Flüchtlinge in Duisdorf Turnhallen-Belegung im Hauruck-Verfahren

Duisdorf · Die Stadt bittet bei einer Bürgerversammlung zu Flüchtlingen um Verständnis: Die Belegung der Turnhalle musste kurzfristig geschehen.

 Ansprechpartner auf dem Podium: Bei der Bürgerinformation im Rathaus warb die Stadt um Verständnis für die Hallenbelegung.

Ansprechpartner auf dem Podium: Bei der Bürgerinformation im Rathaus warb die Stadt um Verständnis für die Hallenbelegung.

Foto: Roland Kohls

Die schlechte Nachricht zuerst: Die Stadt Bonn wird wohl auch weiterhin Flüchtlinge in ihren Turnhallen unterbringen müssen. Und bis die erste Dreifachsporthalle dafür genutzt wird, ist es nur noch eine Frage der Zeit, sagte Martin Herkt vom Sportamt am Montagabend bei der Bürgerversammlung zur Situation der Flüchtlinge in der früheren Gutenberg-Schule am Schieffelingsweg. Als nächstes werden erst einmal die Hallen der Berufskollegs dafür herhalten müssen, gesperrt sind sie laut Herkt bereits.

Die guten Nachrichten, derer es gleich mehrere gibt, erfuhren die rund 80 Bürger bei der Veranstaltung aber auch: Der Stadt Bonn wurde vom Land zugesagt, dass von heute bis 3. Januar keine weiteren Flüchtlinge zugewiesen werden. Das verschafft etwas Luft, weitere Räume zu suchen, denn: "Wir brauchen bei den jetzigen Zuweisungszahlen pro Woche eine neue Unterkunft", sagte Dieter Tilgen vom Sozialamt.

Und dafür musste auch die Turnhalle hinter der Polizeiwache in Duisdorf zweckentfremdet werden, was alle Helfer und vor allem die Bürger sehr kurzfristig traf. 68 Menschen leben dort jetzt auf 280 Quadratmetern, nur durch einige Stellwände unterteilt. Die wenigen Frauen und Kinder darunter sollen noch vor Weihnachten umquartiert werden. Was für die Flüchtlinge am wichtigsten ist, erklärte Georg Fenninger vom Deutschen Roten Kreuz: "Das erste ist das Essen, das Caterer anliefern, dann kommt auch schon der W-Lan-Anschluss, damit die Flüchtlinge Kontakt nach Hause bekommen."

Und schließlich brauche es Reinigung und soziale Betreuung. Es gebe auch mal Konflikte, aber das sei ganz normal, wenn 60 junge Männer zwischen 20 und 36 Jahren zusammen auf so engem Raum eng campieren. "Das kann mal vorkommen, und das ist unter Kontrolle," sagte Fenninger. Fragen zu diesem Thema wurden nicht weiter gestellt, weder an Helene Fuhrmann, Leiterin der Polizeiwache Duisdorf, noch an Michael Thomas vom Sicherheitsdienst, der ebenfalls auf dem Podium saß.

Keine einfachen Alternativlösungen

Einigen kritischen Fragern ging es um etwas anderes. Die Belegung sei schwierig für die Hardtberger Sportvereine, denen würden dann irgendwann die Mitglieder weglaufen. Und ob es auch ein Kostenfaktor sei, die (billigeren) Turnhallen zu nehmen, fragte ein Bürger spitz. "Natürlich", gab Tilgen unumwunden zu. "Nicht jeder Hauseigentümer ist ein Gutmensch." Manche würden 18 Euro pro Quadratmeter verlangen, und dann gebe es irgendwo eine Schmerzgrenze bei der Anmietung. "Deshalb sind einige Objekte nicht zustande gekommen."

Wieder wurde von Bürgern auf die Gallwitz-Kaserne und die Diplomatenschule in Ippendorf verwiesen, die man zur Unterbringung prüfen könne. Doch die Kasernengebäude stehen seit 17 Jahren leer und das Gelände sei zu groß, während das Gebäude in Ippendorf mit Schadstoffen belastet sei, hieß es. Darüber gebe es aber widersprüchliche Gutachten, so Tilgen. Fazit: Alles nicht so einfach mit den Alternativen.

Dafür machten die Helfer auf dem Podium einen Eindruck von Tatkraft und Entschlossenheit. Wenn man selbst erst eineinhalb Tage vorher erfahre, dass der nächste Flüchtlingsschub komme, dann müsse man handeln. Schnell, unbürokratisch - und manchmal auch im Hauruck-Verfahren, wie ein Bürger kritisierte.

