Sichtungen am Dransdorfer Bach Nutrias breiten sich in Bonn aus

Bonn · Die Nutrias, auch Sumpfbiber genannt, breiten sich in Deutschland immer weiter aus. Auch in Bonn und der Region. Das könnte zum Problem werden.

 Nutrias haben sich unter anderem am Dransdorfer Bach angesiedelt.

Nutrias haben sich unter anderem am Dransdorfer Bach angesiedelt.

Foto: Niklas Schröder

Die Nutria gehört zu den Publikumslieblingen in der Rheinaue. Kürzlich wurden die Nager am Dransdorfer Bach gesichtet. Die Untere Naturschutzbehörde beobachtet in Bonn eine wachsende Population. Die Biostation warnt vor einer invasiven Art und rät zur Bekämpfung der Tiere.

„Fünf Stück waren es, die ich hier täglich im Bach gesehen habe“, berichtet eine Anwohnerin der Hans-Sachs-Straße. Bis Mitte April hätten sich die Nutrias dort aufgehalten. Dann seien sie über Nacht wieder verschwunden und waren nicht mehr gesehen.

Die Stadtverwaltung bestätigt derweil, dass die Tiere in dem Bachverlauf leben. Genaue Zahlen lägen hierzu nicht vor, sagt Isabel Klotz vom städtischen Presseamt. Eine Wildtierzählung soll zum Ende des Jahres im Stadtgebiet erfolgen. Dass die Tiere im Dransdorfer Bach gesichtet werden, überrascht Christian Chmela nicht. „Nutrias sind ausgesprochen anpassungsfähig und breiten sich seit Jahrzehnten im Rheinland aus“, sagt der Leiter der Biologische Station Bonn/Rhein-Erft. Es sei absehbar, dass die Tierart bald in allen hiesigen Gewässern landen werde, so der Diplom-Biologe. „Die Tiere wandern vom Rhein aus die Bäche hoch.“

Nutrias sind besonders häufig an den Seen im Rheinauenpark zu finden

Einer der ältesten Ansiedlungsorte soll die Siegmündung sein. „Da gibt es die Tiere schon seit den achtziger Jahren“, erinnert sich Chmela. „Damals seien dort rund 40 Nutrias gezählt worden. Mittlerweile tauchten die Nager auch an vielen anderen Stellen in Bonn auf, berichtet die Untere Naturschutzbehörde. „Zum Beispiel in Graurheindorf und im Stadtzentrum“, sagt Mira Landgraf. Bislang sei der Verbreitungsschwerpunkt an den Seen im Rheinauenpark gewesen. „Aufgrund der wachsenden Bekanntheit der Tiere und der damit verbundenen gesteigerten Fütterung sowie den sehr milden letzten Wintern hat sich die Population dort nicht nur gehalten, sondern ist angewachsen“, berichtet Landgraf. Demnach sei anzunehmen, dass sich die Art auf weitere Gewässer in Bonn ausbreiten werde.

Ein Szenario, dass im Rhein-Erft-Kreis schon beinahe Realität sei, sagt Chmela. Dort sollen Nutrias nahezu in jedem Bachverlauf leben. „Wir haben zum Beispiel Nutrias in ausgetrockneten Gräben in Zülpich gefunden“, berichtet der Leiter. „Das zeigt mir, dass die Tiere eine gewisse Wehrhaftigkeit haben und sich konsequent jeden für sie geeigneten Lebensraum erobern.“ Am liebsten mögen es die Nutrias am Wasser. „Sie brauchen eine grabfähige Böschung, wo sie ihre Höhlen bauen können“, erklärt Chmela. Geeignet seien vor allem Bäche und Seen mit großer Pflanzenvegetation.

Nutrias gefährden Flora und Fauna

„Die Nutria ernährt sich in erster Linie von Wasser- sowie Sumpfpflanzen. Zudem fressen sie Großmuscheln, die teilweise auch unter Schutz stehen“, erklärt Landgraf. Die Untere Naturschutzbehörde und die Biostation sehen hier eine besondere Gefährdung für die heimische Flora und Fauna. „Wir beobachten an verschiedenen Gewässern, dass die Röhrichtzonen verschwinden“, mahnt Chmela. Demnach würden artenreiche Wasservegetationen mit See- und Teichrosen durch die Nutria vollständig vernichtet werden. „Damit werden zum Teil geschützte Lebensraumtypen und die davon abhängigen Tierarten wie Wasservögel gefährdet“, sagt Landgraf.

In den Niederlanden sollen Nutrias deswegen massiv bekämpft worden sein. „Jetzt haben die Holländer das Problem, dass immer mehr Nutrias aus Deutschland nachrücken“, erzählt Chmela. Das Tier gelte mittlerweile nicht nur dort als eine „bekämpfungsnotwendige“ invasive Art. „So niedlich das Tier auch ist, sie richten deutliche Schäden an der heimischen Natur an. Wir müssen daher konsequent dagegen vorgehen“, betont Chmela. Als Grund nennt der Biologe zwei Beispiele: „An den Krickenbecker Seen nahe der holländischen Grenze haben sich unsere Kollegen gewundert, warum bestimmte Vogel- und Pflanzenarten dort zurückgehen.“ Mithilfe von Kameras konnte die vor Ort tätige Biostation die Nutrias als alleinige Ursache ausmachen. Am Niederrhein, im Kreis Kleve, sollen die Tiere ebenfalls massiv in die Naturschutzgebiete eingegriffen haben. „Dort gibt es nun ein von der EU gefördertes Projekt, was die Wiederansiedlung von Röhricht zum Ziel hat“, sagt Chmela.

Seit 2019 gilt in Bonn ein Fütterungsverbots für Nutrias. Eine Bestandskontrolle durch Bejagung erfolge laut der Unteren Naturschutzbehörde aber nicht. „Da die Nutrias sich großer Beliebtheit in der Bevölkerung erfreuen, wäre bei einer Umsetzung der Maßnahme mit starkem Widerspruch zu rechnen“, sagt Landgraf. Das Ziel könne also nicht die Entfernung sämtlicher Nutriabestände aus Bonn sein, sondern eine Begrenzung der vorhandenen Population auf ein akzeptables Niveau, heißt es. „Mit stärkerer Durchsetzung des Fütterungsverbots und mehr Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung“, sagt Landgraf. „Man muss halt abwägen: Wo gefährden Nutrias die Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten und wo nicht“, meint Chmela. Zudem sei hier auch der Hochwasserschutz ein Thema, denn die Tiere könnten beim Graben ihrer Höhlen die Deiche und Ufer instabil machen.

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