Hightech im Untergrund

Von den Kanalarbeiten in der Alten Bahnhofstraße ist an der Oberfläche außer einer Baugrube kaum etwas zu sehen

Hightech im Untergrund
Foto: Volker Lannert

Bad Godesberg. Eine schmale Leiter führt steil hinab in die Unterwelt. Und schon ist das Treiben auf der Alten Bahnhofstraße ganz weit entfernt. Während dort Passanten ihre Einkäufe erledigen, kriechen fünf Meter unter ihnen zwei Männer durch eine Tunnelröhre:

Werner Baur, Leiter des Abteilung Abwasser im Tiefbauamt der Stadt, und Peter Henning, Mitinhaber der Baufirma "Himmel & Hennig" aus Rheinbach.

Seit Februar 2008 (mit Unterbrechungen im Weihnachtsgeschäft und Karneval) wird an der Kanalsanierung in der Alten Bahnhofstraße gearbeitet. Das Ende ist für den 25. Mai festgelegt. Derzeit fallen am Bauplatz an der Ecke zur Koblenzer Straße vor allem die nagelneuen Betonrohre mit sogenanntem Ei-Profil ins Auge. Die werden alle unter der Erde verschwinden. Doch was passiert eigentlich genau in der 114 Meter langen Röhre zwischen Koblenzer und Moltkestraße?

Die Männer stehen am Boden der sogenannten Startgrube, dort, wo die Alte Bahnhofstraße auf die Koblenzer Straße stößt. Dort wird die neue Röhre an einen großen Verteilerschacht angeschlossen, eine Kanalröhrenkreuzung sozusagen, die mitten unter der Koblenzer Straße liegt. Blickt man in Richtung Moltkestraße, sieht man in einen leeren, von wenigen Baustellenlampen erleuchteten Tunnel. Auf dem Boden ist ein Gleis verlegt, im Gleisbett schimmern flache Wasserpfützen.

Es ist kühl und feucht, aber es stinkt nicht. Kein Wunder: Das Abwasser aus den Häusern wird links und rechts in provisorisch verlegten Plastikrohren abgeleitet. Ganz in der Ferne schimmert ein Lichtfleck: Dort führt ein kleiner Schacht wieder an die Oberfläche. Dazwischen liegt ein Tunnel, der mit mittels eines neuartigen "Spritzbetonschildvortriebs" ins Erdreich getrieben wurde.

Ein kreisrundes, zwei Meter durchmessendes "Schild", das allerdings viel mehr einem Abschnitt einer riesigen Metallröhre ähnelt, wurde dabei rund 75 Zentimeter ins Erdreich vorgetrieben. Dann baute man das Erdreich innerhalb des Schildes ab. Die Wand des so entstandenen Hohlraums wurde sofort mit druckbeständigem Spritzbeton ausgekleidet.

Nach und nach wurden dann die Gleise verlegt, die der Baustelle, trotz der aufwendigen Hightech-Buddelei, eine seltsam altertümliche Bergwerk-Atmosphäre verleihen. Auf den Schienen rollt ein flacher Transportwagen. Er dient dazu, die neuen Rohre in Richtung Moltkestraße zu schieben.

Zuvor müssen die drei Tonnen schweren Ungetüme zentimetergenau in die Startgrube hinab gelassen werden. Kanalsanierung ist also eigentlich eine Untertreibung für das, was sich unter der Alten Bahnhofstraße abspielt. Im Grunde handelt es sich um eine Neuverlegung. Der alte Abwasserkanal war noch direkt vor Ort in Beton gegossen worden und nach rund hundert Jahren marode.

"Eine offene Bauweise wäre natürlich kostengünstiger und zeitsparender gewesen", erklärt Werner Baur, "hätte aber den Geschäftsbetrieb zu stark beeinträchtigt." Vollends wie einem Bergwerk fühlt sich, wer vom Tunnel in einen der vielen Stollen links und rechts blickt, die zu den Hausanschlüssen führen. Grubenarbeiter, auch Mineure genannt, haben sie rundum mit Holzbalken ausgekleidet.

Jeder dieser Stollen ist zwischen sieben und acht Meter lang, das gesamte Gangsystem summiert auf rund 200 Meter. Die Unterwelt der Alten Bahnhofstraße erinnert ein bisschen an den legendären Untergrund von Paris - für schräge Partys fehlt allerdings der Platz.

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