Stadt verschickt im Vorfeld Briefe So soll ein Bonner Projekt einsamen Senioren helfen

Bonn · Peter Görgen engagiert sich im Projekt „Miteinander-Füreinander“. Der Ehrenamtler besucht Senioren und informiert sie über Hilfs- und Freizeitangebote. Dabei erfährt er viel über ihre Sorgen. Es ist auch ein Versuch, etwas gegen die Einsamkeit der Älteren zu tun.

 Peter Görgen (l.) und Alwin Proost besuchen Senioren zu Hause, um sie über Hilfs- und Freizeitangebote zu informieren.

Peter Görgen (l.) und Alwin Proost besuchen Senioren zu Hause, um sie über Hilfs- und Freizeitangebote zu informieren.

Foto: Benjamin Westhoff

Peter Görgen hat festgestellt, dass es nichts mehr für ihn ist, über Trümmer zu klettern, um Menschen zu retten. Jahrzehnte war er als Ehrenamtlicher beim THW, half nach dem Tsunami 2004 in Sri Lanka oder bei einem Erdbeben in Pakistan. Zuletzt packte er nach der Flutkatastrophe im Ahrtal mit an. „Da habe ich gemerkt: Ich bin älter geworden“, sagt der 73-Jährige. „Deshalb habe ich nach einer anderen ehrenamtlichen Beschäftigung gesucht.“

Und so kommt es, dass er an diesem sonnigen Nachmittag in der Duisdorfer Wohnsiedlung steht, einen Jute-Beutel dabei, mit dem Logo der Malteser. Darin transportiert er einen Ordner mit Info-Material. Görgen ist einer von rund 20 Ehrenamtlichen, die sich seit Kurzem bei „Miteinander-Füreinander“ engagieren. Es ist ein Projekt der Malteser und der Stadt mit dem Ziel, etwas gegen die Einsamkeit alter Menschen zu tun, und sie darüber zu informieren, welche Angebote es für sie im Stadtbezirk gibt.

Es sind noch 30 Minuten bis Görgen hier seinen Termin hat. Es bleibt also noch etwas Zeit, um über die ersten Wochen des Projektes zu berichten, in denen er und andere Freiwilligen die ersten Besuche bei den Senioren gemacht haben. „Die meisten Leute waren sehr dankbar, dass jemand vorbeikommt“, sagt Görgen. Die Ehrenamtlichen würden sich erstmal anhören, was die Senioren brauchen. Eine der Frauen, die Görgens besucht hat, suchte Leute, um Skat zu spielen. Eine andere brauchte Hilfe wegen einer Krankheit. Um ihnen zu helfen, hat Görgen seinen Ordner dabei. Darin befinden sich Kontakte von Ansprechpartner für alle Probleme und Bedürfnisse. Die gibt er weiter, den Rest müssen die Alten selbst erledigen – das gehört zum Konzept.

Besuche der Ehrenamtlichen erst nur in Hardtberg

Zunächst bieten Stadt und Malteser die Besuche nur in Hardtberg an – später soll das Projekt auf die ganze Stadt ausgeweitet werden – möglicherweise folgt in diesem Jahr noch ein weiterer Stadtbezirk. Um das Angebot bekannt zu machen, hat die Stadt im Vorfeld 9000 Briefe mit einer Info an Hardtberger Senioren verschickt. Bei Bedarf konnten sie sich dann melden. „Bisher haben wir rund 150 Rückmeldungen“, sagt Johanna Westenburger von den Maltesern, die das Projekt betreut. „Und täglich kommen neue rein.“ Rund 40 Besuche hätten die Ehrenamtlichen schon gemacht. Die übrigen Interessenten sollen bald auch einen bekommen.

Görgen drückt auf die Klingel des Hauses, die kurz darauf mit einem Surren aufgeht. Zusammen mit Alwin Proost, der sich ebenfalls im Projekt engagiert und heute ausnahmsweise dabei ist, steigt er in den ersten Stock. Dort empfängt sie Brigitte Feiertag und bittet in die Wohnung. Drinnen läuft der Fernseher, Feiertag setzt sich auf eins der cremefarbenen Sofas im Wohzimmer, schaltet den Fernseher aus und stellt ihre Krücke ab.

Vor Kurzem war die 82-Jährige gestürzt und hatte sich das Bein gebrochen. „Es ist unmöglich, hier weiter zu wohnen – auch wegen der Treppe“, sagt Feiertag, die eigentlich anders heißt, aber lieber nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen will. Mit einem Rollstuhl komme sie gar nicht erst in die Wohnung. Zuletzt hatte sie wegen ihrer Verletzung einen Rollator. „Mit dem habe ich hier alle Ecken abgefahren“, sagt Feiertag.

Seit mehr als zwei Jahren auf Wohnungssuche

Sie ist schon seit zwei, drei Jahren auf Wohnungssuche. Bislang erfolglos. „Ich möchte eine seniorengerechte Wohnung“, sagt sie. Sie könnte sich auch vorstellen, eine WG mit einem Studenten zu gründen. „Die Frage ist nur: Wie komme ich an jemanden, dem ich vertrauen kann und mit dem ich harmoniere“, sagt sie. „Alte Leute haben ja bekanntlich ihre Macken.“ Sie wäre auch bereit, ihre Wohnung zu tauschen. „Aber für Familien ist sie nicht groß genug“, sagt Feiertag.

Er habe sich nach seinem ersten Besuch informiert, sagt Görgen. Eigentlich ist nur ein Besuch der Ehrenamtlichen vorgesehen, vielleicht noch ein zweiter oder ein dritter, aber mehr nicht. „Bei der Wohnungssuche bleiben außer privaten Angeboten nur die der großen Wohlfahrtsverbände“, sagt Görgen, der seinen Ordner auf dem Schoß hat. Die Nummern der Ansprechpartner hat er für sie notiert.

Auf dem Markt hat sich Feiertag schon umgesehen. Vieles sei einfach nicht erschwinglich. Wie die Wohnungen im Pandion Ville, dem Neubauprojekt an der Julius-Leber-Straße. „Da fängt eine Wohnung mit eineinhalb Zimmern bei 1000 Euro Miete an“, sagt sie. Mit ihrer Rente kaum zu finanzieren.

Wunsch nach einem Treffpunkt für Senioren

Dann nimmt das Gespräch eine andere Richtung. Am öffentlichen Leben teilzunehmen, sei im Alter gar nicht so leicht. Was sie sich wünscht, ist ein Treffpunkt für Senioren, wie sie es aus den Pubs in ihrer zweiten Heimat kennt. Einen Ort, an dem sie einfach vorbeigehen kann, um zu schauen, wer so da ist, oder sich einfach hinzusetzen, um zu lesen, zu stricken oder eine Runde Rommee zu spielen. Sowas müsse sich doch leicht einrichten lassen, bei all den Ladenlokalen, die leer stehen.

Sie sei jetzt in einem Alter, in dem die Freunde und Bekannten wegsterben, sagt Feiertag. „Alle meine Freunde, bis auf einen, sind tot.“ Sie habe oft das Gefühl, die Alten würden nicht als Menschen mit Bedürfnissen wahrgenommen und alleine gelassen. Sie sagt: „Die Leute vereinsamen und werden krank.“ Was sie wolle: Einfach mal Menschen sehen.

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