Flüchtlingshilfe in Bonn-Medinghoven „Wir sind mehr als nur eine Kleiderstube“
Medinghoven · Die Kinderkleiderstube der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Hardtberg (OeFH) in Bonn-Medinghoven ist umgezogen. An der Arbeit und dem Angebot hat sich nicht viel geändert. Die Gründerin erklärt, warum es um mehr als Klamotten geht.
„Wozu braucht es eine Kleiderstube?“, stellte Ulrich Hamacher vor fünf Jahren bei der Eröffnung der Kinderkleiderstube in Medinghoven eine rhetorisch Frage. Auch wenn der Geschäftsführer des Diakonischen Werks bei der Neueröffnung der Kinderkleiderstube der Ökumenischen Flüchtlingshilfe Hardtberg (OeFH) Anfang September nicht dabei sein konnte, hat sich an dem von ihm benannten Dilemma nichts geändert: , In Bonn gibt es eine Armutssituation, obwohl das Bruttoinlandsprodukt hier laut Angaben des Statistischen Bundesamtes pro Kopf mehr als 80.000 Euro beträgt.
Geändert hat sich die Adresse der Medinghovener Kinderkleiderstube, die ungeachtet des Names nach wie vor allen Bedürftigen offensteht. Keine 200 Meter von ihrem letzten Standort im Stadtteilbüro der Diakonie in der Briandstraße ist sie nun gegenüber der Medinghovener Grundschule in „Die Wohnung“ der Evangelischen Kirchengemeinde Hardtberg, Stresemannstraße 28, eingezogen.
„Unsere anfängliche Skepsis ist nun eher einer Begeisterung gewichen“, sagt Ursula Tubbesing, die vor fünf Jahren die Kinderkleiderstube ins Leben rief. Zusammen mit Inge Niederhausen hatte sie vor der Entscheidung für den neuen Ort eine Pro-und-Contra-Liste erstellt, wobei damals das Contra deutlich überwog. Man machte sich Sorgen, dass die einfache Erreichbarkeit am angestammten Platz, wo der Bus vor der Türe hielt und Autos zum Ein- oder Ausladen ebenfalls direkt davor parken konnten, am neuen Standort so nicht mehr gegeben ist. Zudem erfordert die Lage neben der Kita Wunderland ein Tor, das sich nicht einfach mit der Türklinke, sondern erst durch einen zusätzlichen, für Kinderhände nicht erreichbaren Schieber öffnen lässt.
„Nach einem Gespräch mit Reinhard Jansen und Irini Dieck von der Sozialberatung der Diakonie, die unseren bisherigen Raum für ihre Zwecke benötigt, haben wir gemerkt, dass wir keine Chance haben: Entweder wir ziehen um oder wir schließen“, erinnert sich Tubbesing. Niederhausen ergänzt rückblickend, dass man ja schließlich auch nicht beratungsresistent gewesen sei. Die Ehrenamtskoordinatorin der Evangelischen Hardtberggemeinde, Ulrike Knichwitz, habe den beiden Frauen dann letztlich die neue Unterkunft in der Wohnung der Hardtberggemeinde „sehr lösungsorientiert schmackhaft gemacht“.
Syrisches Buffet bei der Eröffnungsfeier
Nach einer gelungenen Eröffnungsfeier vor und in den eingerichteten Räumen bei schönstem Sommerwetter hat sich die anfängliche Skepsis inzwischen ins Gegenteil gewandelt. „Wir sind von allen Seiten hervorragend unterstützt worden“, so Tubbesing, die unter den meisten Geflüchteten, die regelmäßig die Kleiderstube und das damit einhergehende Begegnungscafé besuchen, eher als „Frau Ursula“ bekannt ist. „Wir haben zwei um Hilfe gebeten und fünf sind gekommen“, erzählt Tubbesing. Während die Männer Regale ab- und wieder aufbauten und damit die Kleiderstube einrichteten, hätten ihre syrischen Ehefrauen ein „wunderbares Buffet“ für die geladenen Eröffnungsgäste des Netzwerks um die OeFH (siehe Infokasten) bereitgestellt.
„Jetzt sind wir wieder da“, sagt Tubbesing nicht ohne Stolz. Auch während sei es ihnen trotz der restriktiven Corona-Einschränkungen gelungen, mit nur vier ehrenamtlichen Helferinnen den Bedarf an Kinderkleidung und persönlichen Gesprächen durch organisierte Einzeltreffen mit vorheriger Terminabsprache zu erfüllen. „Oftmals ist dadurch der Kontakt sogar intensiver geworden“, so Tubbesing. Sie habe einen Austausch mit den Frauen gehabt, der in größerer Runde kaum möglich gewesen wäre. „Auch wenn die geflüchteten Menschen hier ein scheinbar gutes Leben gefunden haben, tragen sie doch alle ein schweres Schicksal mit sich herum“, so Tubbesing.
„Durch die Arbeit wird man so richtig geerdet“
Manchmal könne man es überhaupt nicht nachvollziehen, sagt Niederhausen, dass die Frauen, zu denen man schon eine Beziehung aufgebaut habe, aufgrund ihrer fehlenden Aufenthaltsgenehmigung plötzlich wieder abgeschoben würden: „Erst durch meine Arbeit in der Kinderkleiderstube habe ich erfahren, mit welchen Ängsten viele Frauen hier Leben“, sagt Niederhausen. „Durch die Arbeit wird man so richtig geerdet.“ Man erkenne, auf welcher „Wolke 7“ wir hier lebten und was dagegen die Geflüchteten zu ertragen hätten. „Es verlässt ja keiner freiwillig seine Heimat, um in ein fremdes Land zu ziehen“, betont Tubbesing.
Aus der Anfangszeit der Kinderkleiderstube sind von den zurzeit vier ehrenamtlich tätigen Frauen nur noch die beiden Syrerinnen Shiraz und Balantina geblieben, die sich insbesondere im Begegnungscafé engagieren. Die Frauen, die ihre Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollen, sind schon seit über 20 Jahren in Deutschland und können oftmals hilfreich bei den Anliegen ihrer Landsfrauen vermitteln.
„Wir sind mit unserem Begegnungscafé und unserem Netzwerk inzwischen weitaus mehr, als nur eine Kleiderstube“, sagt Tubbesing. Viele Geflüchtete seien durchaus in der Lage, auch neue Kinderkleider in den einschlägigen Discountmärkten zu kaufen, aber das Gespräch und vielleicht auch eine konkrete Hilfestellung fänden sie oft nur in der Kinderkleiderstube.
Die Kinderkleiderstube Medinghoven, „Die Wohnung“, Stresemannstraße 28 (Eingang gegenüber der Grundschule), ist jeden Dienstag von 10 bis 13 Uhr geöffnet (außer in den Schulferien). Kleiderwünsche oder -spenden können nach Absprache mit Ursula Tubbesing unter 0173/8002181 entgegengenommen werden.