Interview mit Bezirksbürgermeisterin Petra Thorand „Effizienz ist wichtiger als Effekthascherei“

Hardtberg · Die Hardtberger Bezirksbürgermeisterin zieht nach zwölf Jahren Amtszeit eine positive Bilanz. Im GA-Interview spricht Petra Thorand über die Höhen und Tiefen in der Kommunalpolitik.

 Bezirksbürgermeisterin Petra Thorand an ihrem Schreibtisch im Hardtberger Rathaus in Duisdorf.

Bezirksbürgermeisterin Petra Thorand an ihrem Schreibtisch im Hardtberger Rathaus in Duisdorf.

Foto: Benjamin Westhoff

Nach mehr als zwölf Jahren Amtszeit zieht Bezirksbürgermeisterin Petra Thorand einen Schlussstrich. Nach ihrer Erfahrung kann Kommunalpolitik ganz schön kompliziert sein - und sehr zeitaufwendig. Sie wünscht sich, dass die ehrenamtliche Arbeit von Bürgern in Zukunft mehr geschätzt wird. Über Hardtberger Diplomatie, Bürgerdienste und gescheiterte Ideen sprach GA-Redakteurin Jutta Specht mit ihr.

Sie haben sich für den Rückzug aus der Politik entschieden. Warum? Spielt auch Frust eine Rolle?

Petra Thorand: Bei der letzten Wahl war ja schon klar, dass dies meine letzte Amtszeit sein würde. Es ist gut und richtig, dass das Amt der Bezirksbürgermeisterin im Herbst nach mehr als zwölf Jahren in andere Hände übergehen wird. Ich habe noch ein Privatleben und viele Ideen, die realisiert werden wollen.

Kritiker werfen Ihnen vor, das Amt zu ruhig geführt zu haben. Was halten Sie denen entgegen?

Thorand: In der Kommunalpolitik kommt es darauf an, zu gestalten und für die Menschen etwas zu erreichen. Gefragt sind klare Konzepte, Entschlossenheit und auch diplomatisches Geschick bei der Umsetzung. Ich bevorzuge einen verbindlichen Ton, lautes Auftreten liegt mir weniger. Damit bin ich insgesamt gut gefahren. Effizienz ist wichtiger als Effekthascherei – nicht jedes Geraderücken eines Gullideckels muss in der Zeitung stehen. Es wird gemacht. Fertig!

Welche Erfahrungen fürs Leben hat die Politik, hat das Amt der Bezirksbürgermeisterin Ihnen gebracht?

Thorand: Dass es sich lohnt, sich für seine Vorstellungen einzusetzen. Dass es sich lohnt, auch bei Gegenwind nicht gleich die Segel zu streichen. Aber auch, dass das Leben ganz schön kompliziert sein kann. Das Zusammenspiel von Politik und Verwaltung verläuft mitunter nicht  reibungslos. Das kostet Zeit, Kraft und Energie und stellt den Enthusiasmus bisweilen auf eine harte Probe.

Es wird immer schwieriger Kandidaten für die Kommunalwahl zu finden. Woran liegt das?

Thorand: Kommunalpolitik ist zeitintensiv. Beim Amt der Bezirksbürgermeisterin zum Beispiel geht es nicht etwa um ein bis zwei Stunden pro Woche, sondern um bis zu 20 Stunden. Viele Termine liegen am Abend oder am Wochenende. Zudem handelt es sich um ein Ehrenamt mit einer eher symbolischen Aufwandsentschädigung. Diese Bedingungen mögen wenig attraktiv erscheinen. Aber unser Gemeinwesen braucht Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, nicht nur in der Kommunalpolitik, sondern auch in anderen wichtigen Bereichen wie Sport, Kultur oder Jugendarbeit.

Was schlagen Sie vor, um die ehrenamtliche Arbeit der Politiker aufzuwerten?

