Abgeschossenes Flugzeug über Lengsdorf Suche nach Wrackteilen ist beendet

LENGSDORF · Mehr als zwei Stunden lang ging es im Saal der Gaststätte Butscheids in Ückesdorf um ein düsteres, zugleich offensichtlich unverändert bewegendes Stück Heimatgeschichte: Rund 25 Interessierte und Zeitzeugen wie Kapser Hau (85), Wilhelm Schneider (80), Anna Kuhn (80) und Wilhelm Herrmann (77) tauschten sich am Samstag engagiert mit zwei Fachleuten über die Luftangriffe während des Zweiten Weltkrieges auf Bonn aus.

 Fundstücke, Fotos und andere Exponate waren bei einer kleinen Ausstellung aufgebaut und stießen auf reges Interesse.

Fundstücke, Fotos und andere Exponate waren bei einer kleinen Ausstellung aufgebaut und stießen auf reges Interesse.

Foto: Axel Vogel

Auf Einladung des General-Anzeigers hatten der Hobby-Flugzeugarchäologe René Karassek von der Arbeitsgemeinschaft Vermisstenforschung und Christoph Reuter, der sich in seiner Freizeit mit dem Luftkrieg während des Zweiten Weltkriegs beschäftigt, Interessantes zu berichten. Karassek hatte den Sommer über mit Hilfe von GA-Lesern versucht, die genaue Absturzstelle eines ganz bestimmten britischen Lancaster-Bombers mit der Kennung SR-U ausfindig zu machen.

Die Viermotorige war am 28. Dezember 1944 vermutlich über Lengsdorf abgeschossen worden, alle acht Besatzungsmitglieder kamen damals um. Das Schicksal ließ die Nichte eines der Getöteten bis heute nicht los: Um Abschied von ihrem Onkel nehmen zu können, so Karassek, bat die Britin Anfang des Jahres die AG Vermisstenforschung, ungeachtet der spärlichen Informationslage die genaue Absturzstelle ausfindig zu machen. Auch wenn Karassek, spontan von Reuter bei der Suche unterstützt, keine Wrackteile mehr finden konnte, die der Lancaster mit Sicherheit zuzuordnen wären, hatten viele GA-Leser doch wertvolle Hinweise gegeben. Dafür bedankten sich die Experten nun anlässlich der Beendigung der Suche.

Die Geschichte und auch der Schrecken jenes Bombenkrieges schienen für kurze Zeit ein Stück greifbar zu sein im Saal der Gaststätte. Das lag an Reuter, der die Luftangriffe auf Bonn zwischen 1940 und 1945 Revue passieren ließ. Vor allem erinnerte er an die großen Zerstörungen und die vielen hundert Zivilisten, die Opfer der Bomben geworden waren. So bei jenem Angriff vom 28. auf den 29. Dezember 1944, als über 160 britische Bomber angriffen und laut Reuter rund 600 Bonner starben, davon allein 400 in einem Großbunker.

Bei diesem Angriff wurde eben auch jene gesuchte Lancaster abgeschossen, über deren Schicksal Karassek referierte. Womöglich nicht von einer deutschen Flak-Stellung auf dem Hardtberg, wie Karassek zunächst glaubte. Vielmehr hält er es nun auch für möglich, dass der deutsche Feldwebel Richard Richter, der wenige Tage später selbst umkam, den Bomber mit seinem Nachtjäger vom Typ Ju 88 abgeschossen hatte.

Um jene Zeit anschaulich zu machen, half eine kleine Ausstellung, die Karassek und Reuter aufgebaut hatten. Zu sehen gab es einige Flugzeugmodelle jener Maschinen, die bei den Luftangriffen auf deutscher und alliierter Seite zum Einsatz gekommen waren. Zudem konnten die Teilnehmer alte Fotos, Skizzen und Wrackfundstücke begutachten, die Karassek von anderen Bergungen mitgebracht hatte. Immerhin ist es seinem Verein bislang gelungen, 48 Schicksale deutscher und alliierter Flugzeugbesatzungen aufklären.

Zu sehen gab es auch die Wrackteile, die Christoph Reuter geschenkt bekommen hatte, und die bei Röttgen gefunden worden waren. Auch wenn sich hier ebenfalls nicht der Nachweis führen ließ, dass die Fundstücke aus dem gesuchten Bomber stammen, steht für Reuter wie für Karassek fest: "Zu über 90 Prozent stammen die Wrackstücke zumindest aus einer Lancaster."

Dass in jener Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 1944 eine Lancaster über Lengsdorf explodiert sein muss und Wrackteile an mehreren Stellen zu Boden fielen, bestätigten mehrere Zeitzeugen wie Anna Kuhn und Wilhelm Herrmann, mit denen sich Karassek in Lengsdorf getroffen hatte.

Und noch eine neue Beobachtung konnte der damals 14 Jahre alte Kaspar Hau am Samstag beisteuern: Er sah eine Lancaster in jener Nacht in etwa 300 Metern Höhe über Ippendorf in Richtung Bonn einfliegen "und dann in der Luft explodieren", sagte er.

Karassek und Reuter glauben zwar nicht, dass es sich dabei um die gesuchte Maschine handelt. Aber sie fühlten sich am Ende der Veranstaltung in der Aussage bestärkt: "Wir sind uns sicher, dass die Lancaster SR-U über Lengsdorf abgestürzt ist."

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