Welttag des Radios Radiojournalist aus Bonn spricht über Alltag, Konkurrenz und Branche

Dransdorf · Kein anderes Medium wurde schon so oft totgesagt – und keines hat so oft überlebt: Das Radio. Anlässlich des Welttags des beliebten Massenmediums hat sich der GA erkundigt, wie es in Zeiten von Spotify, YouTube und Co. um die Hörfunkbranche steht.

 Mit einer speziellen Software können sich die Kollegen von Radiojournalist Jörg Bertram von zu Hause aus in Live-Sendungen einwählen.

Mit einer speziellen Software können sich die Kollegen von Radiojournalist Jörg Bertram von zu Hause aus in Live-Sendungen einwählen.

Foto: Benjamin Westhoff

Egal ob zu Hause, im Auto oder bei der Arbeit: Im Alltag bieten sich viele Möglichkeiten, mit nur einem Knopfdruck zu erfahren, was in der Welt passiert. Obwohl das Radio seit einiger Zeit mit vielen Streamingdiensten wie Apple Music oder Deezer mithalten muss, bleibt es weiterhin erfolgreich, meint Radiojournalist Jörg Bertram.

Seit 2002 ist er Chefredakteur von Radio Bonn/Rhein-Sieg (RBRS) und beobachtet die Entwicklungen in der Branche stetig. Zwar werde die Liste der Konkurrenten immer länger, vermeintliche Prognosen à la „Video kills the radio star“ hätten sich aber bislang nie bewahrheitet, sagt Bertram. Tatsächlich erreicht RBRS laut Hörerzahlen der elektronischen Medienanalyse täglich rund ein Drittel aller Menschen aus der Region. Um diese Reichweite zu behalten, sei es wichtig, dem Zeitgeist zu folgen, so der Journalist. Insbesondere die Aktualität, Verlässlichkeit und Nähe zum Hörer seien wichtig für den Erfolg. „Wir setzen beim Programm auf vertraute Stimmen, also den guten Freund aus dem Radio“, sagt Bertram.

Verkehr und Wetter sehr gefragt

Bei den gefragtesten Beiträgen, Verkehr und Wetter, sei der Sender gut aufgestellt, etwa mit eigenen Wetterstationen und Hintergrundinfos zu Unfällen. Auf diese Weise biete das Radio seinen Hörern einen zusätzlichen Mehrwert und sei Konkurrenten wie dem mobilen Wetterdienst oder den Staumeldungen auf Google Maps immer einen Schritt voraus.

Im Vergleich zu Lokalsendern würden überregionale Sender zudem nicht unbedingt über die Verkehrslage auf Bundesstraßen berichten. „Wenn aber auf der Margarethenhöhe ein Stau ist, dann wird das bei uns zu hören sein“, so der Redakteur. Häufig seien es die Hörer selbst, die Verkehrsunfälle ins Studio melden würden, „teilweise noch bevor sie die Polizei anrufen“, berichtet Bertram.

Prüfung der Informationen wichtig

Gerade in Zeiten der schnellen Informationsbeschaffung im Internet seien Aktualität und verifizierte Informationen im Lokalradio sehr wichtig, weiß der Bad Honnefer. Im Gegensatz zu früher habe man sich bei den Sendungen auch vom klassischen gebauten Beitrag gelöst und setze mittlerweile mehr auf Kollegengespräche im Podcast-Stil und auf Mitmach-Formate. „Die Hörer können uns immer anrufen oder auf WhatsApp schreiben.“

Auch dem Trend zu zeitsouveräner Nutzung von Medien versucht das Radio mit zusätzlichen Services zu begegnen. Schließlich wolle man für die Hörer da sein, egal ob über Alexa, in Podcasts oder im Internet. Das Hörfunkformat bleibe aber dennoch das Kerngeschäft. „Die Prime-Time, die vorher zwischen 6.30 Uhr und 7 Uhr losging, hat sich durch das Home-Office seit Pandemiebeginn um etwa eine Stunde nach hinten verschoben“, sagt Bertram.

Und auch die Produktion der Beiträge laufe inzwischen hauptsächlich von zu Hause aus. Durch eine spezielle Software auf dem PC können sich die Moderatoren aus ihren Heimbüros in die Live-Sendungen schalten, so der Chefredakteur. Für die wenigen Mitarbeiter, die nicht ins Home-Office können, etwa weil sie moderieren oder in der Verwaltung arbeiten, habe man ein strenges Hygienekonzept erarbeitet. Solange das Radio sich dem stetigen Wandel der Zeit anpassen könne, sagt Bertram, werde es für viele Nutzer auch nach der Pandemie ein unverzichtbares Medium bleiben. „Wie wir uns in fünf Jahren entwickeln, wird sich dann zeigen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort