Sozialarbeit Nachbarschaftszentrum Brüser Berg verschärft Corona-Regeln wieder

Brüser Berg · Die Mehrheit der Besucher an der Fahrenheitstraße ist über 65 Jahre alt. Die Diakonie will kein Risiko eingehen: Wer die Maske abnimmt, muss getestet sein. Seit Pandemie-Beginn hat sich die Zahl der Teilnehmer von durchschnittlich bis zu 400 pro Woche halbiert.

Bis Ende August waren die Corona-Regeln im Nachbarschaftszentrum Brüser Berg   nich   t so streng, inzwischen hat die   Einrichtgun   g reagiert.

Bis Ende August waren die Corona-Regeln im Nachbarschaftszentrum Brüser Berg nich t so streng, inzwischen hat die Einrichtgun g reagiert.

Foto: Benjamin Westhoff

Nur an der Besucherzahl im vergangenen Jahr gemessen, kann das Nachbarschaftszentrum Brüser Berg (NBB) sein tatsächliches Potenzial nicht belegen. Corona, Lockdown und Hygieneregeln gingen an die Substanz. Nur eingeschränkt waren Begegnungen am Ort der Begegnung möglich. „Die Nutzung des Nachbarschaftszentrums ist wegen der Hygienevorschriften immer noch stark eingeschränkt“, sagt Leiterin Gieslint Grenz. In den großen Gruppenraum dürfen statt 20 nur zehn Personen. Der Mittagstisch am Mittwoch fällt seit Wiedereröffnung des NBB im April weiterhin aus. Kochen mit Maske ist für das ehrenamtliche Kochteam unzumutbar. Waren es 2019 regelmäßig bis zu 400 Besucher in der Woche, hat sich die Zahl jetzt mehr als halbiert, „bei wieder steigender Tendenz“.

Abstand halten, Maske tragen – das gilt aktuell in allen NBB-Räumen an der Fahrenheitstraße 49. Wer sie abnehmen möchte, muss frisch getestet sein. Bis Ende August waren die Regeln nicht so streng. Jetzt sind sie wieder verschärft. Ehrenamtliche – vier Mal geimpft - beschweren sich darüber. Sie sähen nicht ein, dass sie nur mit einem kostenpflichtigen Test an den Veranstaltungen teilnehmen könnten. „Es ist eine Gratwanderung“, erläutert Ulrich Hamacher, Geschäftsführer des Diakonischen Werks, dem Träger des NBB. „Wir wollen die Veranstaltungen so wenig wie möglich einschränken, andererseits müssen wir die Gesundheit aller schützen.“

Kostenlose Selbsttests für Besucher

Der Hinweis auf ein Robbie Williams-Konzert mit 25.000 Besuchern ohne Maske, zählt für ihn nicht. „Wir wollen das Risiko so weit wie möglich reduzieren.“ Vor allem, weil die Mehrheit der Besucher über 60 Jahre alt ist. Hamacher: „An der Finanzierung des Bürgertests soll aber der Besuch nicht scheitern, daher stellt die Diakonie kostenlos Selbsttests zur Verfügung.“ Die jetzt verschärften Regeln seien nicht in Stein gemeißelt. „Es ist ein dynamischer Prozess. Wir werden die Lage immer wieder neu bewerten.“

Vor einer Corona-Welle im Herbst will sich der Geschäftsführer aber nicht bange machen. „2020 war das Nachbarschaftszentrum dicht. Begegnung fand höchstens durch das geöffnete Fenster statt. Wir werden alles versuchen, das Haus im kommenden Winter offen zu halten.“ Man müsse sich angesichts der Situation zu helfen wissen, sagt Grenz. Das Gesprächsangebot der offenen Tür beispielsweise wird bei schönem Wetter derzeit nach draußen verlegt, damit auch wirklich alle mit ihren Anliegen zu Wort kommen können.

Überalterung des Stadtteils

Die Lockdown-Wochen nennt Gieslint Grenz „Zeit der Einsamkeit“. Der Anteil älterer Menschen auf dem Brüser Berg ist hoch. Viele sind mittlerweile verwitwet, die Kinder lange aus dem Haus. Ihr Alltag, ihre Kontakte sind teils eng mit dem Angebot des Nachbarschaftszentrums verbunden. Es blieb nur das Telefon. Grenz, ihre beiden Kolleginnen und Ehrenamtliche versuchten zu helfen, so gut es ging. Aus den Erfahrungen während dieser Zeit resultiert, mehr Angebote am Wochenende zu machen, „denn dann ist es für einsame Menschen am schlimmsten“. Aber Überalterung des Stadtteils sei das eine Thema, ein anderes die Veränderung der Bevölkerungsstruktur. Mit Sprachkursen, Hausaufgabenhilfe und Begegnungsangeboten wurde für die neuen Nachbarn mit Migrationshintergrund ein gezieltes Programm zusammengestellt.

Für jüngere Zielgruppen und Familien sind die Öffnungszeiten des Nachbarschaftszentrums von 9 bis 17 Uhr nicht passend, das ist Grenz bewusst. Sie verweist auf das benachbarte Jugendzentrum. Familien und mittelaltes Publikum sollen mit dem Angebot „Blühender Brüser Berg“ mit monatlichen Aktivitäten angesprochen werden. Eine Säuberungsaktion im Stadtteil, verbunden mit einem Eis als Belohnung, habe unlängst überraschend viele Familien angelockt. Derzeit ist das NBB-Team dabei, ein Konzept mit Angeboten für jüngeres Publikum zu entwickeln. Grenz: „Da muss man andere Wege gehen.“

Kein Geld für Stellen

2009 hat das Diakonische Werk als Träger den Standort der ehemalige Altentagesstätte, die dann zum Nachbarschaftszentrum wurde, übernommen. Die Stadt fördert Personal- und Sachkosten. In diesem Jahr werden 208.500 Euro ausgezahlt. Der Wunsch nach einer Stellenerweiterung blieb aber vorläufig verwehrt. Der Bedarf an zusätzlicher Sozialarbeit müsse erst noch bei laufendem Betrieb ermittelt werden, argumentiert die Verwaltung.

Derzeit verteilt sich die Organisation des Nachbarschaftszentrums auf drei Schultern mit zwei mal 30 Wochenstunden und einmal 19,5. Zu den Aufgaben gehört eigentlich alles – auch Küche putzen. „Das kann eigentlich nicht sein, denn diese Zeit sollten wir als Sozialarbeiterinnen besser nutzen“, kritisiert Grenz. Die Diakonie ist jetzt eingesprungen und finanziert eine Hilfe in der Küche.

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