Grundschule in Bonn-Duisdorf Rochusschule bereitet sich auf Regelbetrieb vor
Duisdorf · Kurz vor dem Beginn des Regelschulbetriebs erzählt die Konrektorin Stephanie Tödt, wie es ihr und den Schülern in den letzten Monaten ergangen ist. Am Beispiel Rochusschule zeigt sich für sie, dass Lehrer und Eltern in der Corona-Zeit gut zusammenarbeiten.
Grundschullehrin Stephanie Tödt schreibt gerade die Zeugnisse für ihre Erstklässler an der Rochusschule. Jeweils zwei Seiten Einschätzung der individuellen Lernentwicklung. „Da macht man sich schon seine Gedanken, wie die Kinder nach fast drei Monaten Homeschooling nun zurechtkommen, welche Lücken sich möglicherweise auftun“, sagt die 37-jährige Konrektorin.
Wie kann man versäumten Lehrstoff im kommenden Schuljahr nachholen, ohne zu viel Druck zu machen? Denn in den verbleibenden zwei Wochen vor den Sommerferien – in den Grundschulen soll ab 15. Juni wieder Präsenzunterricht stattfinden – werden die Erstklässer langsam zusammenfinden müssen.
Eigentlich lernen die Erstklässler jede Woche einen Buchstaben
Nach Plan ist jede Woche ein neuer Buchstabe dran. „Da fehlen noch einige.“ Am Ende des Schuljahres hätte ein Meilenstein erreicht werden sollen: das Rechnen über Zehn, also etwa 5+7. „Es war utopisch, mit dem Stoff im Hausunterricht durchzukommen.“ Defizite könnten nur durch individuelle Förderung aufgearbeitet werden. Diese Problematik habe die Corona-Krise verschärft in den Fokus gerückt. Wie steht es ohnehin um Bildung und Schulen? „Da wurde manches vernachlässigt. Zu große Klassen, marode Gebäude. Zu wenig Geld. Vielleicht bewirkt Corona auch im großen Ganzen Veränderungen.“
Ein weiteres Defizit der vergangenen drei Monate formuliert sie kurz und knapp: „Ich vermisse die Kinder. Wir Lehrer arbeiten am Kind.“ Umgekehrt haben auch die „Kleinen“ die Schule und ihre Frau Tödt vermisst. Die Erstklässler werden ja erst an Schulstrukturen und Arbeitshaltung gewöhnt. Der größte Teil des Unterrichts sei Pädagogik – erzählen, Erlebnisse teilen, Gefühle austauschen, Beziehungen aufbauen, aber auch Frust ablassen. „Wichtig ist zudem, dass sich eine Beziehung zum Lehrer aufbaut.“
Vom Ministerium fühlte sich die Konrektorin erst alleine gelassen
Die Kinder hatten bislang nur ein halbes Jahr normalen Unterricht. „Es war ein Spagat, den wir beim Homeschooling machen mussten. Die Erstklässler waren noch nicht richtig eingewöhnt. Ein Wochenplan mit Aufgaben hätte sie überfordert, dazu sind sie einfach noch nicht selbstständig genug“, so Tödt. Vorgabe aus dem Ministerium sei gewesen, den Kindern „zumutbare Aufgaben“ für zu Hause zu stellen. „Das ist ein vager Begriff. Da fühlten wir uns zuerst alleingelassen mit einem völlig neuen Problem.“ Andererseits habe nur der jeweilige Lehrer eine Einschätzung, was die Kinder schaffen könnten. Und es wurde stetig nachjustiert.
Als dann der Unterricht mit Auflagen teilweise wieder möglich war, gab es neue Fragen zu lösen. Wie soll das in der Pause gehen, wenn sich die Schulklassen nicht mischen dürfen? Was dürfen sie spielen, wenn sie gleichzeitig Abstand halten müssen? Der Schulhof ist mit Flatterband in Areale geteilt. Die Kinder spielen mit Mundschutz. Die Lehrer ermahnen sie, sich nicht in eine andere Gruppe zu begeben. Auf den Korridoren sind Pfeile und Markierungen aufgeklebt, die zeigen, wer wo langgehen muss.
Für die Eltern gibt es gute Noten
Die Schüler seien sensibilisiert. Allerdings könnten vor allem die Erstklässler die ganze Tragweite wohl nicht überblicken. Wenngleich auch sie wegen der Umstände manchmal gefrustet, gestresst oder traurig seien. Ein Kind habe gesagt, es fühle sich radioaktiv. „Zugleich werden die Maßnahmen als Teil des Alltags hingenommen. Uns ist wichtig, dass sie ihre Unbeschwertheit nicht verlieren und vieles hoffentlich schnell vergessen.“
Nach fast drei Monaten mit Homeschooling hätten sich einige anfängliche Befürchtungen nicht bewahrheitet. „Zum Glück. Gute Noten bekommen auch die Eltern. Sie haben sich unglaublich engagiert und viel Zeit investiert“, betont die stellvertretende Schulleiterin. Vor Corona war das nicht immer so, lässt sie durchblicken. Zugleich hätten die Eltern mehr Verständnis für die Arbeit der Lehrer gewonnen. Dass es manchen Konflikt zu Hause gab, will Tödt nicht ausschließen. Eine Mutter war in Tränen ausgebrochen, verzweifelt darüber, wie aufreibend es sei, die Kinder zu Hause zu motivieren. „Ich habe festgestellt, dass die meisten Eltern es besser machen, als sie denken. Die Kinder haben sich weiterentwickelt.“
Sorgen bereiten Tödt, wie anderen Lehrern auch, die Schüler, die nur wenig Deutsch sprechen. Auch die Eltern könnten sie oftmals nicht unterstützen. In einer ihrer früheren Klassen hatten die Mitschüler Flüchtlingskindern auf ihre Art Deutsch beigebracht. „Das war optimal. Am Ende sprachen alle gleich gut.“ Jetzt, während des Hausunterrichts, haben die Lehrer täglich mit den Kindern telefoniert, teils auch per Video, damit der Abstand nicht zu groß wird.
„Nichts wird mehr sein wie vor Corona“
„Durch die Corona-Beschränkungen haben sich Schwerpunkte in der Arbeit verändert. Die Planung nahm viel Zeit in Anspruch.“ Also: Wie kommen die Kinder an Arbeitsblätter und Hefte? Denn nicht jeder hat einen Drucker zu Hause. Die Lehrer sind mit dem Rad losgefahren und haben das Material in die Briefkästen geworfen. „Wir haben dann festgestellt, dass es auch ohne Arbeitsblätter geht. Tatsächlich ist weniger oft mehr“, berichtet Tödt.
Nach ihrer Einschätzung gefragt, wie es im nächsten Schuljahr weitergeht, zuckt sie mit den Achseln. „Schwer zu sagen. Jeder wünscht sich den gewohnten Schulalltag wieder. Aber es wird nicht so sein wie vor Corona.“ Dass doch noch zwei Wochen lang richtig Schule sein wird, dürfte vor allem die Viertklässler freuen. Denn sie wären sonst um den feierlichen Abschied von ihrer Grundschule und den Klassenkameraden gebracht worden. Dann fühlen sich auch die Sommerferien richtig an.