Ein Blick in das Leben von Ghazal Rostami Kunden sind zu Freunden geworden

Brüser Berg · Schon als Kind hat Ghazal Rostami viel Zeit zwischen den Büchern der Buchhandlung ihres Vaters verbracht. Die Buchhandlung „Goethe & Hafis" liegt in der Fußgängerzone des Brüser Bergs. Inzwischen gibt es auch eine weitere Buchhandlung Rostamis in Röttgen.

 Die Buchhandlung „Goethe & Hafis" in der Fußgängerzone des Brüser Bergs.

Die Buchhandlung „Goethe & Hafis" in der Fußgängerzone des Brüser Bergs.

Foto: Stefan Hermes

Kaum jemand, dem Ghazal Rostami (37) auf einem kurzen Fußweg zwischen der väterlichen Buchhandlung und dem Bäckereicafé auf der Borsigallee begegnet, den sie nicht kennt, grüßt oder mit dem sie ein paar freundliche Worte wechselt. Im Café angekommen erzählt sie, dass sie gerne auf dem Brüser Berg aufgewachsen ist.

Nicht nur ihre Kindheit und Jugend hat die im Iran geborene heutige Psychologin zum großen Teil zwischen den Büchern von „Goethe & Hafis“, der Buchhandlung ihres Vaters Jalal Rostami Gooran verbracht, sondern dort auch rund zehn Jahre während ihres Jura- und Psychologiestudiums arbeiten können. „Am meisten hat mich in der Buchhandlung der enge Kontakt zu meinem Vater geprägt, nicht das Buch an sich“, sagt sie nachdenklich zurückblickend. Vor etwa einem halben Jahr hat sie ihre feste Mitarbeit in der Buchhandlung beendet und konzentriert sich seitdem nahezu ausschließlich auf ihre dreijährige Weiterbildung zur Psychotherapeutin.

Begenungen mit interessanten Menschen

„Es war mir immer eine große Freude, auf dem Brüser Berg so vielen tollen Menschen zu begegnen und mit meinem Vater zusammenarbeiten zu können“, sagt sie. Durch die Buchhandlung habe sie einen besonderen Blick auf die Menschen des Brüser Bergs gehabt, die sie sehr zu schätzen gelernt habe, auch wenn sie sich daran erinnert, als Kind bestimmte Bereiche gemieden zu haben, wo sich Jugendliche versammelten, denen sie lieber aus dem Weg gegangen ist. „Als Kind hinterfragt man nicht den Ort, an dem man lebt“, weiß die Psychologin. So sei sie einfach in den Stadtteil „hineingewachsen“ und habe sich immer wohlgefühlt.

Dialog zwischen den Kulturen

„Ich bin mit vielen Menschen zusammengekommen, die sich sehr für den Brüser Berg engagieren und kulturell sehr viel dafür tun.“ Kunden seien zu Freunden geworden. Das habe auch an ihrem Vater gelegen, „der in der Buchhandlung eine Welt erschaffen hat“, so Rostami, „in der man sich füreinander interessiert.“ Ihrem Vater sei es immer um den Dialog zwischen den Kulturen gegangen. Er werfe das Licht auf Regionen in der Welt, wo es den Menschen nicht so gut gehe. Das habe auch sie geprägt. Zudem stamme sie aus einer politisch interessierten und diskussionsfreudigen Familie, fügt sie noch erklärend hinzu. Schon als Grundschülerin habe sie sich immer besonders auf den Bücherwagen gefreut, der einmal in der Woche auf der Borsigallee Halt machte, als es dort weder eine Bücherei, noch eine Buchhandlung gab.

Aus ihrer damaligen Begeisterung für TKKG-Kassetten ist bis heute ihre Liebe zu Krimi und Detektivgeschichten geblieben, die sie neben Sachbüchern immer noch gerne liest. Auch weil in der Familie untereinander Persisch gesprochen wird, bedauert es Rostami, die persische Schrift nicht lesen zu können.

Einsatz für Menschenrechte

1988 kam Rostami als knapp Dreijährige mit ihren Eltern und der älteren Schwester nach Deutschland. Der Vater war zuvor wegen seines politischen Aufbegehrens gegen das Regime im Iran inhaftiert worden und durfte nach seiner Entlassung auf Bewährung ebenso wenig wieder als Lehrer arbeiten, wie Rostamis Mutter ihr Psychologiestudium hatte beenden können. Um einer erneut drohenden Inhaftierung zu entgehen, hatte sich die Familie zur Flucht nach Deutschland durchgerungen. „Ich habe keine Worte dafür, wie dankbar ich meinen Eltern bin, sich schon damals für Menschenrechte eingesetzt und dann ihr Leben aufs Spiel gesetzt zu haben, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen“, sagt Rostami. Sie ist davon überzeugt, dass sich ihre Eltern dabei nie in einer Opferrolle gesehen haben, sondern alles dafür getan haben, ihre Kinder in einer freien Welt aufwachsen zu lassen. Die Ausbildungen der Eltern wurden in Deutschland nicht anerkannt. Sie mussten ihr Abitur erneuern, um hier noch einmal von vorne anfangen zu können. Rostamis Mutter ließ sich zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA) ausbilden und arbeitet heute in einer Endenicher Apotheke, während ihr Vater Bibliothekarswesen in Köln studierte. Seine erste Buchhandlung eröffnete er 1994 in Tannenbusch bevor er sich 1998 auf dem Brüser Berg niederließ, wo er inzwischen schon zum zweiten Mal mit dem Deutschen Buchhandelspreis als „Hervorragende Buchhandlung“ für sein literarisches Sortiment sowie für das kulturelle Veranstaltungsprogramm von „Goethe & Hafis“ ausgezeichnet wurde.

Bilder von Protesten

Ghazal Rostami sagt, dass sie auf die Iranerinnen und Iraner stolz sei, „die in ihrem Land gegen das menschenverachtende Regime auf die Straße gehen.“ Nach dem Tod der 22-jährige Jina Mahsa Amini die von der iranischen Sittenpolizei wegen vermeintlich unislamischer Kleidung verhaftet wurde, protestieren in dem iranischen Vielvölkerstaat die Menschen gegen das Mullah-Regime. Vor allem Frauen wehren sich gegen den Kopftuch-Zwang und fordern mehr Freiheiten. Rostami wünschte sich eine entschiedenere Politik Deutschlands gegen die iranische Diktatur. Es gebe zu wenig Informationen über das, was im Iran zurzeit geschehe. Ihr sei es wichtig, dass in einem Bericht über sie auch die Zustände in ihrem Geburtsland genannt werden. „Man muss auf das aufmerksam machen, was dort passiert“, sagt sie. „Wir sind ihre Stimme.“ Es sei wichtig, dass immer wieder die Bilder von den Protesten im Iran gezeigt würden. Es müsse sich etwas verändern.

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