Zu viele Versiegelungen in Bonn Wo die Bonner ein kühles Plätzchen in der Stadt finden
Bonn · Eine Karte im Internet zeigt, wohin die Bonner vor der Hitze fliehen können. Wir haben uns auf die Suche nach kühlen Orten auf dem Hardtberg gemacht.
Es beginnt in der sengenden Hitze. Die Sonne knallt auf den Lehrerparkplatz am Hardtberg-Gymnasium. Kein Baum spendet Schatten. „Hier ist alles versiegelt“, sagt Thomas Greuel und zeigt aufs Pflaster. Nur durch die Ritzen zwischen den Steinen zwängt sich etwas kümmerliches Grün. „Je mehr versiegelte Flächen es gibt, desto heißer ist es“, sagt der 16-Jährige.
Er und seine Mitschülerin Mara Mittler sind Experten für heiße und kühle Orte auf dem Brüser Berg. Haben sie sogar auf einer Karte eingezeichnet. Die ist nun im Internet verfügbar. Das Thermometer zeigt über 30 Grad an diesem Tag. Die beiden wollen bei einem Spaziergang zeigen, wo es sich gut aushalten lässt, während die Stadt schwitzt. Und warum das so ist. Mit dabei sind auch Lehrerin Alexandra Siemoneit und Francis Hugenroth vom Wissenschaftsladen Bonn (Wila). Der gemeinnützige Verein hat das Kartenprojekt mit der Uni Bochum entwickelt.
Es ist nicht nur heiß auf dem Parkplatz. „Es versickert auch kein Wasser“, sagt Mittler – genau wie auf dem Schulhof. Da ließe sich viel machen, sagen die beiden, etwa mit Rasengittersteinen. Durch die können der Rasen und andere Pflanzen hindurchwachsen, und das Wasser kann einfach versickern. Auch das Schulgebäude könne verbessert werden. „Indem die Fassade und das Dach begrünt werden“, sagt Greuel. Durch die Sonne heizen sich die Gebäude in den Städten auf, speichern die Hitze und geben sie langsam wieder ab. Das ist spürbar: Die Stadt ist bis zu zehn Grad wärmer als das Umland. Gebäude, auf denen Pflanzen wachsen, werden nicht so heiß und kühlen sogar, wenn das gespeicherte Wasser verdunstet. „So ein grünes Dach kann Tonnen an Wasser speichern“, sagt Greuel.
Rat entscheidet über Fassaden-Begrünung
Über ein Programm zur Begrünung von Fassaden und Dächern sollte der Rat Anfang September 2020 entscheiden. Schon jetzt müssen flache Dächer ab 200 Quadratmeter begrünt werden. Eingreifen kann die Stadt aber nur bei Neubauten. Damit andere Häuser grün werden, sollen Eigentümer gefördert werden. Maximal 5000 Euro bekommen sie pro Antrag. Im kommenden Haushalt hat die Stadt für die Förderung 110.000 Euro vorgesehen. Insgesamt sind darin fünf Millionen Euro für Klimaprojekte veranschlagt. „Es ist gut, dass es das Programm gibt“, sagt Hugenroth. „Wir halten es aber für sinnvoll, mehr Geld zu investieren.“ Auch dafür, das Projekt bekannt zu machen. Vom Parkplatz geht es erst mal raus aus der Hitze – über die Straße in Richtung des Sportplatzes Brüser Berg. Frage an die Schüler: Was war das coolste am Projekt? Rausgehen und die Orte erkunden, um dann auf der Karte einzutragen, wo es heiß oder kühl ist – da sind sich die beiden einig. Am Sportplatz entdecken sie eine Veränderung.
„Vorher war hier alles gepflastert“, sagt Greuel. Jetzt stehen dort ein paar junge Bäume, die allerdings so aussehen, als hätten ihnen die Sonne schon zugesetzt. Es geht am Sportplatz vorbei. Die könnten gegen die Folgen des Klimawandels helfen, sagt Hugenroth. „Darunter lassen sich Zisternen einrichten, die Wasser speichern – etwa bei starkem Regen.“ Weiter geht der Spaziergang über die Brücke am Konrad-Adenauer-Damm, die Straße ist in der Karte im Netz als zu heiß markiert.
Finkenhofpark und der grüne Hardtberg
Der Weg führt hinein in den Finkenhofpark. Dort spenden die Bäume Schatten, es lässt sich deutlich besser aushalten. Die Schüler kommen hier oft durch, wenn sie zur Schule radeln. „Im Sommer wähle ich bewusst den Weg durchs Grüne, auch wenn er zwei, drei Minuten länger ist“, sagt Mittler. „Aber hier ist es einfach kühler.“ Die Bäume spenden nicht nur Schatten, sondern heizen sich auch weniger stark auf als Straßen und Häuser.
Die Gruppe setzt sich wieder in Bewegung. „Durch das Projekt habe ich schon einen anderen Blick auf meine Umgebung bekommen“, sagt Greuel. Der Hardtberg, sei verglichen mit anderen Teilen der Stadt, relativ grün. Ab und zu schaut er immer noch auf der Website vorbei, um zu sehen, ob jemand einen neuen Ort eingetragen hat. Er hat dort etwa einen Steingarten markiert. „Die versiegeln nicht nur Fläche, sondern verringern auch den Lebensraum für Insekten“, sagt er.
Beete auf den Bonner Bushaltestellen bisher kein Thema
Vom Park geht die Gruppe zur Julius-Leber-Straße. Dort gibt es gleich zwei Kritikpunkte. „Auf der Verkehrsinsel könnte eine wilde Wiese angelegt werden, oder man pflanzt Bäume“, sagt Mittler. Stattdessen ist der Rasen darauf vertrocknet. „Die Fläche ist jetzt tot“, sagt Siemoneit. Und dann ist da noch die Bushaltestelle. Wenn die Sonne voll daraufscheint, „ist es darunter wie im Gewächshaus“, sagt Hugenroth. Ihr Vorschlag, damit die Sonne nicht mehr ungehindert durch das Glasdach scheint: Utrecht als Vorbild nehmen. Die holländische Stadt hat auf mehr als 300 Bushaltestellen Beete angelegt. Die bieten Lebensraum für Insekten, binden Kohlenstoff und sorgen dafür, dass es im Wartehäuschen nicht zu heiß wird.
Auch in Bonn war so etwas mal im Gespräch. In einer Mitteilung der Stadt vom Anfang 2020 hieß es allerdings, dass nur die wenigsten der 420 Haltestellen in Bonn dafür geeignet seien. Viele könnten die zusätzliche Last nicht tragen. Pro Haltestelle würden die Kosten für die Begrünung bei 5000 Euro liegen. Ein nennenswerter Effekt auf das Stadtklima sei aufgrund der geringen Fläche nicht zu erwarten. „Es würde schon reichen, wenn die Haltestellen keine Glasdächer hätten, durch die die Sonne ungehindert durchscheinen kann“, sagt Hugenroth. Die Kosten für eine nachträgliche Begrünung seien schon recht hoch, das Geld sei besser in der Fassadenbegrünung investiert.
Dann geht es zurück zur Schule. Auf dem Parkplatz brennt wieder die Sonne. Der einzige Wunsch: zurück in den Schatten.
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