Jagdschloss Herzogsfreude Jäger des verlorenen Schlosses

RÖTTGEN · Viele Zeugnisse von diesem imposanten Bauwerk gibt es nicht mehr: zwei Backsteine, einige Basaltsteinplatten, Wandmalereien, die ins Schloss Augustusburg in Brühl gebracht wurden. So gestaltet sich die Recherche über dieses "verlorene" Schloss wie eine kriminalistische Spurensuche.

 Alte Stiche zeugen von der Pracht und Herrlichkeit des Jagdschlosses Herzogsfreude.

Alte Stiche zeugen von der Pracht und Herrlichkeit des Jagdschlosses Herzogsfreude.

Im Röttgener Forstamt Kottenforst hängt an der Wand eine alte Wetterfahne. Die, so berichtet der ehemalige Förster Wolfgang Wessel, hatte in den 50er Jahren ein Waldarbeiter gefunden und dem Forstamt übergeben. Das passt, denn immerhin war sie ursprünglich am Jagdschloss Herzogsfreude angebracht, das Kurfürst Clemens August hatte bauen lassen - an der Stelle, wo heute das gusseiserne Modell zu sehen ist. Die Reichsstraße wäre mitten hindurch verlaufen.

Viele Zeugnisse von diesem imposanten Bauwerk gibt es nicht mehr: zwei Backsteine, einige Basaltsteinplatten, Wandmalereien, die ins Schloss Augustusburg in Brühl gebracht wurden. So gestaltet sich die Recherche über dieses "verlorene" Schloss wie eine kriminalistische Spurensuche. Als solche zog am Mittwochabend der Kunsthistoriker Marc Jumpers seinen Vortrag über das Schloss im Rahmen des Programms "Eine Ville, viele Wege" des Landschaftsverbandes Rheinland im Röttgener Forsthaus auf.

Er war als Ersatz für Fachfrau Barbara Hausmanns, die ihre Teilnahme abgesagt hatte, eigens aus Potsdam angereist. Als Teilnehmer eines Forschungsprojektes an der Bonner Universität schreibt er eine Doktorarbeit über Funktion und Ausstattung der Schlösser der Wittelsbacher, zu denen auch Herzogsfreude gehört. Jumpers stellte den rund 50 Zuhörern im voll besetzten Raum dar, dass dieses Schloss dem jagdbegeisterten Kurfürsten besonders am Herzen gelegen haben musste, weil es zu seinen Lebzeiten fertiggestellt wurde - anders als etwa das Brühler Schloss, an dem 40 Jahre lang gebaut wurde: "Clemens August hat Augustusburg nur als Baustelle erlebt."

Spannend war die Suche nach Hinweisen für den Baubeginn. Der Schreinerrechnung von 1753, die Hausmanns in ihrer Doktorarbeit über das Schloss anführt, hielt Jumpers unter anderem die Rechnung eines Kaminkehrers von 1755 entgegen: "Wenn er etwas fegt, muss etwas da sein." Auch eine größere Ziegelsteinlieferung Ende der 1740er Jahre und einen Posten für das Schloss in einer Rechnung zur Heiligen Stiege für einen Zeitraum ab 1746 seien Hinweise dafür, dass schon vor 1753 gebaut worden sei. Clemens August als Landesherr sei niemandem Rechenschaft schuldig gewesen, so Jumpers: "Der baute einfach." Hinweise dafür, dass der Kurfürst das Schloss plante, und erste Baupläne gebe es schon ab 1734.

Regelmäßig hatte Clemens August rund um das Schloss, das größer als das in Brühl war, Jagden abgehalten. Er starb 1761, seine Nachfolger nutzten das Schloss mal weniger, mal mehr. Die Franzosen, die 1794 in Bonn einmarschierten, sahen keinen Bedarf an Herzogsfreude und verkauften es 1804 für 3500 Franc an einen Dachdecker. Der trug es nach und nach ab, und 1808 vermerkten Landvermesser das Schloss nur noch als Ruine.

Heute gibt es keine oberirdischen Hinweise mehr, die unterirdischen wurden überbaut. Die detailliertesten Informationen zu diesem Schloss hatte Jumpers über das Inventar: Der Kurfürst hatte in seinem Testament verfügt, dass alle mobilen Gegenstände nach seinem Tod aufgelistet und versteigert werden sollten - darunter auch 767 Ölgemälde alleine in Herzogsfreude.

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