Thorand: Viel wäre gewonnen, wenn die Bürger die Arbeit der  Kommunalpolitiker, die sich für sie einsetzen, klarer im Blick hätten. Denn dann würde es ihnen leichter fallen, diesen Einsatz angemessen zu würdigen. Wir sollten im Dialog mit den Menschen noch deutlicher erläutern, wie sehr Kommunalpolitik uns allen dient und daher auf die  Unterstützung der Bürger angewiesen ist.

Was geht in der Politik gar nicht?

Thorand: Populistisch agieren und egoistisch Einzelinteressen durchsetzen geht gar nicht. Bei allen politischen Entscheidungen muss das Gemeinwohl im Vordergrund stehen.

Immer häufiger wird in den Medien thematisiert, dass Kommunalpolitiker von Bürgern beschimpft oder gar bedroht werden. Haben Sie das auch erlebt. Wie kann es dazu kommen?

Thorand: Ja, leider musste auch ich das erleben. Wenn etwas nicht läuft, wird oft reflexartig „die Politik“ verantwortlich gemacht. Wer ein öffentliches Amt bekleidet, wird leicht zur Zielscheibe. Und auch solche Erfahrungen machen ehrenamtliches Engagement nicht leichter.

Der Wahlkampf hat begonnen. Wie können Politiker die Bürger erreichen?

Thorand: Ehrlich und direkt. Mit konstruktiver Argumentation. Keine hohlen Phrasen. Leider gibt es aber auch politische Kräfte, die auf Polemik und Populismus setzen. Dem müssen wir entschieden entgegentreten. Ich bin zuversichtlich, dass diese Kräfte sich nicht durchsetzen werden.

In der Bezirksvertretung wurde immer wieder Unmut darüber geäußert, dass Hardtberg in der Stadtpolitik wenig Gewicht habe. Woran liegt das? Lässt sich etwas verändern?

Thorand: Das liegt an den Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat. Hardtberg ist der kleinste Stadtbezirk und hat die wenigsten Stadtverordneten. Die Bezirksvertretung hat in vielen Bereichen keine Beschlusskompetenz, sondern wird nur angehört oder spricht Empfehlungen aus. Beschlussgremium ist  der Rat. Und da es bei allen Beschlüssen um das Wohl der gesamten Stadt Bonn geht, haben Hardtberger Anliegen nicht immer Priorität.

Welche Idee, die Ihnen wichtig war, konnten Sie beim besten Willen nicht umsetzen?

Thorand: Oft mangelt es an Geld. Zudem ist die Bezirksvertretung auf die Umsetzung der Projekte durch die Verwaltung angewiesen. Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse sind oft lang, was im operativen politischen Geschäft hinderlich ist. Gern hätte ich im Derletal noch Sport und Kultur durch einen Kunstpfad, eine Graffiti-Wall und den bereits beschlossenen Frisbee-Golf-Parcours verbunden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…

Mehrfach haben Sie die Zentralisierung der Bürgerdienste im Stadthaus kritisiert und sich gegen die eigene Partei gestellt. Was läuft falsch?

Thorand: Das ist so nicht ganz richtig. Ich stelle mich nicht gegen die Partei, sondern mir geht es um die Sache. Nach wie vor bin ich der Überzeugung, dass die Bürgerdienste vor Ort sein müssen. Jeder wird älter, irgendwann ist man nicht mehr so mobil. Außerdem muss die Verwaltung Dienstleistungen für ihre Stadtgesellschaft erbringen. Aber auch hier zeigt sich: Konsequenter und beharrlicher Einsatz führt zum Erfolg, auch wenn es mal Gegenwind gibt. Der Oberbürgermeister hat angekündigt, die Öffnungszeiten auf einen weiteren Tag auszuweiten.

An ihrem Schreibtisch sitzt nach der Kommunalwahl jemand anderes. Was geben Sie der/dem mit auf den Weg?

Thorand: Man muss Mut und einen langen Atem haben und sich weiter für die langwierigen offenen Baustellen einsetzen. Und ab und an sollte man auch etwas unbequem sein können.

Welche offenen Projekte erbt der/ die Nachfolger/in?

