Serie: Ausgegraben Was der Schutt in einem zugeschütteten Wassergraben verrät

Duisdorf · Der Fund „antiker Scherben“ im zugeschütteten Wassergraben der ehemaligen Duisdorfer Wasserburg stellt sich als Schutt von Lapitesta heraus. Trotzdem sind sie ein Fall für die Bodendenkmalpflege. Interessante Verweise auf die Zeit des Ersten Weltkriegs.

Serie: Ausgegraben: Was der Schutt in einem zugeschütteten Wassergraben verrät
Foto: Stadtmuseum/Repro: Stefan Hermes

Man darf sich den Glücksmoment vorstellen, in dem der Archäologe auf dem Grabungsfeld der ehemaligen Duisdorfer Wasserburg, von der nur noch die Vorburg des heutigen Brünkerhofs erhalten ist, eine Scherbe mit Wikingermotiven oder syrischen Reliefs entdeckt. „Originale kannte ich bisher nur aus dem Britischen Museum“, lacht Christoph Keller über die kurze Irritation, die ein solcher Fund selbst bei dem Experten der LVR-Bodendenkmalpflege auslösen konnte.

Serie: Ausgegraben: Was der Schutt in einem zugeschütteten Wassergraben verrät
Foto: Christoph Keller

Doch bei näherer Betrachtung stellte sich – nicht zuletzt auch durch die Menge der in dem ehemaligen Wassergraben verschütteten Keramikteile – heraus, dass es sich um die Entdeckung neuzeitlicher Keramik aus Duisdorf handelte. Im Hinblick auf den Wert, der an dieser Stelle genau dieser Keramik zukommt, hört es sich geradezu despektierlich an, was dazu im Grabungsbericht der archäologischen Fachfirma zu lesen ist, die im Auftrag der LVR-Bodendenkmalpflege die Untersuchungen vor Ort vornahm.

Funde quer durch die Jahrhunderte

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Foto: Christoph Keller

„Abgesehen von Töpfereischutt“, heißt es dort, seien während der Grabung relativ wenig Funde geborgen worden, die jedoch das gesamte zeitliche Spektrum der Wasserburg bis in das 20. Jahrhundert abdeckten. Die elf ältesten dort gefundenen Scherben (Grauware und Protosteinzeug) stammten aus dem 12. bis 15. Jahrhundert. Als Besonderheit wurden neben Westerwälder, Siegburger und Frechener Steinzeug und sogenannter Irdenware ein kleines Zinnkännchen sowie ein komplett erhaltener Lederschuh aufgeführt, der aus der schlammigen Schicht über dem Kiespflaster der Vorburg stammte.

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Foto: Stadtmuseum/Repro: Stefan Hermes

„Eher als Kuriosität“, erinnert sich Keller, habe man damals ein paar Kisten der neuzeitlichen Scherben mitgenommen. Schnell stellte sich durch den Firmenstempel „LWD“ auf den meist aus Fehlbränden bestehenden Gefäßen heraus, dass es sich um industrielle Waren der keramischen Fabrik Lapitesta handelte.

Ehemalige keramische Fabriken auf Bonner Gebiet

„Im Stadtgebiet Bonns wie auch in Ortschaften im unmittelbaren Umland bestanden im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine Anzahl keramischer Fabriken, von denen allerdings nur noch die Fabriken Wesselwerk und F.A. Mehlem auch heute noch eine gewisse Bekanntheit besitzen“, so Keller. Bis heute hat ihn die Geschichte hinter den Scherben von Lapitesta nicht losgelassen.

In den Bonner Geschichtsblättern wird voraussichtlich noch im Herbst eine größere Abhandlung von ihm erscheinen, die er – ausgelöst durch einen neuerlichen Fund von Farbfotografien von Theo Schafgans – erst kürzlich fertigstellte. Nicht nur diese einzigen Farbaufnahmen von frühen Lapitesta-Produkten des bekannten Bonner Fotografen, sondern auch der ausführliche Schriftverkehr zwischen dem damaligen Geschäftsführer Hubert Schüller und dem Bonner Arzt und Eigentümer von Lapitesta Jacob Ludwig, vermittelt ein für die Archäologen bereicherndes Geschichtsbild von der Zeit um den Ersten Weltkrieg.

Kunstvoller Name für ein Bonner Unternehmen

Wobei die Geschichte von Lapitesta jedoch bereits wesentlich früher beginnt, da das Unternehmen, das erst seit der vollständigen Übernahme durch Ludwig seinen kunstvollen Namen erhielt, der sich vermutlich auf den lateinischen Begriff „Lapis“ für Stein zurückführen lässt, aus der Kunsttöpferei Kunsttöpferei Gerhards und Wittelsberger hervorgegangen ist.

Als Lapitesta-Eigentümer Ludwig am 1. August 1914, dem Tag der Kriegserklärung an Russland, als Regimentsarzt des Husarenregiments König Wilhelm I. (1. Rheinisches) Nr. 7 eingezogen wurde, musste sein Geschäftsführer Schüller Berichte und Anfragen an seinen Chef schriftlich abfassen. So hat sich im Nachlass von Ludwigs ein umfangreicher Bestand von Briefen und Berichten erhalten, die einen Einblick in die betriebliche Entwicklung und den Alltag des Geschäftsführers Schüller zulassen.

Für das Duisdorfer Unternehmen wurde es zunehmend schwieriger, Arbeitskräfte zu halten oder neue als Ersatz für die in den Krieg befohlenen zu gewinnen. „Um die notwendigen Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, scheint Hubert Schüller auch den Einsatz von Kriegsgefangenen angefordert zu haben“, schreibt Keller in seiner Dokumentation.

Schwierige Lage im Laufe des Ersten Weltkriegs

Für die ansässigen Unternehmen wurde die Versorgungslage zunehmend schlechter. Die Knappheit oder das nicht mehr Vorhandensein von Spezialglasuren oder Kohlevorräten für die Brennöfen machten Lapitesta ebenso zu schaffen, wie die seit Kriegsbeginn verschlossenen Märkte in den Beneluxstaaten, Frankreich und England. Erschwerend wirkte sich auch die Einstellung des gewerblichen Güterverkehrs auf der Bahn aus, da die Transportkapazitäten der Reichsbahn für den Truppen- und Materialtransport des Heeres reserviert worden waren.

Schüller verstärkte den Export nach Skandinavien und straffte die Produktreihe, die vor allem Vasen und Blumenkübel in verschiedenen Dekorvarianten umfasste. Nach den Berichten scheinen seine Bemühungen von Erfolg gekrönt worden zu sein. So berichtete Schüller im Juni 1915 an Ludwig, dass man erstmals wieder ohne Verluste produzieren konnte.

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