Abgestürzter Bomber in Bonn Zeitzeugin kennt die Absturzstelle

HARDTBERG · Ganz ist das Rätsel noch nicht gelöst, aber nach dem GA-Bericht gibt es schon Hinweise auf das 1944 über Bonn abgeschossene britische Flugzeug.

Wo zerschellte der Lancaster-Bomber mit der Kennung "SR-U", der bei einem Luftangriff auf Bonn am 28. Dezember 1944 abgeschossen worden war? Diese Frage hatte der General-Anzeiger kürzlich seinen Lesern gestellt. Einige haben sich nun gemeldet.

Wie berichtet, hatte die Enkelin eines der acht getöteten Besatzungsmitglieder eine Anfrage zur Absturzstelle an die AG-Vermisstenforschung gestellt, die ehrenamtlich nach vermissten Flugzeuginsassen sowie Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg sucht. René Karassek, der als eine Art Flugzeugarchäologe für die AG in der Region arbeitet, recherchierte spärliche Hinweise, dass die Maschine am Lengsdorfer Ortseingang nahe des heutigen Konrad-Adenauer-Damms abgestürzt sein könnte. Das versucht Karassek nun mit Hilfe eventueller Zeitzeugen einzugrenzen.

Die erste Resonanz auf den GA-Artikel stimmt ihn optimistisch: Rund ein Dutzend Hinweise hat es gegeben. Mit der Ur-Lengsdorferin Anna Kuhn (80), einer Zeitzeugin, und dem Brüser Berger Hans Brünker (66), der Sohn einer Zeitzeugin ist, trafen sich Karassek und der GA nun am Ende der Lengsdorfer Hauptstraße.

Zehn Jahre alt war Anna Kuhn, die damals an der Brückenstraße in Lengsdorf gewohnt hatte, als im Dezember 1944 die Nachricht im Dorf kursierte: "Es ist ein Flugzeug heruntergekommen." Es habe damals geheißen, es sei ein englischer Bomber abgestürzt. Sie erinnert sich, dass sie sich einen Tag danach zum Wrack aufmachte, "um Splitter zu sammeln". Den Ort lokalisiert Anna Kuhn, 71 Jahre nach dem Vorfall, zwischen der Anschlussstelle Lengsdorf der A 565 und der alten Provinzialstraße, die heute aus Richtung Endenich kommend an der Autobahnauffahrt endet.

Was Kuhn damals gesehen hat? Einen abgesperrten Krater und jede Menge Trümmerteile sowie einen Propeller und Räder. Auch Pilotenstiefel hatte Kuhn an der Absturzstelle entdeckt, "allerdings keine Toten". In etwa dort, wo die Frau Ende 1944 Trümmerteile ausgemacht hatte, will auch eine heute 82-jährige Lengsdorferin damals Wrackreste des Bombers gesehen haben.

Treffen allerdings die Schilderungen von Hans Brünkers inzwischen verstorbener Mutter zu, die ebenfalls Ur-Lengsdorferin war, stürzte der Bomber woanders ab: Irgendwo im südlichen Teil Lengsdorfs, am Mühlenbach. An eine genauere Ortsangabe seiner Mutter kann sich Brünker zwar nicht mehr erinnern, wohl aber an ihre Erzählungen, dass neben Trümmern auch Tote an der Absturzstelle gelegen hatten. Diese seien bald von einem Nachbarn des mütterlichen Hofes an Ort und Stelle beerdigt und später umgebettet worden, sagt Brünker. Seine Mutter hatte an der Uhlgasse gewohnt.

GA-Leser berichten

Wilhelm Hermann aus Roisdorf berichtet, sein Vater, Wilhelm Hermann senior, wusste von einer Flakstellung auf dem Hardtberg, die das Flugzeug abgeschossen habe. Er kann sich auch an ein größeres Trümmerfeld erinnern, das sich etwa 200 bis 250 Meter hinter einem Bauernhof am Ende der Straße Im Mühlenbach befand. Ein Bonner Hobbygärtner, der 1977 ein Stück Land am Mordkapellenpfad nahe der A 565 in Lengsdorf gepachtet hatte, stieß seinerzeit auf "ein Alu-Flugzeugblech, etwa 30 mal 30 Zentimeter groß. Farbe grün/dunkel/matt mit Nieten", so hat er es noch im Kopf. Das Wrackstück besitzt er allerdings nicht mehr.