Thorand: Die Erweiterung der Rochusschule, den Bau der KiTa Medinghoven, die Umsetzung des Mehrgenerationenwohnens mit Neubau der KiTA Brüser Zwerge auf dem Brüser Berg, die jetzige Westbahn früher Hardtbergbahn mit 40-jähriger Geschichte. Der Ausbau der Lingsgasse in Lengsdorf wird nun hoffentlich bald umgesetzt. Ich weiß gar nicht, wie viele Gespräche ich dazu geführt habe…und ganz viele kleinere Projekte, die laufendes Geschäft der Verwaltung sind, etwa Infrastrukturmaßnahmen wie Kanal- und Straßenbau.

Der Stadtbezirk wird älter. Wie muss die Politik darauf reagieren?

Thorand: Barrierefreiheit ist hier das Stichwort. Da muss weiter viel getan werden.

Weitere Wohnbebauung auf dem Meßdorfer Feld – wie ist Ihre Meinung dazu?

Thorand: Nein. In Anbetracht der klimatischen Veränderungen ist das Meßdorfer Feld als Naturschutzgebiet und Frischluftschneise unantastbar.

Sagen Sie in drei Sätzen, was Ihnen an Hardtberg am besten gefällt.

Thorand: Ich schätze sehr die Nähe zu Kottenforst und Derletal. Außerdem ist die zentrale Lage mit südlichem Flair und Atmosphäre sowie mit guten Einkaufsmöglichkeiten und Ärzteversorgung ein großer Pluspunkt. Möchte man trotzdem in die Stadt, kann man die gute Anbindung durch Bus und Bahn oder auch das Fahrrad nutzen.

Und was gefällt Ihnen gar nicht?

Thorand: Dass viele kleine Unternehmen und Geschäfte schließen müssen. Das ist zum einen sicherlich dem Internethandel geschuldet, leider aber auch den sehr hohen Mieten. Leerstand kann Eigentümern auch nicht gefallen. Letztlich kommt verantwortungsvolles Handeln allen zugute. Da ist auch der Einsatz von Wirtschaftsförderung, Gewerbegemeinschaft und IHK gefragt. Außerdem muss das Bus- und Bahnangebot zuverlässiger werden, wenn man Menschen vom Auto in die öffentlichen Verkehrsmittel bekommen will. Und wir brauchen endlich sichere Fahrradwege.

Ihre Vision – wie sieht Hardtberg im Jahr 2040 aus?

Thorand: Das letzte Fleckchen wird zugebaut sein. Vielleicht schwebt die Seilbahn dann bis zum Brüser Berg und die Stadtautobahn ist ein Radschnellweg …

Wie fällt am Ende Ihre persönliche Bilanz als Bezirksbürgermeisterin aus?

Thorand: Nach zwölf Jahren ziehe ich eine positive Gesamtbilanz. Ich habe menschlich und politisch wertvolle Erfahrungen sammeln können. Als Bezirksbürgermeistern konnte ich gestalten und viele Ideen einbringen. Natürlich gab es Höhen und Tiefen.

Unterm Strich überwiegen also die guten Erinnerungen?

Thorand: Besonders geschätzt habe ich die vielen angenehmen Begegnungen mit Menschen aus dem Stadtbezirk. In guter Erinnerung bleiben auch unzählige konstruktive Gespräche mit den Fachämtern, in Arbeitskreisen, in Bürgersprechstunden oder bei Ortsterminen. Nicht zu vergessen unsere Städtepartnerschaft mit Villemomble, die ich sehr gern weiter unterstützen werde.

Allerdings überschattet die Corona-Krise das Ende Ihrer Amtszeit.

Thorand: Auch das politische Leben ist auf ein Minimum reduziert. Gern hätte ich mich bei den Hardtbergerinnen und Hardtbergern persönlich bedankt. Das muss warten.

Nach der Kommunalwahl am 13. September haben sie wieder mehr Freizeit. Was wollen Sie unternehmen?

Thorand: Ich kann dann endlich auch mal ein freies Wochenende genießen und einige Pläne verwirklichen, auch wenn ich mit meiner Berufstätigkeit immer noch eine 40 Stunden-Woche haben werde.

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