"Ich habe gehört, was ich gehört habe"

BONN · Im Prozess um das World Conference Center Bonn (WCCB) versuchen die Richter herauszufinden, wer wann welche Weiche für SMI Hyundai und Kim gestellt hat.

Im dritten Baustillstands-Winter: das WCCB (hier das Hotel). Warum das so ist, versucht gerade das Gericht zu klären.

Im dritten Baustillstands-Winter: das WCCB (hier das Hotel). Warum das so ist, versucht gerade das Gericht zu klären.

Foto: Volker Lannert

In Prozessrunde eins um das "Millionengrab" World Conference Center Bonn (WCCB) erkunden der Vorsitzende Richter Jens Rausch und seine Kollegen weiter die Investor-Findungsphase in 2004 und 2005. Seit Wochen werden dazu Zeugen vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts befragt.

Deren Antworten sollen Nebel lichten: Warum wurde die weitgehend mittellose Firma SMI Hyundai Corporation des Angeklagten Man-Ki Kim zum Investor gekürt? Hat das jemand beeinflusst, etwa der für die Stadt freiberuflich tätige Michael Thielbeer? Und welche Rollen spielten Kims Rechtshelfer Ha-S. C. oder Wolfditrich Thilo? Und was beeinflusste im Hintergrund die Stadt selbst?

In den vergangenen Tagen wurden zur WCCB-Frühzeit - getrennt voneinander - befragt: Peter Girkens (56) und Michael Schäfer (46), beide Rechtsanwälte des zunächst als WCCB-Investor ausgewählten Heinz-Dieter Kals (IKBB AG), Hubert Ludwig (60), IKBB-Interimsvorständler, und Stefan Schäfer (42), Bruder des vorgenannten Michael Schäfer.

Stefan Schäfer wurde Mitte 2005 als Marketing-Experte hinzugezogen. Alle standen in Diensten von Kals, der einen Projektvorvertrag mit der Stadt Bonn hatte. In die zum Zweck des WCCB-Baus von Kals formierte IKBB AG i.G. war Mitte 2005 Kim mit seinem SMI-Hyundai-Tross dazugestoßen, und zwischen allen Beteiligten agierte - offiziell im Auftrag der Stadt - Thielbeer.

Ende 2005 hatte der Bonner Stadtrat sich aufgrund von Informationen, die Thielbeer zusammengestrickt hatte, für den Investor SMI Hyundai "mit Konzernhintergrund" entschieden. Monate später verteilte Thielbeer - offenbar im Einvernehmen mit der Stadt - SMI-Hyundai-Visitenkarten.

Heute weiß Bonn mehr: Das Kürzel "Hyundai" im Namen von Kims Firma war Blendwerk, und ein "Konzern", der das WCCB mit starker wirtschaftlicher Hand zu Ende baut, existierte nie. Inzwischen geht die Ruine durch ihren dritten Stillstandswinter. Vor diesem Hintergrund versucht Richter Rausch herauszufinden, wer welche Weiche wofür wann oder aus Eigennutz bewusst oder unbewusst grob fahrlässig stellte.

Zu diesem Zweck schaltet das Gericht sogar live nach Washington, um einen Zeugen zu befragen. Die Vernehmung des ehemaligen SMI-Zuarbeiters Fred Fare dauerte kürzlich bis 1.57 Uhr - und alle mussten durchhalten: Richter, Anwälte, Schöffen, Angeklagte, Justizwachtmeister. Manches Augenlid klappte da einfach zu.

Bis wesentliche Sätze fallen, kann es Stunden dauern. Viel dreht sich um die Frage, ob und warum die Stadt Thielbeers Honorar einem Investor um den Hals hängen wollte? Wurde derjenige Investor, der zahlte? Dabei geht es rein zahlenmäßig im Verhältnis zum XXL-Millionengrab des WCCB eher um Peanuts, um genau 32 115,76 Euro. Aber auch kleinste Kieselsteine können Weichen stellen.

Anwälte, die Zeugen sind, wissen genauer als andere, was sie sagen. Girkens kann sich nicht an viel erinnern, aber daran genau: Dass Thielbeer bei einem Kals/Kim-Treffen gesagt habe: Er sei froh, hier dabei zu sein, denn von seinem Votum hänge ja ab, wer den Zuschlag erhalte. Michael Schäfer sagt, die Leute von SMI Hyundai hätten "einen professionellen Eindruck" gemacht. "Dann kommt ein großer Namen aus Korea", sagt Schäfer, und die "Gesprächsatmosphäre mit der Stadt" habe sich geändert.