Josef Kaiser (87) hatte im Mai 1940 als 13-Jähriger bereits einen anderen Flugzeugabsturz über Lengsdorf beobachtet. Er hatte gesehen, wie eine Maschine von der Flak getroffen wurde und dann brennend im Bereich der Hauptstraße/Provinzialstraße abstürzte. Fünf tote Besatzungsmitglieder lagen nach Aussage von Kaiser an der Absturzstelle und wurden dann auf dem Nordfriedhof beigesetzt. Auch habe die Maschine Bomben an Bord gehabt, die später gesprengt worden seien.

Der Absturz dieser Maschine sei bestens dokumentiert, so Flugzeugarchäologe René Karassek. Es habe sich um einen zweimotorigen britischen Bomber vom Typ Armstrong Whitworth A.W.38 Whitley gehandelt. Der abgeschossene Bomber sei allerdings am 30. Juni 1940 von der Ückesdorfer Flak getroffen worden, wobei die Trümmerteile am Ortsrand von Lengsdorf niedergingen. Die fünfköpfige Besatzung ist laut Karassek umgekommen. Einen weiteren Bomberabsturz hat er für den 27. April 1943 recherchiert: Dabei zerschellte eine viermotorige Halifax mit der Seriennummer HR 778 nahe der Bahngleise im Kottenforst.

René Karassek berichtet über seine Recherchearbeit

Mit René Karassek von der AG Vermisstenforschung sprach Axel Vogel über die Suche nach dem abgestürzten Bomber.

Wie hilfreich waren die Hinweise der GA-Leser?
René Karassek: Die Befragung war ausschlaggebend zur Lokalisierung der möglichen Aufschlagpunkte der Wrackteile, da bislang unklar war, ob der Bomber durch eine Explosion in der Luft in Einzelteilen herabstürzte oder als komplette Maschine aufschlug. Im Vorfeld gab es Hinweise, dass die acht Besatzungsmitglieder an zwei unterschiedlichen Orten tot aufgefunden wurden. Wir gehen nun auch davon aus, dass die Explosion der Maschine bereits in der Luft erfolgte, da durch die Zeitzeugen zwei unterschiedliche Absturzbereiche fokussiert wurden.

Dann kann es also sein, dass sich die unterschiedlichen Beschreibungen der Zeitzeugen zu der Absturzstelle durchaus ergänzen?
Karassek: Ja, das kann in der Tat bei einer Explosion der Maschine in der Luft der Fall sei. Dann können Trümmerteile verstreut in der Umgebung zu Boden gefallen sein. Wir gehen momentan von zwei Aufschlagstellen aus, je im Bereich Lengsdorf. Nähere Angaben wollen wir aber vorab noch nicht machen.

Fühlen Sie sich bestätigt, dass der Bomber Ende 1944 tatsächlich in Lengsdorf abgestürzt ist?
Karassek: Durch die Aussagen der Zeitzeugen gehen wir mittlerweile zu 90 Prozent davon aus. Wenn eine Detektorsuche in den beiden Bereichen erfolgreich wäre und auch noch passende Bauteilnummern auf Wrackteilen gefunden werden, kann man zu 100 Prozent sicher sein.

Nehmen Sie noch Bodensondierungen vor?
Karassek: Ja. Dazu ist aber das Okay der jeweiligen Grundstücksbesitzer von Nöten. Möglicherweise werden sich weitere Anhaltspunkte nach einem Gespräch mit einem engagierten Luftfahrtinteressierten ergeben, der sich ebenfalls gemeldet hat und der angebliche größere Wrackteile besitzt, die von dem gesuchten Lancaster-Absturz stammen sollen. Aufklären wollen wir noch, was mit den toten Besatzungsmitgliedern nach Auffinden am Absturzort passiert ist. Hier setzte ich auf Kirchenämter und Kirchengemeinden sowie auf weitere Hinweise, die zu dem Absturzdatum am 28. Dezember 1944 passen. Auch will ich noch einem Hinweis zu einem anderen Absturz nachgehen.

Welcher ist das?
Karassek: Ein Zeitzeuge aus Ippendorf hat gegen Kriegsende den bislang unbekannten Absturz eines deutschen Jägers vom Typ Me 109 beobachtet, bei dem der Pilot aber mit dem Fallschirm abspringen konnte. Dieser Abschuss soll durch eine amerikanische P-38 Lightning erfolgt sein.

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