihren Möglichkeiten und Tücken. Die drei Mädchen sind seit anderthalb bis zwei Jahren in Deutschland und lernen auch erst seitdem das Sprechen, Lesen und Schreiben unserer Sprache. Nun sind sie in einer achten Klasse der Realschule Hardtberg, und damit sie dort mitkommen können, treffen sie sich zweimal in der Woche mit Heidemaria Kemp.
Vor sieben Jahren war die Diplom-Volkswirtin auf der Suche nach einer sinnvollen ehrenamtlichen Tätigkeit im Ruhestand. Im GA las sie, dass das Nachbarschaftszentrum Brüser Berg Lesepaten suchte. Sie meldete sich und ist seitdem in der Realschule in zwei Bereichen tätig. Der eine ist die „Vorklasse“. Schüler aus unterschiedlichen Nationen, unterschiedlicher sozialer Herkunft und Begabung sowie ohne hinreichende Deutschkenntnisse für den Regelunterricht kommen darin zusammen und lernen neben Deutsch unter anderem Mathematik, Englisch, Biologie und Chemie. Das mache zwangsläufig ein hohes Maß an individueller Betreuung nötig, erklärt Kemp. „Das können Lehrkräfte kaum allein schaffen.“ Da springt die Ehrenamtliche ein.
Manchmal geht es nur mit Zeichen- und Bildsprache
Aktuell, sagt sie, müssen dort zwei Schüler über die englische Sprache die deutsche lernen, als zweite Fremdsprache. Zwei weitere Jugendliche sprechen neben ihrer Muttersprache gar keine weitere: Da muss zunächst mit Zeichen- und Bildersprache gearbeitet werden. Je nach Lernstand wechseln die Kinder nach einem Jahr von der Vorklasse in die entsprechenden Regelklassen der Realschule oder in andere Bildungseinrichtungen.
Die drei Mädchen, die die 77-Jährige im zweiten Bereich betreut, haben den Übergang in eine Regelklasse geschafft – aber dort müssen sie seit Beginn des Schuljahres auch mit ihren immer noch eingeschränkten Sprachfähigkeiten dem normalen Unterricht folgen. Kemp setzt sich mit ihnen deshalb zusammen und arbeitet den Unterricht nach – oder bereitet sie auf Klassenarbeiten vor. Die Vergrößerung des Wortschatzes steht im Mittelpunkt.
Die Lesepatin vermittelt Selbstsicherheit
Das hat den Jugendlichen bislang schon gut getan, wie sie selber sagen. „Die Grammatik hat sich verbessert über das Reden mit Frau Kemp“, sagt Laian. Sie hätten viele neue Wörter gelernt, erklärt Enas. Zum Beispiel, indem sie gemeinsam in der Zeitung lesen. Gurpreet schätzt besonders die Vorbereitung auf Arbeiten. Die Lesepatin sei geduldig und erkläre Themen so, dass die Mädchen sie verstehen können, sagen sie. Aber sie sind auch selbstsicherer im Unterricht geworden, sie trauen sich immer öfter, sich zu melden und etwas zu sagen.
Kemp bietet zudem Treffen mit den Schülern in den Ferien an, damit sie ihre Deutschkenntnisse vertiefen können. Das ist viel Einsatz, aber sie macht es gerne. „Wir müssen die Kinder befähigen, am Leben teilzunehmen.“ Dafür sei die Sprache das wichtigste Mittel. Ihr selbst gibt diese Aufgabe viel zurück, lässt sie zwischen den Zeilen durchblicken.