Einrichtung der Diakonie So geht das Nachbarschaftszentrum am Brüser Berg mit Corona um

Brüser Berg · Das Nachbarschaftszentrum ist geschlossen, aber jederzeit für Rat und Tat telefonisch erreichbar. Durch Corona wird das Angebot derzeit jedoch stark ausgebremst.

 Gieslint Grenz ist Leiterin des Diakonie Nachbarschaftszentrums Brüser Berg. Seit einiger Zeit muss sie ihre Aktivitäten stark einschränken.

Gieslint Grenz ist Leiterin des Diakonie Nachbarschaftszentrums Brüser Berg. Seit einiger Zeit muss sie ihre Aktivitäten stark einschränken.

Foto: Stefan Hermes

„Ich hatte den Eindruck“, sagt Gieslint Grenz, „dass wir hier in einem sehr geschützten Rahmen Veranstaltungen anbieten konnten.“ Die Leiterin des Diakonie Nachbarschaftszentrums Brüser Berg (NBB) ist enttäuscht darüber, dass selbst mit der Einschränkung auf maximal fünf Personen inklusive Kursleitung, die sich zeitweise in einem der drei Gruppenräume des NBB befinden durften, seit Anfang November keine Veranstaltungen mehr umsetzbar sind.

Von den Hunderten von Menschen, die sich vor Corona-Zeiten täglich im NBB begegneten und an Kursen und Veranstaltungen teilnahmen, sind im Moment nur noch vier Schülerinnen und Schüler übrig geblieben, die zwei Mal in der Woche zur Nachhilfe kommen dürfen. Alle anderen Veranstaltungen fallen aus. Das sei besonders hart für alle allein stehenden Menschen. Vor Allem auch für diejenigen, die auf die dort angebotenen Deutsch-Sprachkurse angewiesen sind. Das Kulturcafè fällt damit genauso aus wie die ebenfalls gut besuchten abendlichen Spieleabende, die dafür sorgten, dass meist erst gegen 22 Uhr das Licht im NBB ausging.

Persönliche Begegnungen sind bis Januar ausgeschlossen

Noch sind Aufkleber auf dem Boden zu sehen, die Abstände regelten und Automaten, die an den Eingängen des NBB zur Händedesinfektion aufforderten. Plexiglasscheiben auf den Tischen des Versammlungsraumes boten einen zusätzlichen Schutz. Doch die Türen bleiben zu. Nichts geht mehr auf persönlichem Wege. Der Kontakt zum NBB ist nur noch per Telefon möglich. Eine Begegnung, die zum Wesen eines nachbarschaftlichen Miteinanders gehört, ist zunächst bis in den Januar hinein ausgeschlossen.

„Als wir telefonisch alle Termine absagen mussten“, so Grenz, habe sie oft neben der Enttäuschung auch erfahren, dass man sich nun eben im privaten Umfeld treffen werde. „Ich glaube, dass wir durch diesen Umstand bald einen viel strengeren Lockdown zu erwarten haben, da man nun privat ohne die strikten Hygienemaßnahmen und Schutzeinrichtungen des öffentlichen Raumes zusammenkommt.“ Die Unvernunft sei außerhalb der kontrollierten Bereiche doch viel größer, ist Grenz überzeugt. „Lassen Sie die Leute wissen, dass wir auch im Lockdown für sie da sind“, so Grenz gegenüber dem General-Anzeiger. Man solle im NBB anrufen, wenn man Hilfe brauche, Sorgen oder einfach nur das Bedürfnis habe, mit jemandem sprechen zu wollen.

