Hilfe für Geflüchtete in Medinghoven Vom Wunsch, sich über alle Grenzen hinweg zu helfen

Medinghoven · Ursula und Manfred Tubbesing helfen Geflüchteten, besorgen Kleider und schreiben Anträge an die Stadt. Als Mitglieder der Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde in Bonn öffnen sie zugleich ein Türchen: Es gibt den Blick auf ihr Engagement und die Kleiderstube in Medinghoven frei.

 Ursula Tubbesing (r.) spricht mit Sandrine Akouala Obiaba, mit der sie ein Treffen in der Kleiderstube verabredet hat.

Ursula Tubbesing (r.) spricht mit Sandrine Akouala Obiaba, mit der sie ein Treffen in der Kleiderstube verabredet hat.

Foto: Stefan Hermes

Bis zu ihrem vorzeitigen Ruhestand arbeitete Ursula Tubbesing in der Präventionsabteilung einer Berufsgenossenschaft. Vielleicht ist auch das einer der Gründe, warum sie sich heute – bevor das „Kind in den Brunnen gefallen ist“ – ehrenamtlich engagiert. Zudem gehört sie zusammen mit ihrem Mann Manfred Tubbesing zu den rund 40 Mitgliedern der Evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde in Bonn (EmK), die einen ihrer Schwerpunkte im ökumenischen Engagement sieht. „Für uns ist das die Kirche, die zu den Menschen kommt“, sagt Manfred Tubbesing.

Und er geht dabei mehr als 200 Jahre in der Geschichte zurück, als die Methodistenkirche in England zu einem Zeitpunkt entstanden war, als armen Menschen das Betreten der Kirchenbauten verboten worden sei. „Dort waren damals die Kirchenbänke nur für die etwas besseren Menschen reserviert“, so Tubbesing. „Wir träumen von einer Einheit“, schreibt die Gemeinde auf ihrer Webseite, „wo Kirchen sich gegenseitig geschwisterlich helfen und Ressourcen austauschen, Projekte zusammenlegen und gemeinsam arbeiten.“ Vor diesem Hintergrund engagieren sich Tubbesings seit 2015, dem Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise, in der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Hardtberg (OeFH).

 Manfred Tubbesing hilft nicht nur in der Kleiderstube aus, sondern ist ein wichtiger Berater für Neuankömmlinge.

Manfred Tubbesing hilft nicht nur in der Kleiderstube aus, sondern ist ein wichtiger Berater für Neuankömmlinge.

Foto: Stefan Hermes

Ursula Tubbesing belebt Kleiderstube neu

2017 rief „Frau Ursula“, wie Ursula Tubbesing von den immer mehr werdenden Besucherinnen der OeFH-Kleiderstube in der Nachbarschaftswohnung der Diakonie in Medinghovens Briandstraße meistens genannt wird, die Kleiderstube wieder ins Leben. Diese war aus Altersgründen von den damaligen Betreiberinnen schon vor längerer Zeit geschlossen worden. Manfred Tubbesing, dessen Eintritt in den Ruhestand mit der vermehrten Ankunft von Geflüchteten in Bonn zusammenfiel, wurde schnell zum Ansprechpartner und Begleiter vieler zunächst heimatlos gewordener und oftmals auch durch Krieg und Fluchterlebnisse traumatisierter Menschen. „Es dürften um die 30 Familien sein“, sagt er, denen er regelmäßig und seit Jahren zur Seite steht.

Insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie ist seine Hilfe gefragt. Viele Berechtigungen, Anträge und Fragen konnten bis zum März 2020 noch persönlich in den Ämtern geklärt werden. „Aber heute kommt man nirgendwo mehr rein“, so Tubbesing. „Die Agentur für Arbeit hat sich ja eingeschlossen“, sagt er. Auch Familienkasse oder Wohnungsamt ließen sich nur noch online erreichen. „Und ‚Online‘ können die meisten nicht“, sagt er. Mit Smartphone kenne sich zwar nahezu jeder aus, „aber bei der Bedienung eines Laptops hört es meist auf.“

Hilfe bei Anträgen

Um beispielsweise Bewerbungen und Lebensläufe zu schreiben, sowie Kontakte mit Firmen aufzunehmen, sei jedoch die Kenntnis von Schreib- oder E-Mailprogrammen erforderlich. Tubbesing freut sich darüber, dass viele seiner Schützlinge inzwischen eine Anstellung finden konnten und sieht heute einen Schwerpunkt seiner Arbeit vor allem in der Online-Beantragung von Kinder- oder Wohngeld. „Die Webseiten, mit denen man das macht“, so Tubbesing, seien zwar gut gestaltet, und doch könnten die meisten wenig damit anfangen. Da kann er helfen.

