Gastbeitrag von Wilfried Klein Hausnummern in Dransdorf tanzen aus der Reihe

Dransdorf · An Gebäuden in Dransdorf finden sich einige Merkwürdigkeiten. So ist die durchgehende Zählweise der Häuser an einigen Stellen unterbrochen.

Die Napoleonischen Truppen haben zu Beginn des 19. Jahrhundert das moderne Katasterwesen ins Rheinland gebracht. Das brachte auch die Hausnummern ins Land. Legendär das Bild aus der Parfüm-Werbung der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, als ein Soldat der Grande Armée in Köln an der Glockengasse die Hausnummer 4711 aufbringt.

Während dieses Motiv aber eindeutig nur der Legende entspringt – denn die Domtürme im Hintergrund verraten, dass es kein zeitgenössisches Motiv gewesen sein kann –, so entspricht es der Wahrheit, dass nach und nach die Straßen Namen erhielten, die Flurstücke verzeichnet und den Häusern Nummern verpasst wurden – links die ungeraden, rechts die geraden Zahlen.

Dies geschah nicht überall zur gleichen Zeit. So soll es noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Dransdorf keine durchgehenden Straßennamen und schon gar nicht durchgehende Hausnummern gegeben haben. Flurnamen oder die Namen von Höfen reichten zur Ortsangabe meist aus.

Aber nach und nach setzten sich sowohl die Straßennamen als auch die Hausnummern nach der französisch-klassischen Zählweise durch. Straßennamen und Hausnummern sollten dabei eine eindeutige Auffindbarkeit von Adressen sicherstellen und damit – ganz dem Zeitalter der Vernunft entsprechend – der Rationalisierung des Alltages dienen.

Auf die Nummer 52 müssteeigentlich die 54 folgen

Diesem Geiste entsprechend kann man zu Recht erwarten, dass die Hausnummern 35 und 33 nebeneinander liegen und dass auf eine Hausnummer 52 eine Hausnummer 54 folgt. Aber trotz aller Rationalität und Planung ist das nicht immer der Fall.

Ein kleiner Rundgang durch Dransdorf macht einen darauf aufmerksam, dass es auch in unseren hochmodernen Gesellschaften Besonderheiten gibt, die einen eher an das Gleis 9 3/4 aus Harry Potters Welt erinnern als an einen Bonner Stadtteil des 21. Jahrhunderts.

Beginnen wir den Rundgang mal in der Kleine Straße. Diese war früher eine durchgehende Straße, die Teile der Carl-Duisberg-Straße umfasste und am Dransdorfer Friedhof in die Haberstraße mündete. Erst der Bau der heutigen Maximilian-Kolbe-Brücke unterbrach diesen Straßenzug und ist sicher auch für manche noch zu schildernde Besonderheit bei der Hausnummerierung verantwortlich. Die Kleine Straße, übrigens, wurde bereits im 16. Jahrhundert erstmalig erwähnt, als „kleine“ Begleitstraße zur großen „Hohe Straße“, die als Heerstraße überörtliche Bedeutung hatte.

In der Kleine Straße finden wir, von der Kolbe-Brücke startend, als erstes Haus auf der rechten Seite die Nummer 20, auf der linken die Nummer 35. Es gibt keine Kleine Straße 33 oder geringer. Diese Belegung ist sicher mit dem Bau der Kolbe-Brücke und dem Bau der Wohnsiedlung Carl-Duisberg-Straße verloren gegangen.

Aber das ist nicht die einzige Besonderheit in der Straße. Folgt man dem Straßenverlauf, stellt man auf der geraden Seite fest, dass der Hausnummer 52 direkt die Hausnummer 62 folgt – auf zwei benachbarten Grundstücken. Es ist anzunehmen, dass eine Zusammenlegung von Grundstücken zu dieser Auffälligkeit führte. Geänderte Bebauungspläne führten zu einer der größten Auffälligkeiten am Bendenweg. Dort, wo es nur ungerade Hausnummern gibt, folgt Haus und Hausnummer 15 direkt Hausnummer 35 – unmittelbar aneinander gebaut.

Wer den Bendenweg 17 bis 33 sucht, muss wohl den Zug nach Hogwarts wählen. Hier war wohl die Entscheidung, statt der ab Hausnummer 35 üblichen Reihenhausbebauung auf die Doppelhausbebauung umzustellen, Grund für diese Merkwürdigkeit.

Einen ähnlichen Sprung gibt es auf der Alfterer Straße. Dort können Bewohner der Alfterer Straße 31, 33 und 35 unauffällig wohnen – denn diese Häuser gibt es nicht. Dem Haus mit der Nummer 29 folgt sofort und mit Wand an Wand gebaut die Hausnummer 37. Hier sind keine Gründe bekannt.

Neben diesen besonderen Merkwürdigkeiten gibt es weitere Eigentümlichkeiten, die bei einem Rundgang auffallen. An der Siemensstraße bilden die Nachfolgebauten des alten Metternich-Baus die Hausnummern 225 und 227. Der direkt benachbarte Hof der Familie Düx wird unter der Nummer 235 geführt, während das dann folgende Gebäude bereits die Nummer 241 trägt.

Auch auf der gegenüberliegenden Seite vermisst man Häuser. Dem Haus mit der Nummer 208 folgt am Eingang zur An der Dransdorfer Burg die Nummer 218; dann folgt mit leichtem Abstand die Nummer 228. Hier mögen Abrisse in den 60er Jahren ursächlich sein – denn auch die Hausnummer Im Uhlengarten 2 sucht man vergeblich – ein Haus, das zur Verbreiterung der Bonner (heute Siemens-) Straße abgerissen wurde.

Ebenfalls einem Abriss zum Opfer gefallen sind die Hausnummern Alfterer Straße 3 und 8. Ein kleiner Parkplatz erinnert an die Alfterer Straße 3, während an die Alfterer Straße 8 („Dürers Huus“) nichts mehr erinnert. Und auch die Nummern Grootestraße 26 bis 42 und 52 bis 72 sucht man vergebens. Sie sind mit den Bebauungen am Lambertusweg und der Straßenverschiebung in den frühen 70ern untergegangen.

Die Grootestraße 2-12und 16-22 gibt es nicht

Gut ist im Übrigen, dass es die Hausnummern Grootestraße 2-12 und 16 bis 22 nicht gibt. Denn dort befinden sich ein Teil des Schulhofs und der Kettelerplatz. Nicht alles, was auf Vernunft fußt, muss daher auch im Alltag erkennbar sein. Es kann ruhig auch mal die 14 den Anfang machen; oder die 5. Und die 37 steht neben der 29. Wichtig ist, dass sich die Menschen wohlfühlen – dort, wo sie wohnen. Und da spielt die Hausnummer nun wirklich gar keine Rolle. Aber das Gefühl. Und das lässt sich nicht in Zahlen pressen.

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