Sein Bruder Stefan spricht bei SMI von "einer vermuteten Finanzstärke". Er habe beobachtet, dass Kals durch die SMI-Offensive immer mehr ins Hintertreffen geriet. Rausch fragt: "Welche Infos gab es zu SMI?" Stefan Schäfer: "Nichts Belastbares." Der Richter fragt nach Führungsrollen. Schäfer: "Chefs waren mit Sicherheit viele."

Schon rein rhetorisch ist Hubert Ludwig als Zeuge ein ganz anderes Kaliber. Es dürfte selten sein, dass frühpensionierte, ausrangierte Lokführer zum Vorstand einer Projekt-AG, die ein Weltkongresszentrum im Visier hat, werden. Ludwig hat diese Karriere hinter sich. Nicht, weil er das anstrebte, sondern weil sein Chef Kals das so wollte. Denn die Stadt hatte herausbekommen, dass Kals vorbestraft war.

Also musste Ludwig, Fahrer von Kals und nebenbei Vorsitzender des 1. FC Aachen, als IKBB-Repräsentant ran. Ludwig mache, wie Kims Verteidiger Walther Graf anmerkt, "aus seinem Herzen keine Mördergrube". Oder Ludwig, ein Mann maximaler Authentizität.

Zeuge Ludwig sagt, dass er, damals im Juni 2005, den Eindruck gehabt habe, "dass hier etwas Großes entsteht". Alle hätten sofort angefangen, "wie verrückt zu arbeiten". Einmal habe er gehört, dass Thielbeer Kals gefragt habe: "Ist der Scheck hinterlegt? Sonst sehe ich schwarz für das Projekt." Zuerst habe er sich darauf keinen Reim machen können.

Erst nach der Mail der städtischen Projektleiterin Eva-Maria Zwiebler am 20. Juni 2005 sei "ihm ein Licht aufgegangen". Darin wurde die IKBB AG nochmals eindringlich aufgefordert, Thielbeers städtische Berater-Rechnung zu zahlen. Als Kims und Thielbeers Anwälte nachfragen, entgegnet Ludwig: "Ich habe gehört, was ich gehört habe." Aber könne er auch ausschließen, dass mit dem Scheck die Begleichung der Architekten-Preisgelder und nicht Thielbeers Honorar gemeint gewesen seien? Ludwig: "Ausschließen, ausschließen - ausschließen kann ich gar nichts." Auf der Goldwaage des Wortes ist Ludwig kaum zu Hause.

Nach zahlreichen Zeugenaussagen verliest Thielbeers Anwalt Joachim Albert eine Stellungnahme. Danach könne die Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen seinen Mandanten wegen korruptiven Verhaltens nicht mehr länger aufrecht erhalten.

Auch die Richter lesen gelegentlich vor, genauer: Sie verlesen Urkunden. Auch Mails können Urkunden sein. Einige sind schon sieben Jahre alt. Ein Mail-Verkehr taktete im Februar/März 2004 durch das Netz - zwischen Horst Schallenberg, Leiter des Rechnungsprüfungsamtes (RPA), Zwiebler und ihrem Projektkollegen Arno Hübner. Es geht um einen Vertrag für Thielbeer. Zwiebler will keine Ausschreibung für die Beraterleistung. Sie mailt an Schallenberg, die geschätzten Kosten lägen "unter 10.000 Euro", weshalb man auf ein Markterkundungsverfahren verzichten könne.

Schallenberg argumentiert dagegen. Zwiebler mailt Hübner: "Da sitzen wohl nur Theoretiker - nichts für die Akten, nur zum Frustabbau." Hübner ergänzt zustimmend: "Und oberlehrerhaft." Später setzt sich die Projektgruppe durch. Zwiebler an Hübner: Mit der RPA-Stellungnahme könne man leben. "Dann hätten wir die Sache rund." Das RPA resümiert: Das passe alles kaum zu dem, was man innerhalb der Stadt Bonn "im Rahmen der Korruptionsprävention miteinander vereinbart hatte."

Später wurde Thielbeer weit teurer als 10.000 Euro. Und heute ist Kim, der Thielbeers Beraterhonorar-Rechnung an die Stadt zahlte, unter anderem der Bestechung und Thielbeer der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr angeklagt. Thielbeer soll, so die Staatsanwaltschaft Bonn, für seine Kim/SMI-Hyundai-Empfehlung an die Stadt später "300.000 Euro netto" erhalten haben.

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