Studenten in Bonn Leben auf 18 Quadratmetern - im "Quartier West" in Duisdorf

DUISDORF · Die Spüle ist eine Armlänge vom Esstisch entfernt, vom Schreibtischstuhl kann man einfach ins Bett fallen. 18 Quadratmeter Wohnraum sind nicht viel. "Aber es reicht", sagt Studentin Anna Berenz. Sie wohnt seit einem Semester im privaten Duisdorfer Studentenwohnheim "Quartier West". Auf sechs Etagen bietet das Platz für 101 Wohnungen - die meisten unterhalb von 20 Quadratmetern.

"Ich bin hierhin gezogen, weil ich nichts anderes gefunden habe", sagt die 20-Jährige Anglistikstudentin. Die Preise liegen um die 400 Euro inklusive Nebenkosten. Inbegriffen ist auch eine komplette Raumausstattung mit Kühlschrank, Bett und Schrank, jedes Apartment hat ein Bad mit Dusche.

Das macht das Wohnen sehr anonym. "Aber das wollte ich auch", erzählt Hannah Pfleghart. Sie wohnt nur zwei Türen entfernt von Anna Berenz, hat sie aber noch nie gesehen. Beide scheuten davor, in eine WG zu ziehen. "Ich war neu hier, mit Unbekannten wollte ich nicht zusammenwohnen", sagt Pfleghart.

Früher gehörte der grau-braune Plattenbau der Polizei, davor war dort eine Behörde untergebracht. Weil ein holländischer Investor das Gebäude für unrentabel hielt, kauften es 2010 die drei Freunde Lutz Kelle, Wolfgang Habelt und Uwe Franz. Nach einer Grundsanierung konnten 2011 die ersten Studenten einziehen.

"Wir machten aus zwei Büros einfach ein eigenständiges Apartment", sagt Kelle. Schließlich hatte das Trio schon Erfahrungen mit Studentenwohnheimen: Bereits 2005 renovierten sie ein altes Wohnheim der Kirche in Dottendorf und eröffneten es als "Quartier Vier" neu. 2008 folgte das "Quartier Mitte" im Bonner Zentrum. Ersteres ist mit etwa zwölf Quadratmeter großen Zimmern, Gemeinschaftsduschen und -küchen wie eine Jugendherberge aufgebaut, geselliger und günstig.

Letzteres wie das "Quartier West", nur mit größeren Räumen und teurer. Zu klein findet Lutz Kelle die Wohnungen nicht: "Als ich in Münster studierte, habe ich auch auf zwölf Quadratmetern gelebt." Heute würden die Studenten immer anspruchsvoller, der Wohnraum hingegen knapper und teurer.

Da Kelle und Franz ohnehin in der Immobilienbranche tätig waren, wussten sie, welche Gebäude sich für Wohnheime eigneten. Das Geschäftsmodell funktioniert: Zwar seien die Investitionen anfangs sehr hoch, über die Jahre würden sie sich aber amortisieren und die Gebäude Gewinn abwerfen, so Kelle. Dass sie fast doppelt so teuer sind wie die Wohnungen des Studentenwerks, rechtfertigen sie mit Komplettausstattung und frischer Renovierung.

Das war für Studentin Pfleghart entscheidend: "Ich wollte nicht in eine total verlebte Bude ziehen, wo das Bad auch noch dreckig ist." Dafür bezahle sie auch gerne mehr. Die Schattenseite sei der chronische Platzmangel. Was nicht mehr in den Schrank passe, müsse im Regal oder unterm Bett Platz finden. Es gibt im "Quartier West" weder Festnetz-, noch Fernsehanschluss, dafür muss mit Handy und DVB-T jeder selbst sorgen. "Und wenn viele online sind, ist das hauseigene Internet lahm", sagt Anna Berenz.

Der allgemeine Studierendenausschuss (AStA) sieht in den privaten Wohnheimen keine Konkurrenz zum Studentenwerk. "Wir finden sie sogar gut, denn sie schaffen mehr Wohnraum", sagt die stellvertretende Vorsitzende Eva Nelles. Die privaten seien zwar teurer als die subventionierten Wohnheime, aber immer noch günstiger und gepflegter, als viele andere Wohnungen auf dem Markt. Dort würden die Studenten teilweise nämlich richtig abgezockt.

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