Leiter der Polizeiwache in Duisdorf Wer will denn heute noch Polizist werden, Herr Neuhaus?

Duisdorf · Seit 40 Jahren ist Alexander Neuhaus bei der Polizei. Nun ist er Chef der Wache Duisdorf/Bornheim. Er sagt: „Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, der so abwechslungsreich ist.“

 Wachleiter in Duisdorf ist Alexander Neuhaus seit Februar. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Neuorganisation des Wachdienstes.

Wachleiter in Duisdorf ist Alexander Neuhaus seit Februar. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Neuorganisation des Wachdienstes.

Foto: Benjamin Westhoff

Mit den Motorrädern reisend wollten Alexander Neuhaus und Ehefrau – wie jedes Jahr – den Urlaub verbringen. Das Zelt im Gepäck. Corona hat die Pläne durchkreuzt. Allerdings: Auch sein Start als neuer Leiter der Polizeiwache Duisdorf/Bornheim im Februar war von der Krise überschattet. Der Wachdienst der Bonner Polizei musste schleunigst anders organisiert werden, um die Einsatzfähigkeit – Homeoffice ist keine Option – sicherzustellen. Neuhaus leitete die Projektgruppe. Daher ist das erste halbe Jahr für ihn im Handumdrehen vergangen. Erst jetzt kehrt etwas mehr Ruhe rein, wobei schon beim ersten Eindruck klar wird: Den Mann kann so schnell gar nichts aus der Ruhe bringen.

Das gesamte Einsatzgebiet seines 65-köpfigen Teams vom Brüser Berg bis Bornheim-Widdig hat er im Schnelldurchgang erkundet. „Noch nicht jede Straße“, aber er ist im Bilde. „Wir haben aktuell keine Auffälligkeiten in meinem Zuständigkeitsbereich.“ Der blutige Familienzwist auf dem Brüser Berg Anfang Juli war „hoffentlich ein einmaliger Großeinsatz. Die Sache haben wir durch unsere begleitenden polizeilichen Maßnahmen im Griff.“ Soll heißen: Die Polizei hat ein Auge auf die Örtlichkeiten.

Soeben hat er an der Villemombler Straße die neuen Auszubildenden begrüßt und stellt erstaunt fest, dass er „in den fast 40 Jahren als Polizeibeamter noch nie eine so bunte Auswahl an Berufsanfängern gesehen“ hat.

Wer will denn heute noch Polizist werden? Neuhaus winkt ab – falsche Frage. „Wenn Sie die einem Bewerber stellen, wird er die ganze Litanei der Klischees herunterbeten, die man hören will: Ich möchte mit Menschen arbeiten. Ich möchte einen Beitrag in der Gesellschaft leisten und so weiter.“ Aufschlussreicher sei die Frage: Warum bist du Polizist geblieben? „Ich glaube nämlich, dass wir künftig mit mehr Wechslern zu rechnen haben, weil die Lebensgeschichten unterschiedlicher geworden sind.“ Viele Bewerber hätten sich bereits andere Optionen durch eine Ausbildung oder ein Studium geschaffen. Vor der Einstellung wird die Eignung getestet. „Auswahlkriterium und Maßstab ist, ob sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung vertreten möchten.“

Neuhaus will nicht verhehlen, „dass es schwieriger für die Polizei geworden ist – für den Einzelnen“. Ob es die beruflichen Anforderungen sind oder zu sehen, was Menschen einander antun oder die Heftigkeit der Aggressionen – das seien Gründe, den Polizeiberuf aufzugeben. „Autoritäten spielen nicht mehr die Rolle wie früher. Die Menschen gehen anders auf uns zu.“

Also, warum ist Alexander Neuhaus Polizist geblieben? „Es ist der einzige Beruf, den ich je ergriffen habe. Ich kann mir keinen anderen vorstellen, der so abwechslungsreich ist, und bin in den 40 Jahren immer mit Freude zur Arbeit gegangen.“ Er sei nicht angetreten, die Welt zu retten und er glaube auch nicht, dass ein Einzelner das kann.

In der Mannschaft seiner neuen Dienstelle sind – selbstverständlich – auch Frauen. Die erneute aktuelle Quotendiskussion hält er indes für ein undankbares Thema. Nach seiner Auffassung müssen gute Mitarbeiter gefördert werden. „Da spielt es keine Rolle, ob Mann oder Frau.“ Gerade die Unterschiede – Empathie oder Körperkraft beispielsweise – müsse man wertschätzen. „Die Kunst besteht darin, sich im Team zu ergänzen.“

Wird Neuhaus derzeit auf das Thema Rassismus angesprochen? Die Polizei sei ein Spiegel der Gesellschaft. Also könne man zum Beispiel auch rassistische Tendenzen nicht ausschließen. Ein schwieriges Terrain – Neuhaus ist vorsichtig: „Ich hoffe, dass die Polizei eine Positivauswahl der Gesellschaft ist. Und für mein Team bin ich sicher, dass die Kollegen auch durch die Berichterstattung in Medien so sensibilisiert sind, dass sie solche Tendenzen nicht decken.“

Machen Polizisten Fehler? „Wie jeder Mensch.“ Zum Verkehrsunfall gerufen, werde von den Beamten erwartet, dass sie umgehend schlichten und erkennen, wer schuld ist. „Ich glaube nicht, dass wir die Erwartungshaltung der Bürger immer erfüllen können.“ Aber immer müsse sich der Polizist darüber im Klaren sein, dass er in die Rechte des Bürgers eingreift. „Es ist ein Teil der Aufgabe, um Gefahren abzuwehren oder Straftaten zu verfolgen. Das Schlimmste, was wir uns vorstellen können, ist, dass wir von der Schusswaffe Gebrauch machen und es nicht gerechtfertigt war. Der Kollege muss sich strafrechtlich verantworten und ist dann wahrscheinlich auch nicht mehr länger Kollege.“

Verhältnisse wie in den USA derzeit sind für Neuhaus hierzulande jedenfalls ausgeschlossen. „Oberstes Gebot ist die Kommunikation, die Sprache unser wesentliches Einsatzmittel.“

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