Wegen „asozialen Verhaltens“ inhaftiert Ippendorfer Landwirt Josef Nowak verschwand 1943 im KZ Sachsenhausen

Hardtberg · Der ehemalige Stadtarchivar Manfred van Rey hat zum Schicksal des Ippendorfers Josef Nowak recherchiert, der 1943 wegen „asozialen Verhaltens“ inhaftiert und ins KZ Sachsenhausen deportiert wurde.

 Das Dokument zeigt, dass Josef Nowak 1943 wegen „asozialen Verhaltens“ von der Gestapo verhaftet wurde.

Das Dokument zeigt, dass Josef Nowak 1943 wegen „asozialen Verhaltens“ von der Gestapo verhaftet wurde.

Foto: Klaus Rick

Im Nachgang des Artikels über die industrielle Ermordung auch der Außenseiter in Nazi-Deutschland im General-Anzeiger Anfang Februar hat sich der ehemalige Stadtarchivar Manfred van Rey zu Wort gemeldet. Auf Anfrage hatte die Gedenkstätte Bonn dem GA mitgeteilt, dass man bislang keine Rechte zur Weitergabe von Materialien zu den bislang ermittelten 20 Bonner Opfern aus sozialen Randgruppen habe. Die Dunkelziffer der Betroffenen sei aber größer. Van Rey hilft nun, das Schicksal des Ippendorfers Josef Nowak zu beleuchten. Der habe nachweislich keine jüdische Abstammung gehabt und auch nicht zu den ab 1933 aus politischen oder religiösen Gründen Verfolgten gehört. Im Amt Duisdorf vermerke die Akte „Strafsachen 1943-1946“ am 14. April 1944: „Durch Anfrage bei der Stapo Bonn (Krim. Sekr. Seidel) wurde festgestellt, daß Nowak am 10.1.1944 im Konzentrationslager in Sachsenhausen verstorben ist.“

Penibel ist in der Akte nun das perverse Abrechnungsverfahren für die durch die Inhaftierung und Verschleppung Nowaks entstandenen Kosten aufgedröselt, hat van Rey ermittelt. Der bei der Gestapo eingelieferte Ippendorfer habe noch ein Schwein und drei Kaninchen besessen. „Das Schwein wurde an Josef Arck in Ippendorf zum Preis von 72 Reichsmark verkauft“, wird haargenau vermerkt, wie sich die lieben Mitbürger sofort um das letzte Hab und Gut der Verfolgten bemühten. Die Sau habe 30 Kilogramm gewogen, und man habe das Kilo zu 2,40 Reichsmark weitergegeben. „Für überlebende drei Kaninchen wurden 15 RM berechnet, macht zusammen 87 RM“, rechnet das Amt 1944 vor.

Von dieser Summe seien laut Hauptwachtmeister Ulte 64 Reichsmark abgezogen worden, und zwar „für Verpflegung, Unterkunft pp, für 80 Tage à Tag 0,80 Reichsmark“. Der todgeweihte Josef Nowak war also im Nachhinein noch dazu verdammt gewesen, die Kosten für seine Inhaftierung selbst zu bezahlen. Und vom „Überschuß“ aus dem Verkauf seiner Tiere wurden seine verbliebenen 23 Reichsmark an das Konzentrationslager geschickt. Dorthin, wo Zehntausende Häftlinge durch Hunger, Krankheit, Zwangsarbeit, medizinische Versuche, Misshandlungen oder systematische Vernichtung umkamen. Der Betrag sollte „von der Amtskasse Duisdorf an das KZ Sachsenhausen auf Anordnung der Gestapo Bonn überwiesen werden“, zitiert van Rey aus der Akte.

Ippendorfer hatte ein langes Strafregister

Auf die Fragen, wann, warum und wie dieser Ippendorfer ins KZ geschafft wurde, antwortet auf Anfrage Klaus Rick, Experte für die Justizvollzugsanstalt Bonn. Der bei seiner Verschleppung 58-jährige Nowak, ein alleinstehender Landwirt aus der Wesselstraße, war über die Jahre als Kleinkrimineller registriert gewesen, weist Rick an Bonner Dokumenten nach. Nahrungsmittelfälschung, Diebstahl und Hehlerei hatten ihm ein paar Kleinstrafen eingebracht. Seit jedoch die Nazis an der Macht waren, wurde Nowaks Strafregister immer länger, und zwar hauptsächlich für die Tatbestände öffentliche Beleidigung, üble Nachrede und Widerstand. Der Mann war offenbar renitent und saß jedes Jahr über Wochen hinter Gittern. Einmal war auch Waffenbesitz im Spiel.

1943, als dieses Register angefertigt wurde, wurde für den zuletzt wegen „asozialen Verhaltens“ inhaftierten Nowak die Verschleppung ins KZ beschlossen. Nun taucht sein Name nur noch am 10. Januar 1944 in der Totenliste des KZs Sachsenhausen auf. Todesursache: angeblich „Allgemeininfektion“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort