Wahlafrikaner ist in Medinghoven heimisch geworden Lob für Vielfalt im Stadtteil

Medinghoven · Vor fünf Jahren kam Klaus Gastrow aus Südafrika nach Medinghoven, wo er gerne lebt. Er schätzt vor allem das Miteinander der vielen Kulturen.

 Von seinem Fenster im 5. Stock eines Wohnhauses am Europaring hat Klaus Gastrow einen guten Blick auf Medinghoven.

Von seinem Fenster im 5. Stock eines Wohnhauses am Europaring hat Klaus Gastrow einen guten Blick auf Medinghoven.

Foto: Stefan Hermes

Von seinem Balkon im 5. Stock von Medinghovens Mitte hat Klaus Gastrow (70) einen guten Überblick: Es ist „all nice“ hier, sagt er. Mit einer Unterbrechung von vier Jahren, wo er im Schwarzwald in die Lehre zum Maschinenschlosser gegangen war, hat Gastrow sein Leben Englisch und Afrikaans sprechend in Südafrika verbracht. Vor fünf Jahren kam er nach Medinghoven, wohin seine Frau bereits vor 15 Jahren gezogen war, als Tochter Steffi, die in Bonn studierte, schwanger wurde.

„Meine Frau hatte Afrika irgendwann satt“, sagt Gastrow. Es habe dort für sie „viel zu viele Fragen“ gegeben, während er sich dort bestens eingerichtet hatte. Zuletzt handelte er mit Bussen für Kommunen und Touristikunternehmen. „Ein gutes Geschäft“, wie er sagt. „Mit Bussen kommt man in Südafrika überall hin.“ Heute ist auch sein Sohn Rolf in Durban im Busgeschäft tätig. Tochter Kathi lebt und arbeitet inzwischen als Umweltingenieurin in England. Gastrow sieht zufrieden auf sein bisheriges Leben zurück.

Seit einem Jahr sitzt Gastrow – obwohl bei einem Mietwagenunternehmen als Minijobber angestellt – coronabedingt tatenlos in seiner Wohnung am Europaring. Er hat Zeit, zu beobachten und sich einzumischen. Bonnorange hat er angeschrieben, dass die Bushaltestelle vor seinem Haus vermüllt sei. „Die sind schnell gekommen und haben alles sauber gemacht“, freut er sich und stellt bis heute fest, dass nun regelmäßig für Sauberkeit gesorgt wird. Warum man allerdings dort, wie überall in Deutschland, nur solche Mini-Mülleimer angebracht hat, versteht Gastrow nicht. In Südafrika gebe es Mülleimer an jeder Ecke und die seien groß, wie Ölfässer. Das habe sich bewährt. Man könne sowieso viel von Südafrika lernen, ist er überzeugt. Apartheid oder Rassismus gebe es dort schon lange nicht mehr. Das Miteinander von Schwarz und Weiß sei selbstverständlich. Keiner achte mehr auf die Hautfarbe. Auch in Medinghoven kommt er zu dem Schluss, dass die vielen Kulturen dort gut miteinander auskommen. „Wir sind hier sehr bunt“, sagt er und freut sich darüber. Er erzählt, wie er sich gerade mit seiner eritreischen Nachbarin über die Herstellung von Berberitz-Gewürz ausgetauscht hat. Bald wird sie ihm zeigen wollen, wie sie ihre typischen Gewürzmischungen zubereitet.

Gastrow versteht nicht, wie man sich beispielsweise über einen Autokorso aufregen kann, der bei Hochzeiten gerne laut hupend über den Europaring fährt. „Das ist doch schön anzusehen“, sagt er. Da könne man sich doch mitfreuen. Überhaupt sei es doch viel einfacher, freundlich miteinander umzugehen. Gerade noch hatte er beobachtet, wie ein Busfahrer einen zur Haltestelle laufenden Jungen ignorierte und einfach weiterfuhr: „Ich verstehe das nicht“, sagt er. „Wir sind doch alle Menschen!“ Es wäre doch so einfach gewesen, auf den Jungen zu warten. Man müsse einfach füreinander da sein. Auch dem Busfahrer sollte man seine Meinung sagen.

Den Rasern auf dem Europaring glaubt Gastrow schon den Garaus gemacht zu haben, indem er die Polizei gebeten hat, dort zu blitzen. „Das haben die auch gemacht.“ Seitdem sei der Schulweg auch für die Kleinsten wieder etwas sicherer geworden, ist er überzeugt. Dabei fällt ihm ein, dass Schuluniformen auch bei uns etwas Gutes wären. Dann würden alle Kinder, wie auch in Südafrika gleich „proper“ aussehen, meint er. Da könne niemand mehr erkennen, ob jemand aus den Brennpunkten oder aus den Vierteln der Reichen käme. In Medinghoven freut es Gastrow, wenn er früh morgens kleine Kinder aus dem 5. Stock heraus beobachten kann, die ihrer vielleicht aus Syrien oder Afghanistan stammenden Mutter hinterher trabten. „Da denke ich mir, wie glücklich die Familien sein müssen, den Krieg hinter sich gelassen zu haben. Das sind friedliche Bilder.“

Auch wenn es für Medinghoven nicht relevant sei, so ist Gastrow zurzeit sehr mit der Diskussion beschäftigt, ob Muezzins die gläubigen Muslime in Zukunft zum Gebet rufen dürfen – so wie es die Glocken für Christen tun. „Da ist Südafrika auch ein gutes Beispiel“, sagt er und erwähnt, dass er gerade eine muslimische Gemeinde in Durban angeschrieben hat, die ihm verraten solle, wie sie ihre Gebetsrufe über Clouds und Whatsapp organisiert haben, sodass ein Rufen über Minarett oder Lautsprecher nicht mehr nötig ist. Das würde er gerne auch hier in die Diskussion einbringen. „Es gibt doch immer Wege der Verständigung“, ist er überzeugt. Aktiv schreibe und agiere er gegen Ölfirmen, die im afrikanischen Okavangodelta die Farmer vertrieben und nach Öl bohrten.

In Medinghoven sieht er nicht mehr viel zu tun für sich. „Hier gibt es doch alles“, sagt er. Krawalle habe er in seinem Viertel noch nicht erlebt. „Okay“, sagt er, ab und zu sehe man mal Polizei, die am Abend vermutlich wegen Drogengeschäften auftauche. Aber Einbrüche oder aufgebrochene Autos habe er in den fünf Jahren, die er jetzt in Medinghoven wohnt, noch nicht erlebt. Er fühle sich wohl in dem Stadtteil. Wenn er eines Tages wieder wegziehen sollte, dann nur zurück nach Südafrika, sagt er.

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