Nachbarschaftshilfe auf dem Brüser Berg Kochen zum kleinen Preis

Brüser Berg · Als Saskia Martin und Brigitte Bieler die Idee für eine Gerichtesammlung mit Zutaten zum kleinen Preis hatten, war die Inflation noch nicht absehbar. Umso mehr Aufmerksamkeit erlangt das Projekt heute. Am Donnerstag stellen sie ihre Sammlung in der Borsigallee vor – inklusive Kostproben.

Am kommenden Donnerstag verteilen die Ehrenamtler den neuen Kochflyer auf der Borsigsallee. Dazu gibt es erste Kostproben der Köche: Brigitte Bieler, Bernd Rathje, Saskia Martin, Waltraud Mayer, Andrea Kümpel und Petra Gründwald-Schiffer (v.l.).

Am kommenden Donnerstag verteilen die Ehrenamtler den neuen Kochflyer auf der Borsigsallee. Dazu gibt es erste Kostproben der Köche: Brigitte Bieler, Bernd Rathje, Saskia Martin, Waltraud Mayer, Andrea Kümpel und Petra Gründwald-Schiffer (v.l.).

Foto: Benjamin Westhoff

Seit Monaten steigen die Preise für Lebensmittel stetig an. Nach Angaben der Verbraucherzentrale und des Statistischen Bundesamtes sind Nahrungsmittel allein zwischen Oktober 2021 und Oktober 2022 um durchschnittlich 20,3 Prozent teurer geworden. Über 80 Prozent mehr muss der Verbraucher momentan beispielsweise für Rapsöl zahlen, bei Butter sind es 55 Prozent und bei Weizenmehl 38 Prozent. Wer Rinderhackfleisch im Supermarkt auf das Kassenband legt, muss ebenfalls mit bis zu 38 Prozent mehr rechnen. „Das kann sich niemand mehr leisten“, kritisiert Saskia Martin und denkt dabei besonders an Menschen mit wenig Einkommen.

Seit Jahren engagiert sich die Hardtbergerin ehrenamtlich im Nachbarschaftszentrum auf dem Brüser Berg. Die 69-jährige Pensionärin hilft Kindern bei den Hausaufgaben, gibt Deutschkurse und geht mit ärmeren Bekannten einkaufen. „Durch die Inflation sind sogar Lebensmittel aus dem Discounter für viele Menschen zum Luxusgut geworden.“ Immer mehr Menschen hätten Sorge, nicht mehr satt zu werden. Das erlebe sie täglich.

Hinzu kämen die steigenden Heizkosten, deren Höhe momentan niemand absehen kann: „Die Menschen heizen weniger. Umso wichtiger ist es, wenigstens eine warme Mahlzeit am Tag zu sich zu nehmen“, weiß Martin. „Sich in der Kälte abends mit einer Packung Kartoffelsalat oder einem Brot hinzusetzen, ist nicht gesund.“

Wenige Zutaten im Vorratsschrank

Lang bevor die Inflation in ihrem heutigen Ausmaß absehbar war, hatte sie deshalb die Idee, einen Kochratgeber herauszugeben, in dem sie Anregungen zur Zubereitung preiswerter Gerichte gibt. „Kochen muss nicht kompliziert oder teuer sein“, so die Hardtbergerin, die selbst gern den Kochlöffel zu Hause schwingt. Brigitte Bieler, die ebenfalls seit Jahren im Nachbarschaftstreff aktiv ist, war von der Idee sofort begeistert. Mit der Unterstützung von Petra Grünwald-Schiffer, der Organisatorin für Veranstaltungen und Angebote im Nachbarschaftszentrum am Brüser Berg, haben die beiden Frauen im Frühling 2022 damit angefangen, an der Gerichtesammlung zu feilen.

Ihre Küche beruht auf wenigen Zutaten, die jeder im Haus haben sollte. Allen voran: Nudeln, Reis, Kartoffeln und Mehl. Hinzu kommen Essig, Öl, Butter, Eier, Ketchup, Mayonnaise und Käse. „Damit lassen sich ganz einfach die verschiedensten Kreationen zaubern“, verrät Martin. Das funktioniere sowohl vegetarisch als auch mit Fleisch. Auf außergewöhnliche Gewürze oder exquisite Zutaten wird verzichtet. Stattdessen haben die beiden einen Trick für den günstigen Einkauf. So empfehlen sie möglichst spät am Nachmittag oder abends zum Discounter zu gehen, um zusätzlich Sonderangebote abgreifen zu können. Frei kombiniert mit den Grundzutaten aus Kühlschrank und Vorratskammer könnten so leckere und gesunde Mahlzeiten entstehen.

Vorausschauendes Kochen

Zum Beispiel: Eine Scheibe frischer Lachs (30 Prozent reduziert im Discounter), kombiniert mit einer Packung Feldsalat (Sonderpreis: ein Euro) plus Pellkartoffeln ergeben nach Martin und Bieler eine preiswerte Mahlzeit für ein bis zwei Tage. Weitere Gerichte, die die beiden in ihre Sammlung aufgenommen haben, sind beispielsweise Eier-Tomaten, dicke Pfannkuchen und Nudeln mit Zwiebel und Fleischwurst.

Wichtig ist ihnen, dass vorausschauend gekocht wird. Die Pellkartoffeln, die am Montag im Topf landen und nicht aufgebraucht werden, sollen an den folgenden Tagen zu verschiedenen Speisen weiterverarbeitet werden, etwa zu Bratkartoffeln oder Reibekuchen. Bieler: „Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, nichts wegzuwerfen. Das mache ich selbst so, wenn ich zu Hause in der Küche stehe. Viele Menschen müssen das noch lernen.“

In einem Koch-Flyer haben die beiden Frauen nun ihre Sammlung zusammengefasst. Für den Druck ist das Nachbarschaftszentrum Brüser Berg zuständig, das dem Projekt eine erste Auflage von 250 Stück zugesprochen hat. „Wir wollen die Heftchen in den Geschäften auf dem Brüser Berg und den Einrichtungen des Diakonischen Werks Bonn und Region verteilen“, erklärt Grünwald-Schiffer. Je nachdem, wie die Flyer angenommen werden, sei der Druck von weiteren Exemplaren möglich, ebenso wie eine Übersetzung in andere Sprachen. „Allein stemmen können wir das allerdings nichts. Wir sind unbedingt auf Sponsoren angewiesen“, sagt Grünwald-Schiffer.

Kostenproben auf der Borsigallee

Zum Launch des Flyers hat sich das Nachbarschaftszentrum etwas Besonders einfallen lassen: Am kommenden Donnerstag kocht ein kleines Team aus Freiwilligen zwei Gerichte aus der Sammlung nach, die auf der Borsigallee verteilt werden. 40 Portionen seien in Planung, so Grünwald-Schiffer. „Wir wollen das Essen aber nicht einfach verteilen, sondern dabei mit den Menschen ins Gespräch kommen, mit ihnen über ihre Sorgen sprechen“, so die Organisatorin.

Ein ähnliches Angebot gab es vor über zwei Jahren im Nachbarschaftszentrum. Einmal pro Woche wurde von einem wechselnden Team aus 13 Hobbyköchen gekocht. Zwischen 25 und 30 Mahlzeiten konnten wöchentlich an bedürfte Menschen verteilt werden. Unter den Köchen waren damals neben Brigitte Bieler auch Waltraud Mayer, Andrea Kümpel und Bernd Rathje, die für das neue Projekt am Donnerstag reaktiviert worden.

„Durch die Pandemie mussten wir die Essensausgabe Anfang 2022 einstellen. Wir hoffen jedoch, bald wieder damit starten zu können“, sagt Andrea Hillebrand vom Diakonischen Werk Bonn und Region. Die Kochaktion in dieser Woche könne ein erster Auftakt sein, Näheres werde man jedoch nach pandemischer Lage in den kommenden Wochen entscheiden. – „Wir Ehrenämtler sind auf jeden Fall jederzeit wieder startklar“, sagt Brigitte Bieler.

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