Gute Nachbarschaft Klatsch und Tratsch auf dem Dorf

Lengsdorf · Die Lengsdorfer Hauptstraße hat sich in den vergangenen 30 Jahren kaum verändert. Das Ländliche so nahe an der Stadt schätzen die Neubürger sehr.

Die meisten kennen die Lengsdorfer Hauptstraße nur als Schleichweg. Doch hinter den grauen Fassaden steckt mehr.

Die meisten kennen die Lengsdorfer Hauptstraße nur als Schleichweg. Doch hinter den grauen Fassaden steckt mehr.

Foto: Benjamin Westhoff

Was es im Dorf alles nicht mehr gibt, davon können alte Lengsdorfer eine Litanei herunterbeten. Aber es gibt mehr Einwohner. Vor gut 20 Jahren waren es 4300. Heute sind es mehr als 7000. Trotzdem ist Lengsdorf ein Dorf geblieben. Im Kern hat sich wenig verändert, trotz der Umschlingung durch die viel befahrene Autobahn und trotz des täglichen Pendlertransits zu den großen Bürostandorten. Autobahnanschluss und Acker liegen nebeneinander.

Wenn die Lengsdorfer Hauptstraße nicht als Schleichweg genutzt wird, ist es fast unwirklich ruhig. Größtenteils Einfamilienhäuser in der Reihe, renoviert, weiße Gardinen, gepflegte Topfblumen auf der Fensterbank. Ein Klingelschild. Es ist nicht riskant, auf der Fahrbahn zu gehen. Aber die Lengsdorfer machen das nicht; sie haben einen schönen, ordentlich gepflasterten Bürgersteig mit einem Kordon aus eisernen Ketten. Als die Hauptstraße vor Jahrzehnten saniert wurde, hatte man wohl eine Fußgängerzone mit Geschäften rechts und links im Blick – so wie in Duisdorf.

Friedlicher Ort

Welchen Eindruck macht Lengsdorf auf Neubürger? „Ruhig und ländlich“, sagt eine junge Frau auf dem Weg zum Friseur. Genau deswegen sei sie mit Hund und Mann vor zwei Jahren von Bonn hierhergezogen. „Na ja, ein Bäcker und Metzger am Ort fehlen schon.“ Die gab es früher, erinnert sich aber Karl Winkelmeier. Und sechs Gaststätten.

Sonntags ging man zum Frühschoppen zum Schlösser. Oder abends zum Kegeln. Der 86-Jährige wurde im Elternhaus an der Hauptstraße geboren. „Es ist nicht mehr wie früher. Man trifft immer weniger Bekannte“, bemängelt er. Winkelmeier will zur Corona-Teststation auf dem Dorfplatz. Auch wenn die Zeiten mit Krankheiten und Einbrechern immer gefährlicher würden: „Lengsdorf ist friedlich. Hier muss man keine Angst haben.“

Daniel Klein ist Duisdorfer. Seit fast 20 Jahren kommt er jeden Tag nach Lengsdorf zur Arbeit. Der Regionaldirektor der VR-Bank hat mitangesehen, wie sich die Hauptstraße veränderte. Die Eisdiele zum Beispiel, wo er sich in der Mittagspause eine Erfrischung holen konnte, gibt es schon lange nicht mehr.

Doch etwas sehr Positives, eine solide Lengsdorfer Konstante, sei stärker als der Wandel. „Das ist die eingeschworene Gemeinschaft, das Familiäre, das Vereinsleben“, sagt der 48-Jährige. Katharina Faßbender kann das nur bestätigen. Die 76-jährige gebürtige Lengsdorferin aus der Schallengasse hat einen Friseurtermin und deshalb jetzt nicht viel Zeit zum Erzählen. Genau das mache ein Dorf aus: „Man kennt sich, hilft sich, und tauscht die Neuigkeiten schneller aus, als sie in der Zeitung stehen können.“ Dorftratsch sei etwas Schönes. Allerdings ist er auf der Hauptstraße eine bedrohte Umgangsform. Denn die Treffpunkte schwinden. Immer weniger Geschäfte, immer weniger Kneipen.

Klatschbörse Friseursalon

Aber es gibt ja noch die Friseursalons. Gerade hat Shahrzad Didehvar das Geschäft von Achim Albers übernommen, der in Rente gegangen ist. Für die gebürtige Iranerin ist der Salon die analoge Plattform für lokale Nachrichten. „Klatsch und Tratsch, davon lebt ein Dorf“, sagt sie. Seit 1996 wohnt sie in Bonn, hat die Friseurlehre gemacht und in verschiedenen Läden gearbeitet. Der Schritt in die Selbstständigkeit habe ihr anfangs einige Gedanken bereitet. „Aber ich fühle mich willkommen und in guter Nachbarschaft.“

Was erzählt man sich, was ist derzeit Dorfgespräch? „Das Wetter“, Didehvar lacht. Sie sei bereits in einige „Geheimnisse“ eingeweiht. Selten werde bösartig gesprochen. „Und wenn, dann bleibt es in diesem Raum“, sagt die 50-Jährige.

Nach einer Beschreibung für den Alltag auf der Hauptstraße gefragt, sagen Lengsdorfer: familiär. Shahrzad Didehvar meint: „Wie eine große Familie“. Da passt es ins Bild, dass Rosario und Lucia Granatella ihr Restaurant „Piazza“ genannt haben – ein Platz, auf dem sich Nachbarn versammeln. Seit 25 Jahren sind sie am Platz. „Hier kennt jeder jeden“, erklären sie. Und das finden sie schön so.

Neue Nachbarn

Dorfgespräch ist auch der „neue“ Grieche. Das Ehepaar Spiros und Eleni Voutselas hatte das griechische Restaurant „Zur alten Post“ 2022 nach mehr als 30 Jahren aus Altersgründen geschlossen. Die Lengsdorfer rätselten, ob eine Nachfolge gefunden würde. Und was, wenn nicht...

Die gute Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch den Ort. Eleni und Ioannis Angos haben die Gaststätte übernommen. „Es war die richtige Zeit und der richtige Ort, sich selbstständig zu machen“, sagen die beiden gelernten Köche. Unterstützt werden sie von ihren drei Kindern. Die Nachbarn haben ihnen schon längst ihre Aufwartung gemacht. „Sie kommen wie Freunde. Schon nach kurzer Zeit haben wir viele Stammkunden.“ „Zur alten Post“ wie beim Vorgänger heißt die Gaststätte nicht mehr. Die Angos haben sie „Familie“ genannt, weil es sich in Lengsdorf so anfühlt und „weil wir ein Familienbetrieb“ sind.

Auf der Hauptstraße tut sich noch mehr. Es kann von weiteren neuen Nachbarn berichtet werden. Auf dem früheren Edeka-Grundstück ist eine große Lücke mit hochwertigen Mehrfamilienhäusern und fünf Reihenhäusern im Innenhof geschlossen. Die ersten Bewohner ziehen gerade ein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort