Zero Waste in Bonn Was man im Leben wirklich braucht

Brüser Berg/Duisdorf · Christoph Baudson hält für das Nachbarschaftszentrum einen Vortrag zur Müllvermeidung und berichtet, was ihn zu Zero Waste brachte

 Die Pfandringe in Duisdorf machten bewusst, dass nicht alles Müll ist, was man wegwerfe, sagt Christoph Baudson.

Die Pfandringe in Duisdorf machten bewusst, dass nicht alles Müll ist, was man wegwerfe, sagt Christoph Baudson.

Foto: Stefan Hermes

Dass Menschen die Fähigkeit des Recyclings zu hoch einschätzen, gehört mit zu den Erkenntnissen, die sich für Christoph Baudson (44) im Gespräch nach seinem Online-Vortrag für das Nachbarschaftszentrum des Brüser Bergs bestätigten. „Es reicht eben nicht aus, den Müll nur in die richtige Tonne zu werfen“, sagt er. Seit etwa einem Jahr ist Baudson in der Initiative Zero Waste in Bonn aktiv, da der Vater einer 13-jährigen Tochter seinen Teil für ihre Zukunft beitragen und etwas gegen die sich anbahnende Klimakatastrophe unternehmen möchte.

Baudson wollte nicht weiter auf Lösungen durch Politik und Industrie warten

Der nach eigenen Worten schon lange minimalistisch lebende Baudson hat vor allem durch die Pandemie, in der er mehr Zeit zu Hause verbrachte und damit auch mehr Müll produzierte, ein stärkeres Bewusstsein für das Thema Müllvermeidung entwickelt. Für ihn war ein Punkt in seinem Konsumverhalten erreicht, wo er guten Gewissens nicht einfach so weitermachen wollte. „Ich möchte mich derzeit nicht in der Parteipolitik engagieren und auch Demonstrationen liegen mir nicht wirklich“, sagt er. Der Zeitpunkt schien ihm überschritten, weiterhin auf Lösungen durch Politik und Industrie zu warten, die in seinen Augen in viel zu starren Systemen feststecken.

Somit lag für ihn das Engagement in einer Initiative nahe. Der Informatiker fand in Zero Waste (engl: Null Müll), der Bonner Initiative, die sich für Müllvermeidung in verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens einsetzt, eine Brücke zwischen dem Lösen der eigenen Probleme und seinem Wunsch etwas zu einer gesellschaftlichen Veränderung beizutragen. „Die Auseinandersetzung mit dem Thema Müllvermeidung hat mich mit meiner eigenen Bequemlichkeit und meinen Verhaltensmustern sowie einem Gefühl der Gefangenheit in bestehenden Systemen, wie beispielsweise dem unüberlegten Einkaufen im Supermarkt, konfrontiert.“

Aus diesem Gefangensein bewusst ausgebrochen zu sein und dem sicht- und spürbar gewordenen Klimawandel nicht mehr nur machtlos gegenüberzustehen, gibt ihm heute das Gefühl, ein Stück seiner Würde behalten zu haben. „Auch wenn es nicht die Welt retten wird, möchte ich versuchen, im Kleinen Verantwortung zu übernehmen.“ Für sich selber begann er damit, sich darüber bewusst zu werden, was er im Leben wirklich brauchte. „Ich stellte fest, dass es mich zunehmend störte, viele Dinge zu besitzen, die meine Aufmerksamkeit einforderten und um die ich mich kümmern musste.“ Durch mehrere Umzüge mit seiner Familie fiel ihm auf, dass sich viele Dinge in seinem Keller stapelten, die schon seit mehreren Umzüge nicht mehr benutzt wurden.

Vortrag öffnete Zuschauern die Augen

Der Wunsch, ohne Müll leben zu wollen, revolutionierte das Leben der Kölner Autorin und Unverpackt-Laden-Inhaberin Olga Witt. Ihr „Reisebericht“ in ein neues und besseres Leben faszinierte Baudson und brachte ihn letztlich zu seinem Engagement bei der Bonner Initiative von Zero Waste, für die er jetzt seinen überzeugenden Vortrag ausarbeitete, der auch der Zuhörerschaft des Nachbarschaftszentrums die Augen öffnete.

Mit Fotos, Grafiken und Diagrammen zeigte Baudson auf, dass in Deutschland insgesamt zu viel verbrannt und zu wenig recycelt und letztlich auch zu viel konsumiert wird. Von einer „Kreislaufwirtschaft“ spricht Baudson nur in Anführungszeichen. Denn nur zwölf Prozent der verbrauchten Rohstoffe werden recycelt. Um von Zero Waste, von null Müll sprechen zu können, müsste dieser Wert bei 100 Prozent liegen.

Recycling sei für Hersteller vor allem gut, um damit Greenwashing zu betreiben. So wirbt beispielsweise Adidas für seine Sneakers, die angeblich aus Ozeanplastik hergestellt sein sollen, was jedoch nur einen Bruchteil des Schuhs ausmacht. Darüber hinaus ist der Schuh aufgrund seiner Verklebung nicht einmal mehr recycelbar. Den Markennamen der Papierrolle „Wisch & Weg“ wollte Baudson zunächst nur als eine Metapher für die Wegwerfgesellschaft verwenden. Er begann zu recherchieren, um dem Hersteller kein Unrecht zu tun, der damit wirbt, dass seine Verpackung zu 100 Prozent recycelbar und die Papiertücher zu 100 Prozent biologisch abbaubar sind. „Doch dafür müsste die Verpackung erst einmal in der richtigen Tonne landen und jeder Haushalt über einen Kompost oder eine Biotonne verfügen“, so Baudson.

Bei knappen Ressourcen, ist sodann von ihm zu erfahren, dass im Jahr 2022 jede Person in Deutschland etwa 5,2 Kilogramm Küchenrolle verbrauchen wird. Ein wiederverwendbares Stofftuch könnte dieser Verschwendung etwas entgegensetzen. Baudson benennt viele weitere Beispiele, bei denen sich Einwegprodukte vermeiden lassen und Mehrwegverpackungen eine gute Alternative darstellen. So freut er sich über die Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, wenn er an der Fleischtheke seine mitgebrachte Tupperdose mit seiner Bestellung füllen lässt. „Es ist super wichtig“, sagt er, dass man sein Verhalten zeige und andere zum Nachmachen anrege.

So sind auch die Pfandringe an den Mülleimern Duisdorfs ein gutes Beispiel für ihn, deren Nutzen zurzeit von Bonnorange getestet wird (der GA berichtete). „Sie machen zunächst einmal bewusst, dass nicht alles Müll ist, was man wegwirft“, sagt er. Darüber hinaus begrüßt er, dass durch das Aufstellen der Pfandflaschen außerhalb des Mülleimers den Menschen ein Wühlen im Müll erspart bleibt, die sich durch das Sammeln der Flaschen ein Zubrot verdienen.

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