Serie "100 Köpfe" Helge Fechner hat 1000 Cocktails kreiert

BONN · Ein guter Barkeeper muss nicht nur Cocktails mixen können. Er leistet Gesellschaft, macht Fremde zu Freunden und Singles zu Paaren. Er ist Entertainer und Psychologe und, wenn es sein muss, auch mal Beichtvater. So viel zum Klischee. Helge Fechner aus Muffendorf ist Barkeeper aus Berufung. Er weiß nicht nur genau, wie man einem Gast einen maßgeschneiderten Drink serviert, sondern außerdem Geheimnisse zu bewahren. Von 1986 bis 1992 war Fechner Barchef vom Bonner Presseclub.

Ob Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher oder Franz-Josef Strauß - sie alle waren zu Gast bei Fechner. An seinem Tresen wurde Politik abseits des Bundestages gemacht und so manche journalistische Geschichte geboren. Heute gilt die Leidenschaft des 67-Jährigen vor allem der Kunst.

"Bevor ich den Presseclub übernehmen durfte, musste ich erst einmal zum BKA (Bundeskriminalamt), wo ich komplett durchleuchtet wurde", erinnert sich Fechner. Schließlich war es die Zeit des Kalten Krieges und der RAF. "Als Barkeeper bekommt man ja zwangsläufig so einiges mit, was nicht für die eigenen Ohren bestimmt ist."

Auf einmal "war ich plötzlich ständig mit Leuten zusammen, die ich sonst nur im Fernsehen sah", erzählt der 67-Jährige. Am meisten habe ihn Franz-Josef Strauß beeindruckt, den er nicht nur in seiner Bar, sondern auch auf Weihnachtsfeiern im Ministerium bewirtete. "Selbst angeschickert konnte er noch jedem nüchternen Journalisten locker die Stirn bieten." Unvergessen blieb ihm auch Rudolf Augstein. Der Spiegel-Gründer kam in den Presseclub und bat Fechner, dass er sich zu ihm setze. "Ich machte ihm einen Kaffee und einen Cognac und unterhielt mich eine Stunde lang mit ihm über Gott und die Welt."

Auch nach fast 30 Jahren im Rheinland schwingt in den Sätzen des gebürtigen Bremers noch immer der Klang der Küste mit. Fast könnte man glauben, bei seinen Anekdoten handele es sich um Seemannsgarn - mitnichten. Eine Sammlung von Cocktailshakern aus der ganzen Welt sowie Pokale und Fotos stehen wie zum Beweis aufgereiht in den Vitrinen seines Hauses am Muffendorfer Berghang. Von hier oben ergibt sich ein sagenhaftes Panorama vom Kölner Dom bis nach Bad Honnef.

Nach dem Umzug der Regierung nach Berlin habe Helmut Kohl versucht, ihn an die Spree zu locken. Doch das kam für ihn und seine Frau nicht in Frage. "Wo hätten wir denn dort etwas Vergleichbares gefunden. Wir hätten auf den Fernsehturm ziehen müssen."

Dennoch wird Fechner den 20. Juni 1991 wohl nie vergessen. Das Ende der Bonner Republik bedeutete auch das Aus des Presseclubs. Die Abstimmung des Bundestages verfolgte er live mit seinen Gästen. "Wir waren eigentlich sicher, dass Bonn Hauptstadt bleiben würde." Dementsprechend groß war die Enttäuschung. Einige Gäste brachen sogar in Tränen aus. Statt nach Berlin umzuziehen, bewarb sich Fechner, der sich heute selbst als "Bonner, Godesberger und Muffendorfer" versteht, an der Ausschreibung um die Vergabe der Gastronomie im Haus der Geschichte. Er gewann und bewirtete von 1994 bis 2002 insgesamt sechs Millionen Besucher.

Heute mixt der 67-Jährige hauptsächlich auf Messen und im Auftrag von Firmen im In- und Ausland. Außerdem hat er eine weitere Leidenschaft entdeckt: "Eat Art" nennt er seine Bilder, in denen er Gläser, Korken, Gewürze, Hülsenfrüchte oder verschiedene Nudelsorten zu kulinarischen Collagen verarbeitet. Gerade arbeitet er an einem Werk für ein chinesisches Restaurant in Essen und auch auf verschiedenen Ausstellungen waren seine Bilder bereits zu sehen. Immer wieder begegnet dem Betrachter darin Fechners unverstellte Liebe zur Gastronomie, die sein berufliches Leben bestimmt hat.

Rund 1000 Cocktails hat Fechner übrigens kreiert. Sein Lieb-lingsdrink ist der "Whiskey-Mac". "Scotch, Gingerwine und eine Scheibe Orange - das ist schon alles, aber es ist genial", schwärmt Fechner. Immerhin: Ein Geheimnis hat er dann doch verraten.

Typisch bönnsch

Mit gefällt an Bonn, dass es alle Vorzüge einer Großstadt hat, obwohl es sich oft den kleinstädtischen Charakter bewahrt hat.

Mein Lieblingsort ist das wunderbare Muffendorf mit seinen vielen Fachwerkhäusern und der herrlichen Mischung aus Muffendorfern und vielen internationalen zugezogenen Bewohnern.

Ich vermisse, dass die Verantwortlichen des WCCB-Desasters nicht konsequenter juristisch bestraft worden sind.

Typisch bönnsch ist für mich rheinisch gelebte Gelassenheit, gastronomische Vielfalt, eine intakte Nachbarschaft.

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