Gymnasien in Bonn Rektoren fordern mehr Fachpersonal für inklusiven Unterricht

BONN · Im Sommer beginnen das Helmholtz-, das Friedrich-Ebert- und das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium mit gemeinsamem Unterricht. Die Rektoren fordern mehr Fachpersonal.

 Gemeinsam lernen: Helmholtz-, Friedrich-Ebert- und Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium sollen ab dem nächsten Schuljahr inklusiven Unterricht anbieten.

Gemeinsam lernen: Helmholtz-, Friedrich-Ebert- und Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium sollen ab dem nächsten Schuljahr inklusiven Unterricht anbieten.

Foto: dpa

Über kaum etwas reden Leiter von Bonner Gymnasien derzeit so ungern öffentlich wie über das Thema Inklusion. Das sei einfach "ein zu heißes Eisen", erfährt der GA bei Anfragen. Wie berichtet, hatte die Bezirksregierung kürzlich speziell auf Druck der Gesamtschul-Elternvertreter auch drei Bonner Gymnasien verpflichtet, ab Sommer 2016 gemeinsamen Unterricht anzubieten: das Helmholtz-, das Friedrich-Ebert- und das Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium.

Aber was genau ist "das heiße Eisen"? Eike Schultz, Rektor des Tannenbusch-Gymnasiums, erläutert, die NRW-Ausbildungs- und Prüfungsordnung verpflichte Gymnasien weiterhin, Schüler zielgleich aufs Abitur vorzubereiten. Währenddessen verlange die NRW-Politik von ihnen eine zieldifferente Förderung. Abituranwärter sollen also neben Schülern sitzen, die diesen Abschluss aller Voraussicht nach nie angehen werden.

"Wie sollen wir Gymnasien diesen Spagat hinkriegen?", fragt Schultz, der an seiner Schule seiner Auskunft nach längst Inklusion betreibt: für eine Schülerschaft, die fast zur Hälfte einen Migrationshintergrund hat. "Und auch wir wollen alle Schüler zum Abitur führen."

Es entsteht grundsätzliche Bereitschaft

Inge Stauder, Sprecherin der Bonner Gymnasial-Direktorenkonferenz, betont, "dass an allen Bonner Gymnasien eine grundsätzliche Bereitschaft zur Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf besteht." Viele hätten in diesem Punkt auch schon seit Jahren Beachtliches geleistet - aber eben in Einzelfällen, die auch meist bis zum Abitur begleitet werden konnten. "Ich erinnere mich an unserem Hardtberg-Gymnasium besonders an eine begabte Schülerin mit Muskelschwäche, der die Mitschüler bis zum Abitur aufopferungsvoll halfen, mit dem Rollstuhl die Treppen zu überwinden", berichtet Stauder.

Soziale Kompetenz werde also schon jetzt in den Gymnasien erworben. Aber um den nun prinzipiell angepeilten gemeinsamen Unterricht umsetzen zu können, brauche es vor allem gute Rahmenbedingungen, so Stauder. Und genau da liegt, wie der Blick in die vom Schulamt initiierte Umfrage bei den Gymnasien zeigt, der Hase im Pfeffer.

Frank Langner, Rektor des Friedrich-Ebert-Gymnasiums, das ab dem kommenden Schuljahr auch gemeinsamen Unterricht anbieten soll, spricht Klartext. Seine Schule verfüge schon jetzt über gute Erfahrungen im Unterrichten einzelner Rollstuhlfahrer, Hörgeschädigter oder Kinder mit Asperger-Syndrom. Dabei arbeite man erfolgreich mit Schulbegleitern zusammen. Man habe "eine positive Haltung gegenüber der Inklusion". Aber der aktuelle Stand der Vorbereitung, nun ab 2016 eins der drei Bonner Inklusionsgymnasien zu werden, sei "leider noch eher ernüchternd".

Was tun bei personeller Unterversorgung, also noch fehlenden Förderpädagogen, und was bei der unzureichenden baulichen Situation und Sachausstattung, fragt Langner. Wo seien die didaktischen Konzepte für eine echte Inklusion im Fachunterricht etwa für den deutsch-französisch bilingualen Zweig seiner Schule? Wie könne er letztlich im Unterrichtsalltag bei Schülern, Eltern und Lehrern bestehenden Ängsten vor Überforderung begegnen? Langner wirkt ratlos.

Viele offene Fragen

Was auch die anderen 16 Gymnasien eint, die bei der Umfrage des Schulamts überhaupt antworteten. Wo zaubere man die für Inklusion nötigen Differenzierungsräume her? Wie solle das vielfach eingeführte Fachraumprinzip mit Förderschülern funktionieren, die wohl kaum ständig durchs Gebäude wandern könnten? Verschiedene Schulträger treffen Vorbereitungen: Man sei dabei, in Kooperation mit der Caritas "das Angebot inklusiver Beschulung schrittweise auszubauen", verspricht etwa das Erzbistum Köln für seine Schulen, das Clara-Fey-, Kardinal-Frings-, St. Adelheid-Gymnasium und die Liebfrauenschule - mit sonderpädagogischem Personal und barrierefreien Zugängen.

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat am Amos-Comenius-Gymnasium zwei Lehrer zu Inklusions- und psychologischen Beratern ausgebildet, so Schulleiter Christoph Weigeldt. Man unterrichte momentan Schüler mit den Einschränkungen Hören, körperliche Motorik und Autismus. Außerschulische Netzwerke gäben Unterstützung. Für die Lehrer komme trotzdem eine enorme zeitliche Belastung dazu. Und, fügt er bedauernd hinzu: "Die kommunale Unterstützung ist sehr gering". Warum? Da verweist er auf einen Fall, bei dem man für ein Kind mit ausgewiesenem Förderbedarf bislang erfolglos kämpfe: und zwar um die Zuweisung von unbedingt nötiger sonderpädagogischer Hilfe.

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