Versteckte Ecken in Lengsdorf Suche nach einem abgestürzten Bomber

LENGSDORF · Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde: Um einen unbekannten Ort mit Vergangenheit könnte es sich bei den Wiesen zwischen Provinzialstraße und Konrad-Adenauer-Damm am Lengsdorfer Ortseingang trotzdem handeln.

Falls die wenigen Quellenangaben zutreffen, die Rene Karassek ausfindig machen konnte, ist auf diesem Areal am 18. Dezember 1944 ein viermotoriger Bomber vom Typ Avro Lancaster der Royal Air Force zerschellt. Mit Hilfe von Zeitzeugen will Karassek die Maschine nun 70 Jahre nach Kriegsende finden.

Der Mann arbeitet als eine Art ehrenamtlicher Flugzeugarchäologe in der Region Köln/Bonn für die Initiative "AG Vermisstenforschung". Warum Karassek ausgerechnet diesen Absturz klären will? Die Enkelin eines ehemaligen Besatzungsmitgliedes der Lancaster hat eine Anfrage zur Absturzstelle an die AG Vermisstenforschung gestellt.

Was 1944 mit der Lancaster über Bonn passierte, lässt sich nur noch teilweise rekonstruieren. Für Fachmann Karassek steht fest: Bei der abgestürzten Maschine handelt es sich um die Lancaster PB 634 mit der Kennung: "SR-U" von der No.101. Squadron der Royal Air Force.

Laut Karassek könnte es die Führungsmaschine jenes Verbandes gewesen sein, der aus 162 englischen Bombern bestand und am 28. Dezember 1944 einen Angriff auf Bonn flog. Möglicherweise habe die besagte Maschine auch den Spezialauftrag gehabt, "sich in den deutschen Sprechfunk einzuklinken, um diesen irrezuführen", so Karassek. Dafür spreche, dass die Viermotorige mit Radar und Störsendern bestückt gewesen sei "und einen zusätzlichen Radio-Operator mit an Bord hatte".

Absturz bei Lengsdorf

Denn im Verlaufe des Angriffs wurde die Lancaster von der deutschen Luftabwehr erfasst. "Kurz nachdem die Lancaster Bombenmarkierungen in Form roter Leuchtschirme abgesetzt hatte, trafen Flakgeschosse die Maschine", sagt Karassek. Die Lancaster soll dann 500 Meter südlich von Lengsdorf abgestürzt sein. "Die Beschreibung ist recht ungenau", räumt der Flugzeugarchäologe ein. Möglich sei es auch gewesen, dass der Bomber in der Luft explodiert ist und Trümmerteile verstreut über Lengsdorf, Röttgen und den Kottenforst zu Boden fielen.

Gesichert sei jedoch: Alle neun Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Auch Sergeant Classen, dessen Enkelin sich nun an die AG gewandt hatte. Zwar sei die tote Crew geborgen und später auf den Soldatenfriedhof in Rheinberg umgebettet worden, wie die Enkelin den Forschern mitgeteilt hatte.

Gleichwohl will sie 71 Jahre später wissen, wo genau die Lancaster aufschlug. "Das hilft bei der Aussöhnung mit der eigenen Familiengeschichte", weiß Karassek. Doch um die genaue Absturzstelle ausfindig zu machen, braucht er nun Zeitzeugen. Eine erste GA-Anfrage bei ein paar gebürtigen Lengsdorfer ergab jedoch: Keinem ist etwas von einer abgestürzten Maschine bekannt.

Dass durchaus viele Bonner noch lebhafte Erinnerungen an die Bombennächte haben, bewies jüngst ein anderer Fall, bei dem Zeitzeugen eines Bomberabsturzes gesucht wurden, der sich über Beuel ereignet hatte: Im vergangenen Jahr machte Christian König, Flugzeugarchäologe und ehrenamtliches Mitglied der niederländischen Stiftung "Crash Research in Aviation Society Holland 40-45", auf das Schicksal einer weiterer Lancaster aufmerksam.

Die hatte am 4. Februar 1945 an einem Angriff auf Bonn teilgenommen und war nach Königs Recherchen an der Ecke Elsa-Brandström-Straße/Kreuzherrenstraße in Beuel abgestürzt. Auch in dem Fall hatte sich der Hinterbliebene eines Besatzungsmitglieds an die Stiftung gewandt. Königs Suche mit Hilfe des GA nach Zeitzeugen löste große Resonanz aus: Viele Leser meldeten sich mit teils widersprüchlichen Erinnerungen zu Wort.

Zwar konnte König bis heute den genauen Absturzort nicht lokalisieren, aber er glaubt den Hinweisen: "Es scheint sehr sicher zu sein, dass die Maschine hier an der Elsa Brandström-Straße abgestürzt ist." Auf die Beobachtungen von Zeitzeugen hofft Karassek nun auch in dem Fall der über Lengsdorf abgeschossenen Lancaster: "Wir sind für jeden Hinweis zu der möglichen Absturzstelle dankbar." Auch was nach dem Absturz mit den toten Besatzungsmitgliedern passierte, interessiert Karassek. Wer etwas dazu beitragen kann, kann sich beim General-Anzeiger unter der E-Mail-Adresse hardtberg@ga.de melden.

Die Vermisstenforscher

Die Arbeitsgruppe "Vermisstenforschung" unter Leitung des Saarländers Uwe Benkel führt seit 26 Jahren ehrenamtlich Grabungen nach vermissten Flugzeuginsassen und Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg durch - schwerpunktmäßig im Saarland und Rheinland-Pfalz sowie den angrenzenden Regionen. Den Anstoß dazu hatte Benkel nach eigener Auskunft die Flugzeugkatastrophe von Rammstein 1988 gegeben, bei der Bekannte von ihm ums Leben gekommen sind, die nur schwer identifiziert werden konnten. Laut Benkel hat seine AG bislang 48 Schicksale deutscher und alliierter Flugzeugbesatzungen klären können, die im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurden oder verunglückten.