Viele Anrufer suchen einfach nur das Gespräch

Zusammen mit den beiden hauptamtlichen NBB-Mitarbeiterinnen Monika Scherer und Petra Grünwald-Schiffer, die Seniorenarbeit und Ehrenamtler koordinieren, wechselt sich Grenz in der telefonischen Bereitschaft ab. Schon jetzt erreichten sie neben konkreten Anfragen und Wünschen viele Anrufe von Menschen, die einfach nur ein Gespräch suchten, weil sie einsam sind. „Das einzige Großereignis was man jetzt hier oben noch hat“, sagt die NBB-Leiterin, sei das Einkaufen. Vor Allem für die älteren Menschen auf dem Brüser Berg, die oftmals alleine lebten, sei das ein eine dramatische Entwicklung. „Da habe ich auch Angst um die Menschen, die dadurch psychische Schäden davontragen können“, so Grenz. Es werde Menschen geben, nehme sie an, die der derzeitige Lockdown sehr stark betreffen werde. „Wenn da kein soziales Umfeld ist, was sie auffangen kann, haben wir als Gesellschaft in Zukunft noch einiges zu erwarten“, vermutet sie.

Sie denke dabei auch an die große Zahl von Ehrenamtlern, die oftmals schon im Rentenalter sind und sich durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit eine Tagesstruktur gegeben haben, die nun wegfalle.

Hilfeanrufe von Menschen in Quarantäne

Über die Bonner Altenhilfe erhält das NBB Hilferufe von Menschen, die unter Quarantäne gestellt sind und nun Unterstützung von Ehrenamtlern benötigen, die für sie beispielsweise Lebensmittel einkaufen oder Rezepte besorgen. „Man glaubt ja nicht“, so Grenz, wie zeitraubend es für uns sein kann, einen Arzt erst einmal zu erreichen und dann dazu zu bewegen, ein Rezept ohne die Krankenkassenkarte eines mit Covid-19 infizierten Patienten auszustellen, damit ein Helfer die benötigten Medikamente für ihn heranschaffen kann. Doch insgesamt seien Hilfsbereitschaft und Engagement auf dem Berg sehr gut, sagt Grenz.

Vor elf Jahren, als in dem Gebäude an der Fahrenheitstraße noch eine Altenbegegnungsstätte der Stadt Bonn untergebracht war, habe die Nachbarschaft gefordert, dass man hier nicht nur Kaffeetrinken, sondern selber etwas veranstalten wolle. Grenz lacht: „Wir sind hier ein sehr aktiver Stadtteil.“ So gebe es ohne coronabedingte Einschränkungen auf dem Brüser Berg sehr viel Kultur durch die Stadtteilinitiative sowie einen Ortsausschuss, der vielfältige Aktivitäten koordiniere. „Das ist ein bunter Strauß hier oben“, fasst Grenz anerkennend zusammen. Zudem komme noch das gute Miteinander der Evangelischen und Katholischen Kirche hinzu. „Das liegt an der gelungenen Architektur der beiden zueinander gebauten Kirchen“, sagt sie. Die Gläubigen kämen aus der Kirche und könnten gar nicht anders, als sich zu begegnen und Ökumene zu leben. So komme es auch zu gemeinsamen Osterfeiern oder Weihnachtsmessen. „Gelebte Nachbarschaft“, nennt es Grenz.

Manchmal müsse man sich schon über das ausufernde Engagement mancher Nachbarn Sorgen machen, die sich an vielen Stellen aufopfernd einsetzten. Doch wer hier vor Ort so lange oder intensiv aktiv war oder ist, habe sich damit auch ein soziales Netzwerk geschaffen. Schon im ersten Lockdown kamen schnell mehr ehrenamtliche Helfer zusammen, als man Hilfesuchende gehabt habe. Da hat man Zettel in den Lebensmittelgeschäften verteilt, die zur Aufhängung in den Hausfluren mitgenommen wurden. In Listen konnten sich die Bewohner dort als Helfende oder Hilfesuchende eintragen. „Davon profitieren auch heute noch sehr viele“, so Grenz. Dabei kritisiert und bedauert sie, dass sich die örtlichen Supermärkte bis heute nicht in der Lage sehen, einen eigenen Lieferdienst aufzubauen. Sie ist der Überzeugung, dass deren durch die Krise gesteigerten Umsätze einen solchen Service möglich machen müssten, den viele in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen in Anspruch nehmen würden, wenn es ihn denn geben würde.

Nachbarschaftszentrum Brüser Berg, Fahrenheitstraße 49, 0228/298096, erreichbar von Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr und Freitag von 9 bis 15.30 Uhr.

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