Stimmt, dann werde, ohne zu fragen, gebohrt, wenn für ein Lüftungsrohr ein Loch in der Hauswand sein müsse, gab Fenninger zurück. Dann werden die Flüchtlinge mal eben spontan zum Duschen in den Sportpark Nord gefahren. Dann müsse auch die Information der Bürger hintenanstehen, weil zu wenig Zeit ist. "Das hat ja fast schon diktatorische Züge", kritisierte ein Bürger. Doch offenbar hatte er vorher nicht gut genug zugehört, als die Integrationsbeauftragte Coletta Manemann sagte: "Es ging nicht mehr anders, als die Menschen ganz kurzfristig in Turnhallen einzuquartieren und sie dort anständig unterzubringen. Und wir als UN-Stadt können nicht als Erste sagen, das schaffen wir nicht." Dafür bekam sie viel Beifall.

Mitbestimmung der Politik endet bei so viel Zeitdruck

Ganz nebenbei wurde auch klar: Bei so viel Zeitdruck endet die Mitbestimmung der Politik. "Bei 80 Stadtverordneten und zehn Parteien im Stadtrat die Belegung von Hallen zu diskutieren, geht gar nicht", machte Brigitta Jackel (CDU) klar. Die Verwaltung bewältige in dieser Notsituation die Herausforderungen hervorragend, es würden seit Monaten Überstunden geleistet und es sei berechtigt, hier auch Vertrauen in die Arbeit der einzelnen Ämter zu setzen.

"Politik entscheidet, wenn Gebäude angekauft und umgebaut werden, aber in welcher Reihenfolge Turnhallen belegt werden, sollte man der Fachverwaltung überlassen", erklärte sie am Dienstag. Und Hardtbergs Bezirksbürgermeisterin Petra Thorand, die anfangs noch selbst die fehlende Information im Vorfeld moniert hatte, sagte am Ende der Bürgerversammlung: "Wir begleiten das politisch, aber können nicht beteiligt werden, weil die Zeit zu knapp ist."

Wie man den Flüchtlingen helfen kann, wird Manemann immer wieder gefragt. Ihre drei Tipps: Die Flüchtlinge seien eine heterogene Gruppe, jeder sei unterschiedlich. Deshalb sollte man ihnen zunächst Zeit lassen, um anzukommen. "Aber nicht alle sind traumatisiert", sagte sie. "Zweitens fängt Integration mit Sprache an, aber man darf keine Wunder erwarten." Drittens seien in Turnhallen keine Sachspenden zu gebrauchen, Kleidung solle man lieber Kleiderkammern zukommen lassen.

Die Probleme eines großen Sportvereins mit der Turnhallen-Sperrung

Alle Vereine, die von jetzt auf gleich auf ihre Turnhalle verzichten müssen, haben damit ein Problem. Umso mehr, wenn es sich um einen großen Sportverein wie Rot-Weiß Lessenich handelt, wie dessen Vorsitzender Marco Jost exemplarisch beschreibt.

"Generell ist die Belegung aus unserer Sicht das letzte Mittel, um zu verhindern, dass die Flüchtlinge kein Dach über den Kopf haben. Wenn dies zwingend notwendig ist, haben wir als Verein natürlich großes Verständnis dafür. Die Stadt muss dabei aber berücksichtigen, dass die Vereine eine sehr wichtige soziale Funktion wahrnehmen. Dies ist für die Vereine dann ein großer Spagat, wenn auf der einen Seite die Integration von Flüchtlingen unterstützt wird und auf der anderen Seite die Sportstätten nicht mehr zur Verfügung stehen. Leider sind wir jetzt bei allen Hallenschließungen betroffen, da Rot-Weiß Lessenich im Schieffelingsweg und auch in der Doppelturnhalle des Ludwig-Erhard-Kollegs mit Herzsport und Präventionssport vertreten ist.

Einen Teil konnten wir dank Unterstützung durch Tischtennis und Alte Herren in der Laurentiusturnhalle unterbringen, ein anderer Teil nutzt die Aula der Musikschule. Für die Herzsportler sucht der Verein noch eine Lösung, damit es nach den Ferien weitergehen kann. In diesem Sinne hoffe ich, dass nicht noch mehr Hallen belegt werden. Als Verein, der durch den Bau des Kunstrasenplatzes in Lessenich relativ hohe Schulden gemacht hat, können wir es uns nicht leisten, Mitglieder zu verlieren, wenn wir Sportangebote nicht mehr machen können.

Dieser Verlust kann nicht kompensiert werden, und ich sehe mich als Ehrenamtler nicht in der Lage, den Verein in solch einer Situation dann noch erfolgreich zu führen. Da wäre

es schon gut, wenn Verwaltung und Politik bereits hier und jetzt Lösungen aufzeigen. Es ist erschreckend, wenn man nach der Veranstaltung das Gefühl hat, dass es keine Strategie bei den Verantwortlichen gibt, sondern die Situation einen zu überrollen scheint."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort