Aufnahme von behinderten Kindern Joki-Familienhaus in Duisdorf fördert die Inklusion

Duisdorf · Das Joki-Familienhaus in Duisdorf verfolgt einen inklusiven Ansatz und betreut in der Kindertagesstätte derzeit zwei Kinder mit Förderbedarf. Erschwert wird die Arbeit durch formale Dinge.

 Die Sozialpädagogin Kirsten Kokkeling ist überzeugt von der gesellschaftlich wichtigen Bedeutung der Inklusion.

Die Sozialpädagogin Kirsten Kokkeling ist überzeugt von der gesellschaftlich wichtigen Bedeutung der Inklusion.

Foto: Niklas Schröder

„Wer gehört zusammen?“, fragt Kirsten Kokkeling in die Runde. Die Sozialpädagogin hält unterschiedliche Holztiere in die Luft, während die Kinder eifrig inmitten von Bauklötzchen überlegen. Seitdem Kokkeling in Duisdorf die Leitung des Joki-Familienhauses und der Kindertagesstätte übernommen hat, setzt sie sich für mehr Inklusion ein. Mittlerweile hat das Team einige Kinder mit Förderbedarf integrieren können. Im Frühjahr ist das Familienzentrum auch dem Forum „Inklusion lebendig machen“ des Vereins Abenteuer Lernen beigetreten.

„Inklusion mitzutragen, war für die Trägerin wie für mich als Leitung selbstverständlich. 2008 trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft, die eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens fordert, so auch im Bereich Bildung und Erziehung von Kindern“, erklärt Kokkeling den Entschluss. Die Evangelische Johanniskirchengemeinde Bonn-Duisdorf, die Trägerin der Kindertagesstätte ist, unterstütze diese Haltung zu „100 Prozent“, so die Leiterin. „Um Inklusion bei uns lebendig werden zu lassen, haben wir uns zunächst im Team mit der Thematik und den Möglichkeiten der Umsetzung beschäftigt durch viele Gespräche, Hospitationen und Fortbildungen.“ An einem Konzeptionstag 2015 plante der Kindergarten die ersten konkreten Schritte. „Auch mit der Elternschaft wurde das Thema und unsere Bereitschaft dazu besprochen“, führt Kokkeling aus – sagt aber auch, dass man Inklusion nicht bis in das letzte Detail vorbereiten könne. „Es muss umgesetzt werden – dann lernen alle Beteiligten weiter.“

Im Januar 2017 startete das Joki-Haus dann mit der Aufnahme eines Kindes mit Körperbehinderung. Rückblickend zieht die Leiterin ein positives Fazit, denn sowohl Kinder als auch Erwachsene profitierten nun vom inklusiven Ansatz. „Zu erleben, dass wir als Kindergartengemeinschaft in aller Unterschiedlichkeit zusammengehören, halte ich für eine elementar wichtige Erfahrung.“ Nicht behinderte Kinder lernten spielerisch etwa an „Rollstuhl-Rallys“, dass das Leben vielfältig sei. „Die behinderten Kinder und ihre Familien erleben, dass sie dazugehören. Wir wollen weder benachteiligen, noch bevorzugen.“

42 Kinder in der Kita, zwei Kinder mit Förderbedarf

Derzeit sind 42 Kinder in der Kindertagesstätte angemeldet. Davon betreut das Joki-Haus zwei Kinder mit Förderbedarf: „Es ist schön zu erleben, dass die Kinder mitten im Gruppenleben stehen mit allem, was Kinder dort erleben – also spielen, lernen, Quatsch machen, lachen, streiten, vertragen und Freunde finden.“ Heilpädagogische Förderungen etwa sollten nicht isoliert, sondern teilweise im Gruppengeschehen mit Beteiligung der nicht behinderten Freunde geschehen, empfiehlt Kokkeling. Die Leiterin beobachtet, dass inklusive Betreuung meist „einen erhöhten Personalaufwand“ erfordert. „Die Entwicklung der Kinder verläuft nicht so gradlinig, wir müssen pädagogisch kreativer denken, was im Team sehr viel Spaß macht.“ Absprachen unter den Mitarbeitern müssen daher sorgfältig laufen.

Auf die Frage, wie andere Kinder denn mit dem Thema Inklusion umgehen, beobachtet Kokkeling, dass die sie „völlig unvoreingenommen“ seien. „Sie interessieren sich für Besonderheiten, wie einen Rollstuhl oder für das Diabetes-Management. Wenn sie soweit wie möglich beteiligt werden und altersgemäße Antworten auf ihre Fragen erhalten, ist das Thema schnell abgehakt.“

Ähnliches beobachtet auch Linda Büntemeyer bei den Kindern. „Wenn jemand im Rollstuhl kommt, finden die das eher interessant als komisch.“ Die Erzieherin arbeitet seit mittlerweile 19 Jahren im Joki-Haus und empfindet den inklusiven Ansatz als große Bereicherung. „Die Kinder lernen, dass es ganz natürlich ist, dass manche eben nicht laufen können oder so gut sprechen können. Diese Natürlichkeit kann man bei Kindern gut erhalten, wenn man früh damit anfängt“, erklärt Büntemeyer.

Erschwert werde die Inklusion in der Kita-Arbeit überwiegend durch formale Dinge, sagt Kokkeling. Das Kibiz (Kinder-Bildungs-Gesetz) und das BTHG (Bundes-Teilhabe-Gesetz) gestehe zwar der Kita einen erhöhten Personalstundensatz pro Kind mit Förderbedarf zu, durch den Fachkräftemangel sei es allerdings teilweise nicht möglich, diese Stunden auszuschöpfen. „Außerdem lastet das finanzielle Risiko bei den Trägern. Die Stunden sind immer an die konkreten Kinder gebunden. Das bedeutet, dass man nur befristete Stellen besetzen kann“, schildert die Leiterin. Trotzdem: „Ich halte das Thema für eklatant wichtig. Das Leben ist nicht schwarz oder weiß, sondern bunt in sehr vielen Schattierungen. Kein Mensch soll zurückgelassen werden“, fordert Kokkeling. Denn mit Kreativität und Einbeziehung der Beteiligten sei es oft möglich, Barrieren abzubauen – praktische wie gedankliche. „Wenn Kinder in der Kita damit als Selbstverständlichkeit aufwachsen ist das doch eine tolle Basis für unsere Zukunft“, ist Kokkeling überzeugt.

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