Bonner Förderprogramm Wie gehandicapte Kinder im Wald zur Ruhe kommen

Bonn · Der Förderverein Psychomotorik hilft Kindern mit unterschiedlichen Diagnosen, im Wald mit anderen Kindern in Kontakt zu kommen. Dabei sollen auch benachteiligte Kinder angesprochen werden.

Jonas Ilstadt vom Förderverein Psychomotorik Bonn betreut die Kinder im Wald.

Foto: Benjamin Westhoff

„Aus dem Weg!“, schallt es vom Baum links. Dort steht ein Kind auf einer Bank mit einem an einem Seil befestigten Ball in der Hand. Geduldig wartet der Junge, bis alle die Bahn freigemacht haben. Dann schwingt er sich auf den Ball und rutscht das Seil entlang. Zwar nicht mit besonders viel Tempo, sichtlich Spaß hat er dennoch.

Ein schönes Bild, und von Bildern dieser Art bieten sich in der Ferienfreizeit des Fördervereins Psychomotorik Bonn viele. In der fünften und sechsten Ferienwoche wird das Programm dieses Jahr angeboten. Der Start war im Jahr 2019 und seitdem können jedes Jahr in den Sommerferien einige junge Menschen Zeit im Freien verbringen. Auch Corona konnte das Programm nicht stoppen, und so konnten die Kinder auch mit Hygieneauflagen der Wald unsicher machen.

Kinder können den Wald so richtig entdecken

„Hier können die Kinder den Wald so richtig entdecken“, sagt Jonas Ilstad, der Leiter des Programms. „Viele haben außerhalb des Angebots nicht die Möglichkeiten dazu. Wir bringen ihnen bei, dass man keine Turnhalle und nicht viel Spielzeug braucht, um Spaß zu haben.“ Das ist eins von vielen Zielen, die Ilstad mit seinem Programm verfolgt. Die Kinder lernen darüber hinaus auch den Umgang mit anderen Kindern und Menschen. „Die Kinder hier haben allerlei Diagnosen und einige würden in einer normalen Ferienfreizeit definitiv Probleme haben, Anschluss zu finden. Hier haben sie die Möglichkeit, soziale Erfahrungen zu sammeln“, erklärt der 29-Jährige. Konflikte unter den Kindern gebe es nur höchst selten, und dann handele es sich meistens um Diskussionen, die schnell geklärt seien. „Was dabei hilft, ist, dass das Gelände hier sehr weitläufig ist, da kann jedes Kind auch ausweichen und jeder hat genug Platz für sich selbst.“

Das Gelände ist das der Waldfreunde Duisdorf nahe der Helios-Klinik auf dem Hardtberg. Es ist durch den Förderverein gemietet und steht für zwei Wochen zu Verfügung. „Die Waldfreunde sind sehr kooperativ, von daher ist das Mieten des Geländes kein Problem“, so Ilstad. Des Weiteren sei es super geeignet, weil man neben Wald auch Hütten zum Unterstellen und Toiletten in der Nähe hat sowie die Möglichkeit zu grillen. Besonders die Hütten seien bei dem Wetter der letzten Tage von Vorteil gewesen.

Ilstad arbeitet beim Förderverein Psychomotorik seit fünf Jahren. Er hat zuvor bereits mit Kindern in einer Kita gearbeitet. Auch im Verein ist sein hauptsächlicher Schwerpunkt die Kinder- und Jugendarbeit, so leitet er außerhalb der Sommerferien auch die einmal in der Woche stattfindenden Gruppenstunden, die vom Verein in einer Turnhalle angeboten werden. Seine Ferienfreizeit empfindet Ilstad deshalb als besonders, „weil wir hier bedürfnisorientiert arbeiten“. Es werden bestimmte Sachen durch die Betreuenden angeboten, die die Kinder dann nach eigenem Belieben wahrnehmen können. Auch kann auf die Wünsche von Kindern eingegangen werden. So war zum Beispiel die anfangs erwähnte Seilrutsche auch die Idee eines Kindes, die Ilstad mit seinem Team dann umgesetzt hat.

Kinder lernen, was sie nicht können

Das Ziel der Psychomotorik ist es, Bewegungsanreize zu schaffen. Die Kinder sollen also von sich aus den Wunsch auf Bewegung durch ein bestimmtes Spiel verspüren und darüber dann lernen, dass Bewegung Spaß machen kann. Außerdem könne die Bewegung den Kindern auch etwas beibringen, so zum Beispiel motorische Fertigkeiten, „aber auch die Grenzen des eigenen Körpers“, wie Ilstad erklärt. „Kinder müssen auch lernen, was sie nicht können.“

Dazu zählen auch kleine Unfälle, die Ilstad nicht als Gefahr, sondern sogar als Bereicherung sieht. „Kinder müssen das Fallen lernen. Sie müssen lernen, wie man sich abfängt und auch, dass es wehtun kann. Das ist wichtig, damit es nicht zu schwereren Unfällen kommt, wenn die Kinder größer werden.“

An der Freizeit können jede Woche 14 Kinder teilnehmen, insgesamt also 28, unter denen sich auch Kinder ohne besondere Diagnose befinden. „Bereits am ersten Tag hatten wir schon 50 Anfragen, wir waren also sofort ausgebucht“, erinnert sich Ilstad. Und auch nach der Ferienfreizeit reiße das positive Feedback durch die Eltern nicht ab. „Die Eltern finden das Angebot hervorragend. Gerade die anstrengenderen Kinder können hier viel lernen und lernen auch etwas Soziales. Und einmal Zeit für sich zu haben, kann ebenso eine Entlastung sein.“

In der Freizeit sind nur wenige Regeln festgeschrieben. „Wollen den Kindern vertrauen“, so Ilstad. Und bisher habe sich das ausgezahlt, ernsthafte Probleme habe es noch nicht gegeben. „Kinder verhalten sich in der Natur anders“, erzählt der Leiter weiter. Und dass das Angebot die Möglichkeit biete, den Wald zu entdecken, sei ein großer Vorteil.