Kutschenfahrt Mit zwei PS übers Meßdorfer Feld

Duisdorf · Wer mit einer Pferdekutsche fahren möchte, ist bei Thorsten Mahlberg richtig. Dafür muss man nicht nach Wien reisen – in Bonn geht es auch.

 In seiner Pferdekutsche genießt Thorsten Mahlberg die Fahrt übers Meßdorfer Feld.

In seiner Pferdekutsche genießt Thorsten Mahlberg die Fahrt übers Meßdorfer Feld.

Foto: MLH

Frei von Emissionen, aber mit der Kraft zweier Pferdestärken fährt Thorsten Mahlberg durchs Meßdorfer Feld. Andi und Amigo – zwei Haflinger – erteilt der Endenicher schnalzend und rufend Kommandos und lässt sich auf seinem 300 Kilogramm schweren Planwagen über den Asphalt ziehen.

Steuert Mahlberg keine Baukräne, verbringt er seine Zeit mit Andi und Amigo – knapp 50 Stunden in der Woche. Ihrem Hobby, dem Westernreiten, frönt Familie Mahlberg seit Jahren, vor drei Jahren kam die Leidenschaft für ihr exponiertes Verkehrsmittel dazu. „In meiner Scheune habe ich vier Kutschen und einen Planwagen stehen“, erklärt Mahlberg, der die Fahrzeuge gekauft und in stundenlanger Arbeit restauriert hat.

Bevor es auf die Straße ging, musste Mahlberg ein halbes Jahr die Schulbank drücken. „Meinen Schein habe ich in einer Art Fahrschule gemacht. Das Fahrabzeichen ist nicht verpflichtend, für mich aus Sicherheitsgründen aber eine Selbstverständlichkeit“, erklärt er. Einen Tag lang musste er sein praktisches Können und umfassende theoretische Kenntnisse unter Beweis stellen.

Richtung Heimat geht es schneller

Für eine kurze Runde fährt Mahlberg über das Meßdorfer Feld, längere Fahrten haben ihn bereits über den Kottenforst hinaus geführt. Geht es zurück in Richtung Weide gegenüber dem Helmholtz-Gymnasium – der Homebase von Andi und Amigo – beschleunigen die 450 Kilogramm schweren Vierbeiner. „Wenn es in Richtung Heimat geht, merken das die Pferde und ziehen an. In entgegengesetzte Richtung geht es langsamer. Das ist ein Automatismus“, staunt Mahlberg über die Intelligenz seiner Tiere.

Etwa zehn Stundenkilometer, ein ruhiger Trab, sind das Wohlfühltempo der beiden, auch wenn die Pferde weitaus schneller könnten. Die Grenzen setzt die Kutsche. Vier hydraulische Scheibenbremsen und eine Handbremse sorgen für schnellen Stopp. „Sollten die Bremsen ausfallen, auch wenn es bergab geht, haben wir eine Notfallvorrichtung an den Pferden angebracht“, so Mahlberg. Im Extremfall setzen sich Andi und Amigo in die an den Hinterbeinen befestigten Ledergurte und bringen das Gespann so zum Stehen.

Dazu kam es noch nie, regelmäßiges Training ist dennoch ein Muss. Auf dem Trainingsplan stehen nicht nur Muskeln und Ausdauer, um die manchmal vierstündigen Fahrten zu bewältigen. Auch auf die Besonderheiten im Straßenverkehr bereitet Mahlberg seine Tiere vor: „Im Training fahren wir Stellen ab, die den Pferden unangenehm sind. Das sind beispielsweise Baustellen, dort verunsichert sie das Flatterband.“ Beim Trab kann es passieren, dass beide leicht eindösen – etwas, worauf ein Kutscher achten muss. „Wichtig ist, dass sie den Blick nach vorne halten. Bei Andi mache ich da manchmal eine Ausnahme, damit er von Amigo lernen kann“, erklärt Mahlberg. Alle Verkehrswege – mit Ausnahme von Bundesstraßen und Autobahnen – darf das Gespann befahren, auch in die Innenstadt geht es regelmäßig. Wohin es ihn am liebsten führt? „Da bin ich nicht wählerisch. Ganz toll sind Ausfahrten im Winter.“

Auch beim Rosenmontagszug begegnet man Andi und Amigo: Die Kanone ziehen die beiden regelmäßig, ebenso die Kriegskasse in Bad Godesberg. „Manchmal speziell, aber immer interessant“ nennt Mahlberg seinen Kundenstamm und verweist auf die Junggesellenabschiede, die – weiblich wie männlich – die tierische Pferdekutsche der radbetriebenen Bierkutsche vorziehen.

Für einen Stundensatz von 100 Euro kleidet sich der Kutscher dann standesgemäß, auch wenn ihn nicht Melone, Frack und Krawatte, wie sie die Wiener Fiaker tragen, sondern die bayrische Tracht schmückt. Der Pferde wegen, wie er erklärt: „Haflinger sind echte Bayern, da passt die Tracht wunderbar.“ Die Mehrzahl seiner Kunden, die das Gespann für einen 80. Geburtstag, eine winterliche Glühweinfahrt oder als Attraktion auf dem Brüser Berger Familienfest buchen, gestatteten normale Freizeitkleidung.

Wenige Fahrten im Monat führt Mahlberg durch, „das Hobby soll schließlich nicht in Stress ausarten“. Beliebt ist die Kutschfahrt an Feiertagen, wie bald wieder an Mutter- und Vatertag. Unbekannt ist das Gespann vielen Bonnern dennoch: „Die meisten Leute gucken erst mal ungläubig, wenn wir ihnen mit einer Kutsche entgegenkommen. Die Polizei blickt auch staunend, angehalten wurden wir aber noch nie“, sagt Mahlberg und fügt hinzu: „Wenn überhaupt beschweren sich Rennradfahrer, die an uns vorbeirauschen möchten“. Sein Konzept will er weiter ausbauen – mit einigen technischen Raffinessen. Zwei Ideen verrät er: Licht und Blinker für Ausfahrten im Dunkeln und eine Bluetooth-Soundanlage – wohl als Geschenk an die Junggesellen.

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