Projektzirkus für Kinder Manege frei statt Hefte raus

Lessenich · Statt Mathematik und Deutsch stehen in diesen Tagen Jonglieren, Zaubern und Feuerspucken auf dem Stundenplan der Lessenicher Grundschüler. In Kooperation mit dem Zirkus „Jonny Casselly“ arbeiten sie an einem bunten Bühnenprogramm.

 Auf dem Pausenhof an der Meßdorfer Straße ist diese Woche das Zelt des Zirkus Jonny Casselly aufgebaut. Die Kinder zeigen die erlernten Tricks bei Aufführungen.

Auf dem Pausenhof an der Meßdorfer Straße ist diese Woche das Zelt des Zirkus Jonny Casselly aufgebaut. Die Kinder zeigen die erlernten Tricks bei Aufführungen.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Wangen sind kräftig gepudert, schnell noch ein paar Sommersprossen auf die Nase gemalt, das Hütchen auf und los geht’s. „Majonäse frei“, ruft die siebenjährige Lucya und stürmt mit ihren Clownskollegen los. Majonäse? „Ja“, lacht die Schülerin der zweiten Klasse der Laurentiusschule in Lessenich. „Darüber ärgert sich Jonny immer. Aber Manege kann ja jeder rufen“, sind sich alle einig.

„Manege statt Klassenzimmer“ lautete eine Woche lang das Unterrichtsmotto an der Meßdorfer Straße. Nach langer Coronapause hatte der Zirkus Jonny Casselly sein Zelt wieder auf dem Pausenhof aufgebaut. Seit Montag standen nicht Mathe, Deutsch und Musik auf dem Stundenplan, sondern jonglieren, zaubern, Blödsinn machen. Am Ende waren alle 232 Kinder der Schule beim Zirkusprogramm dabei.

Seit mehr als 30 Jahren tourt Familie Casselly mit ihrem „Projektcircus für Kinder“ durch das Land. Diese Abwechslung vom Schulalltag hat allerdings einen wichtigen pädagogischen Ansatz. „In der Manege machen die Kinder Erfahrungen, die für die Entwicklung einer starken Persönlichkeit wichtig sind“, erklärt Schulleiterin Petra Ey. „Sie lernen die Bedeutung von Teamarbeit und Verantwortung kennen. Sie brauchen Mut und Entschlossenheit, Geschicklichkeit und Ausdauer. Das Selbstvertrauen der Kinder wird durch dieses Projekt enorm gestärkt. Sie entdeckten bisher verborgene Fähigkeiten an sich und erkennen, dass sie mit Mut und Konzentration viel erreichen können. Das macht sie stark fürs Leben“, ist sie sicher.

Und die kleinen Nachwuchsakrobaten lernen, dass man als Künstler niemals zu viel verraten darf. Erklärt doch einmal, wie euer Trick funktioniert. „Nö“, antworten Felicia, Liah und Erlind und lassen sich nichts entlocken. Sie alle gehören zur Gruppe der Zauberer, was man schon an ihrem blauen Umhang mit den Sternen deutlich erkennen kann. Sie werden später in der Manege Popcorn hervorzaubern. „Wir dürfen gar nichts sagen. Das ist streng verboten“, verrät Felicia. Bevor es schließlich hinausgeht, lässt sie sich dennoch eine Kleinigkeit entlocken „Das Popcorn will man sowieso nicht essen. Das ist schon alt.“

Casting für die richtige Rolle

Wer welches Talent hat, das erkennt Jonny Casselly schnell. Zum Auftakt der Projektwoche fand ein „Casting“ statt, bei dem er die einzelnen Gruppen zusammenstellte. Dabei kennt der Zirkusdirektor die Lessenicher Grundschule nicht nur von seinen Gastspielen auf dem Pausenhof. Tochter Katy drückte dort als „Zirkuskind“ vor Jahren einst selbst die Schulbank.

„Der Circus bietet natürlich keinen klassischen Lehrplan, aber er macht Angebote, die den Kindern und Jugendlichen helfen, Erfahrungen zu machen, die im Klassenzimmer in dieser Form nicht möglich sind, die aber zur Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit notwendig sind“, ist Jonny Casselly überzeugt.

Jede Menge Selbstbewusstsein haben in den vergangenen Tagen bereits die Fakire entwickelt. Vollkommen „cool“ lehnt Tobias, acht Jahre alt, am Türrahmen und beobachtet das aufgeregte Treiben seiner Schulkameraden kurz vor ihrem Auftritt. Von Nervosität ist bei ihm nichts zu spüren. Dabei hätte er allen Grund dafür. „Ich bin ein Feuerspucker“, sagt der Drittklässler völlig entspannt. „Ich werde später ein Pulver im Mund haben und eine mindestens ein Meter lange Flamme herausspucken“, erklärt er. Ist bei den Proben schon einmal etwas schiefgegangen. „Nee, alles läuft wie am Schnürchen“, antwortet er kurz und knapp.

Auftritt vor den Eltern

Währenddessen nehmen die ersten Eltern und Geschwister ihre Plätze im großen Zelt für die Premierenaufführung ein. Das Interesse ist so groß, dass es am Nachmittag noch eine zweite Aufführung gibt, ebenso am Samstag. „Diese Aktion ist ein wichtiger Baustein unseres Mottos „Schule lebt“. Lernen findet nicht nur im Klassenzimmer statt“, ist Schulleiterin Petra Ey zufrieden. „Gerade nach der langen Coronapause ist dieses Projekt ein Stück Freiheit, das wir wieder alle gemeinsam erleben können.“

Für den frechen Clown Lucya hat allerdings eine Kleinigkeit in der „Majonäse“ gefehlt. „Pommes wären schön gewesen“, sagt die Siebenjährige und lacht. Sie ist stolz auf ihren Erfolg und den großen Applaus.

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