Ziviler Ungehorsam Wie Bonner die Protestgruppe „Letzte Generation“ sehen

Endenich · Die Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ macht in letzter Zeit immer wieder mit Aktionen zivilen Ungehorsams auf sich aufmerksam. Was halten Bonner von diesem Vorgehen?

Sonja Manderbach (Mitte) und weitere Klimaaktivisten kamen am Sonntag mit Gemeindemitgliedern der Tirinitatiskirche ins Gespräch.

Sonja Manderbach (Mitte) und weitere Klimaaktivisten kamen am Sonntag mit Gemeindemitgliedern der Tirinitatiskirche ins Gespräch.

Foto: Abir Kassis

Die Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ hat in letzter Zeit immer wieder durch Aktionen zivilen Ungehorsams auf sich aufmerksam gemacht. Bei der Gruppe handelt es sich um ein 2021 gebildetes Bündnis, das Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Klimakrise erreichen will. Am Sonntag luden die Aktivisten zur Diskussion in die Trinitatiskirche in Endenich ein.

Aktivistin Sonja Manderbach hat bereits an vielen Sitzblockaden teilgenommen, sich auch schon selbst mit Sekundenkleber auf dem Straßenbelag festgeklebt. Der „Feueralarm“, wie sie die Proteste nennt, sei dringlicher denn je. „Ich wurde nicht gefragt, bist du bereit, dich für Klimagerechtigkeit auf die Straße zu kleben. Ich wurde gefragt, bist du bereit, dafür ins Gefängnis zu gehen?“, sagt die 45-jährige Mutter. Gegen die Kirchenmusikerin wurden inzwischen sechs Strafbefehle verhängt, ihr drohen 250 Tage Haft, wie sie berichtet. Sich auf diese Weise für den Klimaschutz zu engagieren ist für sie eine Notwendigkeit, denn nur so könne die Bevölkerung auf das Problem aufmerksam gemacht werden. „Wir hatten als Weltgemeinschaft völkerrechtlich beschlossen, das Pariser Klimaziel einzuhalten. Wir wissen jetzt, dass wir dieses Völkerrecht brechen werden, denn eine Erderhitzung von 1,5 Grad wird laut Weltklimarat 2030 erreicht – und schon bald überschritten“, so Manderbach.

„Statt dem gegenwärtigen Kurs unserer Regierung müsste man radikal handeln und bestimmte Dinge verbieten, etwa ein Tempolimit einführen und bestimmte andere Dinge erlauben, beispielsweise das Containern.“ Zwar rette das nicht die ganze Welt, aber ein Schritt in die richtige Richtung wäre getan.

Mit den Straßenblockaden und anderen radikalen Protestformen wollen die Aktivisten möglichst viele Menschen erreichen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. „Wir werden angeklagt, weil wir Menschen davon abhalten, pünktlich zur Arbeit zu kommen“, meint Klimaaktivistin Zoë Ruge, die sich zusammen mit Manderbach an den Protesten beteiligt. Demokratie bedeute auch, dass eine kritische Minderheit einen Prozess in Gang setzt, um Veränderung zu erreichen, so die 23-Jährige.

„Die Beweggründe für Ihren Protest sind überzeugend und ein Widerstand mag legitim sein aber nicht immer legal“, entgegnete daraufhin Wolfgang Albers, Kirchenmitglied und ehemaliger Polizeipräsident in Bonn und Köln. "Allerdings finde ich die Verbindung zur Demokratie schwierig, denn als Minderheit nehmen Sie mit dieser Form der Proteste eine Position ein, die die Mehrheit offensichtlich nicht teilt."

Jutta Tzschiesche, die als Pfarrerin an einer Bonner Berufsschule tätig ist, hält die Form des Protests für fragwürdig, wenngleich sie der Überzeugung ist, dass der Ansatz der Aktivisten das richtige Ziel verfolgt. „Ich unterrichte Karosseriebauer, KFZ-Mechatroniker, Maler und Lackierer, die sagen: 'Menschen, die sich auf die Straße kleben sind Kriminelle und gehören in den Knast. Ihr Protest trifft die Falschen'. Und dann bin auch ich mit meiner Argumentation am Ende.“

Zumindest werde durch solche Aktionen bewirkt, dass Menschen zum Nachdenken angeregt würden, meint Klimaaktivist Tim Wechselmann-Cassim. Gemeinsam mit Ruge spielt er diesen Herbst beim Theaterstück „Recht auf Jugend“ von Arnolt Bronnen und Lothar Kittstein mit, das mit Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ verschiedene Zukunftsszenarien mit Blick auf die Klimakrise zeichnet. Die Premiere findet am Freitag, 28. Oktober, um 19.30 Uhr im Schauspielhaus in Bad Godesberg statt.

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