Frau Helmerkings offenes Bürofenster Sozialberatung in Dransdorf hilft Menschen bei Problemen

Dransdorf · Der Stadtteilverein Dransdorf berät Bürger bei Problemen im Sozialbereich – notfalls auch ohne Termin. Und der Bedarf ist – gerade in Pandemie-Zeiten – groß.

 Auf ein Wort am offenen Fenster: Katharina Helmerking, Geschäftsführerin des Stadtteilvereins Dransdorf, berät Hilfesuchende auch schon mal auf unkonventionelle Art und Weise.

Auf ein Wort am offenen Fenster: Katharina Helmerking, Geschäftsführerin des Stadtteilvereins Dransdorf, berät Hilfesuchende auch schon mal auf unkonventionelle Art und Weise.

Foto: Martin Wein

Mitte Februar hat Katharina Helmerking für einen ihrer Klienten einen Antrag auf Wohngeld beim Bonner Sozialamt gestellt. Gut sechs Wochen später kam der Mann aus einem anderen Grund wieder vorbei. Auf die Frage, ob der Antrag nun bewilligt sei, zuckte er nur mit den Schultern. Auf Nachfrage bei der Behörde bekam die Juristin fröhlich zu hören, alle Unterlagen lägen entscheidungsreif vor. Bewilligt wurde aber erst auf Nachfrage. „Man muss bei Anliegen an Behörden insgesamt schon recht hartnäckig sein“, sagt Helmerking.

Hartnäckigkeit ist nicht eben die Kernkompetenz der Klientel in der Sozialberatung des Stadtteilvereins Dransdorf. Nach dem Sozialbericht 2020 von Caritas und Diakonie ist der Stadtteil eindeutig ein sozialer Brennpunkt. Hier sind doppelt so viele Menschen arbeitslos wie im Bonner Durchschnitt. Nahezu jede und jeder Dritte erhält Sozialleistungen von Staat oder Kommune. Auch der Anteil der minderjährigen Hartz-IV-Empfänger liegt mit 45,3 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im gesamten Stadtgebiet. In allen 62 Bonner Stadtteilen zusammen lebt jedes fünfte Kind mit Geld vom Staat.

Schreiben von Behörden sind oft kaum verständlich

„Viele haben hier innerlich resigniert“, erzählt die neue Geschäftsführerin des Stadtteilvereins Dransdorf. Schreiben von Behörden seien für diese Menschen oft kaum mehr als bedrucktes Papier. „Die verstehen gar nicht, was man von ihnen möchte.“ Briefe blieben deshalb häufig einfach ungeöffnet oder flögen in den Müll. „Aber damit sind die Probleme natürlich nicht aus der Welt“, sagt Helmerking.

Im Vereinsbüro im Parterre in der Lenaustraße gegenüber dem Aldi-Markt haben Helmerking und ihre Kollegin Ilona Arian deshalb während der Beratungszeiten immer ein Fenster geöffnet. Dort kann jede und jeder einfach vorbeikommen – auch während der Pandemie – und sich beispielsweise amtliche Bescheide oder Schreiben erklären lassen. Manchmal reicht schon eine Kopie, die in Pandemiezeiten sonst nur mit Schnelltest und umständlicher Fahrt in die Innenstadt schon eine echte Kraftanstrengung bedeutet.

Große Unsicherheit herrscht bei den Corona-Impfungen

Im Auftrag und finanziert durch die Stadt bieten Helmerking und Arian niederschwellige Sozialberatung. Sie helfen beim Ausfüllen von Anträgen beispielsweise auf Grundsicherung oder Rente oder vermitteln spezialisierte Beratungsangebote etwa in Suchtfragen. Rund 200 Personen begleiten sie so durchschnittlich im Jahr oft über einen längeren Zeitraum bei ihren Problemen. Große Unsicherheit herrsche in den letzten Wochen bezüglich der Corona-Impfungen. Die Kakophonie sich ständig wechselnder Aussagen zu Zulassungen und Wirksamkeiten, Prioritätengruppen und Ausschlusskriterien habe viele Menschen heillos verwirrt. „Wir können da natürlich auch nur grundsätzlich zur Impfung raten und die Menschen dann an einen Hausarzt verweisen“, sagt Helmerking. Wobei ihr deutlich bewusst ist, wie schwierig es werden dürfte, gerade für Patienten ohne feste Hausarztpraxis in diesen Wochen einen Mediziner zu sprechen zu bekommen.

Die Pandemie habe die Probleme vieler Menschen am sozialen Rand der Gesellschaft ohnehin deutlich verschärft, glauben sie in der Beratungsstelle. „Oft sind bei den Anträgen noch Fragen offen“, erzählt Helmerking. Früher habe sie dann einfach beim zuständigen Sachbearbeiter etwa im Jobcenter oder bei der Arbeitsagentur angerufen. Derzeit lande man systematisch in der Warteschleife und fliege oft aus der Leitung. „Wir nehmen uns schon eine Stunde Zeit für solche Beratungsgespräche. Aber dafür haben selbst wir dann keine Zeit“, bedauert Helmerking. Homeoffice habe die Erreichbarkeit vieler Ämter verschlechtert. Zudem fehle die gemeinsame Zusammenarbeit verschiedener Dienststellen an einem Fall.

Datenschutz ist Hemmnis für schnelle Bearbeitung

„Da braucht jemand fürs Jobcenter beispielsweise eine Bestätigung seines Aufenthaltsstatus vom Ausländeramt“, erklärt die Anwältin. Darum müsse sich der Betroffene jeweils selbst kümmern. Oft werde Datenschutz angeführt, warum Behörden die nötigen Dokumente nicht selbst gegenseitig anfordern könnten. „Dabei würden die Klienten sicher dazu ihre Einwilligung geben.“ Wenn nun Menschen mit begrenzten Deutschkenntnissen und nicht so stark ausgeprägtem Durchsetzungsvermögen solche Dokumente einfordern müssten, könne sich die Auszahlung ihnen zustehender Leistungen leicht um Monate verzögern und damit soziale Situation der Betroffenen oft unnötig verschlechtern.

Mehr als 60 Freiwillige helfen im Stadtteilverein, um den Zusammenhalt in den großen Wohnhäusern etwa an der Lehnaustraße zu fördern. Lesezirkel, Theater oder Nachhilfe-Angebote bringen in normalen Zeiten Farbe in den Alltag im Viertel. Das meiste davon liegt während des Lockdowns naturgemäß auf Eis. Aber das Bürofenster von Katharina Helmerking und Ilona Arian bleibt offen – als bewusste Einladung zu schneller Hilfe. In Zeiten wie diesen ist das schon eine ganze Menge.

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