Hilfe für geflüchtete Ukrainer Mit Händen, Füßen und App

Venusberg · Die Kirchengemeinden auf dem Venusberg veranstalteten ein erstes Treffen für Ukraine-Flüchtlinge, Bonner Gastgeber und Hilfsbereite. Die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und Begegnung wurde rege genutzt.

 Kontaktaufnahme und Organisation: Die Möglichkeit zur Begegnung im evangelischen Gemeindezentrum der Auferstehungskirche wurde konstruktiv genutzt.

Kontaktaufnahme und Organisation: Die Möglichkeit zur Begegnung im evangelischen Gemeindezentrum der Auferstehungskirche wurde konstruktiv genutzt.

Foto: Stefan Knopp

Mehrsprachiges Stimmengewirr erfüllte das evangelische Gemeindezentrum der Auferstehungskirchengemeinde auf dem Venusberg. Da unterhielten sich Ukrainer auf Russisch mit einer der beiden Dolmetscherinnen, die beim ersten ökumenischen Treffen für Geflüchtete und Hilfswillige halfen. An manchen Tischen kam ein Gespräch auf Englisch zustande, zum Beispiel dort, wo die zwölfjährige Viktoria saß. Und ansonsten kommunizierte man mit Händen und Füßen oder indem man sich übers Smartphone beugte und Texte in eine Übersetzungs-App eintippte. Von Anfang an gab es keine Berührungsängste.

So hatte sich das der Pfarrer vorgestellt

So hatte sich das der evangelische Pfarrer Steffen Tiemann vorgestellt: Ein Nachmittag der Kontaktaufnahme sollte es sein, man wollte Flüchtlinge, Gastgeber und engagierte Leute zusammenführen und einen nach Möglichkeit regelmäßigen Ort für Begegnung schaffen. Dass das eine gute Idee war, zeigte sich an den vielen Leuten, die den Raum füllten. „Das macht nur Sinn auf ökumenischer Basis“, so Tiemann. Die Zusammenarbeit mit der katholischen Heilig-Geist-Gemeinde hatte schon bei der Flüchtlingswelle ab 2015 gut funktioniert, jetzt wurde sie reaktiviert.

Schnell hatte die Ukrainerin Marina Telefonnummern mit einer anderen Mutter ausgetauscht, die wie sie ein Kind im Krabbelalter hat. Die Idee: „Zusammen auf den Spielplatz gehen, Kaffee trinken, was man halt so macht als Mutter mit Baby“, sagte die Venusbergerin. Marina begrüßte das, denn viel anderes als sich um ihren einjährigen Sohn zu kümmern, könne sie ohnehin nicht machen, sagte sie. Sie hat auch eine 13-jährige Tochter, für die sie einen Platz an einer Schule gefunden hat. Aber einen Betreuungsplatz für den Kleinen findet man nicht so leicht.

Der Nachwuchs sollte Russisch lernen

Sie ist bei Lena Plesterninks untergekommen. Ein früherer Kontakt machte es möglich. „Wir waren in Odessa in einem Kindercamp“, erzählte die gebürtige Russin. Der Nachwuchs sollte die russische Sprache besser lernen und wurde dort unter anderem von Marina betreut. Den Kontakt hatte man gehalten, und bei Kriegsbeginn teilte Plesterninks der Ukrainerin mit: Wenn sie fliehen will, kann sie nach Bonn kommen. „Es ist einfacher, wenn man weiß, wen man aufnimmt“, sagte die Ippendorferin.

Marina ist Theaterregisseurin für Kindertheater. Die Stadt Bonn habe schon einen Raum für ein Projekt mit ukrainischen Kindern zur Verfügung gestellt, sagte sie. Mit ihnen will sie „Peter Pan“ inszenieren, sie hofft, dass eine Aufführung zustande kommt. Was ihr fehlt? „Ein Sprachkurs für Mütter mit kleinen Kindern“, sagte sie sofort. So etwas habe sie in Bonn bislang nicht gefunden: die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen, während der Nachwuchs betreut wird.

Und dann ist da ja noch die Familie in der Ukraine. Ihre Mutter sei dort geblieben, ihr Mann kämpfe um das Land, sie halte telefonischen Kontakt, manchmal seien Videochats möglich. Wenn sie keine Kinder gehabt hätte, erklärte sie, wäre sie auch dort geblieben. „Ich möchte schon wieder zurück, wenn es für die Kinder sicher ist.“

Das ist auch Viktorias Ziel, die mit ihrem Vater, ihrer älteren Schwester, ihrer Großmutter und Katze Jessi hergekommen ist. Sie hatte zwei Tage vor Beginn der Osterferien ihren ersten Schultag am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium. Parallel wird sie online weiter von ihren heimischen Lehrern unterrichtet. Die Familie ist in einer Wohnung untergekommen, die Andrea Bewerunge und ihre Verwandtschaft zur Verfügung stellen. Der Kontakt kam über die Deutsche Welle zustande, für die Viktorias Schwester arbeitet. Sie wurde schon zu Beginn des Krieges rausgeholt.

„Ich habe alles, was ich brauche“, sagte Vikoria. Vor allem könne sie ihren Hobbys nachgehen: Malen und Tanzen. In den Ferien macht sie einen Workshop in römischer Wand- und Glasmalerei im LVR-Museum mit, später besucht sie die Malschule von Tina Tannert in Poppelsdorf. Sie habe sich auch schon mit einem anderen ukrainischen Mädchen in ihrem Alter angefreundet. „Ich vermisse die Ukraine, meine Heimat. Aber jetzt ist es dort sehr gefährlich.“

Die nächsten Schritte in der Mache

Mit dem Treffen war Pfarrer Tiemann am Ende zufrieden. Es hätten sich viele Kontakte ergeben, jetzt könne man die nächsten Schritte überlegen. Etwa einen deutsch-ukrainischen Sprachkurs mit Kinderbetreuung. Auch eine Familie mit einem krebskranken Kind war gekommen, der sich Katja Martini angenommen hat. Die Vorsitzende der Leukämie-Initiative Bonn hat die Ukrainer in einer Wohnung untergebracht, in der einiges für das Kind eingerichtet werden musste. Dafür hat sie bei der Aktion Weihnachtslicht des General-Anzeigers angefragt. „Ich habe völlig unbürokratisch und schnell Hilfe bekommen“, lobte sie. „Die Hilfe kommt sofort bei den Leuten an, die sie dringend brauchen.“

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