Sein Fazit nach mehr als 20 Corona-Monaten fällt düster aus: „Die Bearbeitungszeiten der Familienkasse sind indiskutabel“, sagt er. Drei Monate seien einfach zu lang. Er sieht es auch als seine Aufgabe, den Geflüchteten zu vermitteln, dass eine Arbeitsstelle und das Gefühl, die eigene Familie selber versorgen zu können, für ihr Selbstbewusstsein und die Integration sehr wichtig seien. „Doch wenn jemand Tausend Euro verdient und wegen der erhaltenen Sozialleistungen nur noch 170 Euro davon behalten kann“, so macht Tubbesing die Erfahrung, sei die Motivation dahin. Da ruhe man sich auf den Leistungen des Jobcenters aus. Obwohl sich in den vergangenen Jahren schon viel verbessert habe, „die Leute sprechen und lesen inzwischen gut Deutsch“, so Tubbesing. Und dennoch bleibe immer noch ein großer Unterschied zwischen Sprechen und Verstehen.

Mehrfach die Woche unterwegs zu Hilfsbedürftigen

„Ich bin gerade ziemlich müde“, sagt Ursula Tubbesing mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Seitdem ihre Kleiderstube im März des vergangenen Jahres ihre Türen nicht mehr öffnen durfte, ist sie nun nicht nur für einen Vormittag in der Briandstraße anzutreffen, sondern vier- oder fünfmal in der Woche zu den Hilfsbedürftigen unterwegs, um die gewünschten Kleidungsstücke persönlich zu überbringen. Dabei wird sie nicht nur von ihrem Mann, sondern seit dem vergangenen September auch von Edith Neu und Inge Niederhausen aus der OeFH unterstützt. „Das klappt prima“, sagt sie und freut sich.

Nach den im vergangenen Sommer noch improvisierten Basaren vor Emmaus-, Johannis- und Rochuskirche sei man inzwischen wieder zu persönlichen Abholungen und Übergaben übergegangen. „Wir informieren uns gegenseitig über Whatsapp-Gruppen und haben damit ein gut funktionierendes Netzwerk aufgebaut“, sagt Tubbesing. In Zusammenarbeit mit AWO, dem Zentrallager für Sachspenden in Bonn und einem Secondhandladen können man nahezu jeden Wunsch erfüllen. „Und wenn es einmal nicht klappt“, so Tubbesing, veröffentlicht sie eine Suche in der Nachbarschafts-App Nebenan.de. „So konnten wir für einen 16-Jährigen auch den Wunsch nach Fußballschuhen in Größe 47 erfüllen“, freut sich Tubbesing.

Wo sich vor Ausbruch von Covid-19 noch Mütter aus aller Welt vor oder nach dem Aussuchen von Kinderbekleidung an den Tischen bei einem Kaffee oder Tee kennenlernen konnten, ist nun alles mit Kartons voller Kleidung in allen Größen, Schuhen und Spielzeug belegt, das auf die Einsortierung wartet. „Im Moment ist das Platzangebot für uns sehr komfortabel“, so Tubbesing. „Doch vielen Müttern fehlt es, bei einem Tee miteinander ins Gespräch zu kommen. Viele haben hier schon neue Freundinnen gefunden“, sagt Tubbesing und hofft darauf, dass die Kleiderstube in der Briandstraße 7 wieder wie gewohnt jeden Mittwoch von 9.30 bis 11 Uhr öffnen darf. Kleiderwünsche oder -spenden können nach Absprache mit Ursula Tubbesing unter ☎ 01 73/800 21 81 entgegengenommen werden.

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