Neapolitanische Krippe in Bonn Italienische Festtagslaune für Schaulustige

Venusberg · Biagio D'Addio hat im Gemeindehaus der Auferstehungskirche eine neapolitanische Krippe aufgebaut. Er will die Menschen in Corona-Zeiten auf andere Gedanken bringen.

 Die Krippe von Biagio D'Addio zeigt Szenen aus dem Alltagsleben der süditalienischen Bevölkerung im 16. Jahrhundert.

Die Krippe von Biagio D'Addio zeigt Szenen aus dem Alltagsleben der süditalienischen Bevölkerung im 16. Jahrhundert.

Foto: Benjamin Westhoff

Wie die Orgelpfeifen stehen die Dötzchen der Kindertagesstätte Regenbogen am Geländer und staunen. Gummistiefel an, dicke Jacke, Mütze auf. Hinter der großen Scheibe des Gemeindehauses der evangelischen Auferstehungskirche am Haager Weg ist eine glitzernde Wunderwelt aufgebaut. Genau gesagt, ist es eine neapolitanische Krippe. Biagio D'Addio, der Hausmeister, hat Idee und Ausstattung aus seiner Heimatstadt exportiert. Denn dort hat Krippenbau eine lange Tradition.

Il Presepe (die Krippe) zeigt Szenen aus dem Alltagsleben der süditalienischen Bevölkerung im 16. Jahrhundert. Mit Liebe bis hin zum winzigen Detail werden wie in Kapiteln eines dicken Buches viele Geschichten erzählt. Die religiösen Szenen treten in den Hintergrund. Tatsächlich entdeckt man die Weihnachtsgeschichte auch in D‘Addios Krippe erst beim zweiten Hinsehen, etwas abseits in einer Höhle.

Das Christuskind ist bis zum Heiligen Abend noch im Stroh versteckt. Aufmerksamkeit ziehen die Darstellungen eines geschäftigen Treibens auf sich. Was eben Menschen vor rund 300 Jahren zur Vorbereitung des Festes zu tun hatten. Etwa Brot backen: Eifrig schiebt die kleine Bäcker-Figur den Teig in den Ofen. Der Waldarbeiter hackt Holz für ein Feuer, das sogar flackert. In einer Trattoria hängen die Schinken von der Decke. Weinfässer sind auf Vorrat gestapelt. Die Hausfrau schüttelt die Betten aus dem Fenster. Kinder zanken sich. Aus unzähligen Miniaturbrunnen fließt echtes Wasser.

Die Szenen wirken wie ein Traum vom Schlaraffenland. Reife Orangen und Trauben. In Körben transportieren lachende, aufgeregte Bauern und Kaufleute Teigwaren, Hühner und Gänse – eine heile Welt in Miniatur. An einem Tag hat D’Addio den mindestens drei mal drei Meter großen Schauplatz erschaffen. Aber er weiß ja auch wie es geht, denn schon als Junge war er begeistert und hat für seine Presepe sogar Preise bekommen.

In einer Straße in der Altstadt von Neapel, der Via San Gregorio Armeno, ist eigentlich das ganze Jahr Advent. Dort hat D’Addio viel Zeit verbracht. „Dort kann man den Krippenbauern bei der Arbeit zusehen.“ Er wurde indes Buchhalter. 2013 kam der 40-Jährige nach Deutschland. „Zu Hause gab es keine Arbeit.“ Nach verschiedenen Jobs hat er vor zwei Jahren seinen Platz in Auferstehungsgemeinde gefunden.

Als Katholik in einer evangelischen Gemeinde zu arbeiten, das sind für D’Addio keinesfalls zwei Welten, die aufeinandertreffen. „Es gibt nur einen Gott“, sagt er bestimmt. „Wichtig ist der gegenseitige Respekt.“ Alle Krippenfiguren hat er selbstverständlich in der Via San Gregorio Armeno gekauft, zumal ihn als Erwachsener die Sammelleidenschaft gepackt hat. Jedes Jahr kommen neue Figuren hinzu – auch das ist Tradition. Und die Händler lassen sich immer etwas einfallen, um den historischen Bogen von 2000 Jahren in die Jetztzeit zu spannen.

Sammler können sich beispielsweise eine Figur mit ihrem Konterfei anfertigen lassen. Aber in diesem Jahr hat D’Addio sich für Pulcinella, eine neapolitanische Symbolfigur, entschieden. Pulcinella im weißen Gewand mit schwarzer Halbmaske spielt den liebenswürdigen Possenreißer im Volkstheater. Er ist auch als Touristenführer auf Portanapoli zu sehen. Dort hat ihn D’Addio getroffen und entschieden, dass er in Miniatur selbstverständlich in seine Krippe gehört. Im kommenden Jahr könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel sich dazugesellen, so seine Überlegung. Auch die wird an der Krippenstraße in allen Größen angeboten.

Während Figuren heutzutage hauptsächlich aus Plastik gefertigt sind, hatte die ursprüngliche Besetzung der neapolitanischen Krippe aus Ton geformte Köpfe. Hände und Füße waren aus Holz geschnitzt. Körper, Arme und Beine bestanden aus Drahtgeflecht, sodass man sie in unterschiedliche Positionen bringen konnte. An Weihnachten fährt Biagio D'Addio zu den Eltern und den beiden Brüdern. Die Familienkrippe dort, über viele Jahre gewachsen, ist noch weitaus prächtiger als D’Addios Modell.

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