Auf dem Bonner Kreuzberg Mit jeder Stufe der Erlösung näher

Bonn · Der Kreuzberg ist voller christlicher Symbole und Geheimnisse. Die Heilige Stiege bleibt in diesem Jahr aufgrund der Pandemie allerdings geschlossen. In den Vorjahren pilgerten 1000 Neugierige über Ostern zum Kreuzberg.

 Diakon Paul Kirschner kennt die Heilige Stiege gut: „Aber ich entdecke immer wieder etwas Neues.“

Diakon Paul Kirschner kennt die Heilige Stiege gut: „Aber ich entdecke immer wieder etwas Neues.“

Foto: Benjamin Westhoff

Paul Kirschner strahlt über das ganze Gesicht. Eigentlich kennt der Diakon der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Bonn-Melbtal (Venusberg, Ippendorf, Poppelsdorf) die imposanten Fresken an der Decke und den Wänden der Heiligen Stiege ganz genau. „Aber ich entdecke immer wieder etwas Neues“, betrachtet er das spätbarocke Gesamtkunstwerk. Putten, Engel, Propheten, Jünger. Löwen, Schlangen, Nägel, Dornenkrone und immer wieder die blau-weißen Rauten aus dem Wappen der Wittelsbacher.

Zwar ist Kirschner nach wie vor von der Malerei sowie den feinen Marmorarbeiten fasziniert. Wichtig ist ihm allerdings eines: „Natürlich werden wir hier an das Leiden und den Tod Christi erinnert. Aber mit jeder Stufe hoch zum Kreuzaltar kommen wir unserer Erlösung näher. Das Kreuz ist nicht nur ein Symbol von Trauer und Schmerz, sondern vor allem eines der Liebe“, erklärt er. Und noch etwas ist ihm wichtig. „Rechts und links neben dem Kreuz sind Darstellungen von Judentum und Christentum“, interpretiert er die Malerei. „Es zeigt uns, dass Jesus für alle Menschen, die guten Willens sind, gestorben ist“, so der Diakon. „Gleich welcher Religion.“

Fliesen aus dem 18. Jahrhundert

Ob nun kniend im Mittelgang über den roten Lahnmarmor oder stehend über die Treppen zu beiden Seiten der Stiege, die mit Rotterdamer Fliesen des 18. Jahrhunderts verziert sind: Langsam und in innerer Einkehr versunken, erreichen die Pilger seit jeher an den beiden Tagen vor dem Auferstehungsfest den „Gipfel“. Je näher man dem sterbenden Christus kommt, desto deutlicher wird das verheißungsvolle Deckenfresko dahinter, Denn durch das Kreuz hindurch blickt man bereits auf die Auferstehung.“

Seit Jahrhunderten ist der Kreuzberg eine Pilgerstätte. Heute ist die Gesamtanlage aus Kloster, Kirche und Passionsstation eine der bedeutendsten Barockschöpfungen im Rheinland. Bereits im 15. Jahrhundert zog der idyllisch gelegene Wallfahrtsort Gläubige und Besucher gleichermaßen an. Lange vor der Errichtung der Kirche befand sich auf der Anhöhe eine Wallfahrtsstätte, an der das heilige Kreuz verehrt wurde. Urkundlich erwähnt ist, dass sich „am Fest des Heiligen Antonius von Padua (13. Juni) im Jahre 1429 rund 50.000 Personen bei dem Heiligen Kreuz am Kreuzberg zu Bonn oberhalb von Lengsdorf zur Kreuzverehrung versammelten.“ Dieses Kreuz stand vermutlich an gleicher Stelle, an der später eine Kreuzkapelle errichtet wurde.

Das kleine Gotteshaus wurde jedoch abgerissen und Erzbischof Ferdinand von Bayern ließ an zentraler Stelle auf dem Hügel die heutige Kirche errichten. Um 1746 gab Kurfürst Clemens August dem barocken „Stararchitekten“ Balthasar Neumann den Auftrag, die Heiligen Stiege zu bauen. Fertiggestellt wurde sie 1751. Vorbild war die „Scala Sancta“ in Rom (ursprünglich eine Außentreppe des Lateranpalastes), jene Treppe, die die Heilige Helena im Jahr 326 aus Jerusalem nach Rom bringen ließ und über die Jesus Christus zu seinem Richter Pontius Pilatus hinauf geschritten sein soll.

Wandmalereien beschreiben die Passionsgeschichte

59 Reliquien sind in den Stufen auf dem Kreuzberg eingelassen. Messingkreuze auf der zweiten, elften und letzten von 28 Stufen markieren die Stellen, an denen das Blut Christi herabtropfte. Die Wände schmücken Malereien von Johann Adam Schöpf mit Episoden der Passionsgeschichte, die 1892 von Franz Thöne restauriert wurden. Zwar waren im Barock solche Nachbauten der Scala in Bayern sehr beliebt, das Kunstwerk auf dem Kreuzberg ist jedoch das einzige dieser Art im Rheinland.

Um die Heilige Stiege ranken sich viele Geschichten. So soll etwa eine abgeplatzte Stelle auf einer Stufe vom Pferd Napoleons stammt. Er wollte angeblich die Treppe hoch reiten, doch sein Pferd bäumte beim Anblick des Kreuzes plötzlich auf.

Die zweigeschossige Außenfassade der Heiligen Stiege stellt ebenfalls das Haus des römischen Christenverfolgers dar. Auf dem Balkon über dem Eingang stehen Pilatus, in der Mitte der gefesselte und dornengekrönte Jesus sowie rechts von ihm ein Wächter. Der Präfekt des römischen Kaisers Tiberius präsentiert seinen Gefangenen mit einer Unschuldsmiene und lässt die aufgebrachte Menge über das Schicksal des Angeklagten entscheiden. Während der Wächter die Menschen anfeuert.

Wenn man sich von Poppelsdorf aus über die Kreuzbergallee dem Pilgerort nähert, erkennt man schon von weitem die Nachbildung dieser bekannten Bibelszene. Die lebensgroßen Figuren sind heute durch Kopien ersetzt. Die Originale befinden sich im Rheinischen Landesmuseum. Weitere lebensgroße Figuren füllten ursprünglich die Fensternischen zu beiden Seiten der Mittelachse. Eine aufgemalte Scheinuhr an der Fassade zeigt ca. 11.40 Uhr. „Das ist die Zeit der Verurteilung“, erklärt Kirschner. Im Inneren der Kreuzbergkirche über dem Altar zeigt die Uhr hingegen 15 Uhr an – die Todesstunde Jesu. „Der Kreuzberg ist an vielen Stellen voller Symbolik. Es ist wirklich faszinierend, wenn man immer wieder einen neuen Hinweis entdeckt“, so Kirschner.

Kaum einer kennt allerdings den ebenfalls prächtig ausgestatteten Raum hinter der Empore der Heiligen Stiege. Von diesem Fürstenoratorium aus konnte der Kurfürst nicht nur direkt vor dem Kreuzaltar der Heiligen Stiege beten. Sondern – abgeschirmt vom Volk – nahm er von dort oben ebenfalls an den Gottesdiensten in der Kirche teil. Natürlich abgeschirmt vom gemeinen Volk. Damit er selbst beim Betreten seines eigenen Andachtszimmers nicht mit dem niedrigen Stand in Berührung kam, nutzte er einen eigenen Zugang. „Durch diese Tür konnte er unbeobachtet kommen und gehen“, weist Kirschner auf die schlichte Holztür in der Fassade hin.

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