Liebesschlösser in Bonn Immer mehr Menschen bekunden so ihre Liebe

BEUEL/BONN · Wie romantisch: Ein junges Paar verspricht sich die ewige Liebe, graviert seine Vornamen in ein Vorhängeschloss, hängt es - klick - an ein Brückengeländer und schmeißt den Schlüssel in den darunter fließenden Strom. Eine ganz private Angelegenheit wird durch das Schloss für jeden sichtbar und bleibt doch ein Geheimnis. Wer steckt wohl dahinter?

Was an der Kölner Hohenzollernbrücke mittlerweile ein von Tausenden vollzogener Brauch geworden ist, schwappt nun - rheinaufwärts - nach Bonn. An der Kennedybrücke hat es mittlerweile schon mehrfach klick gemacht. Auch am Geländer über dem Poppelsdorfer Weiher haben sich nun Flo und Gisa und ein paar andere gegenseitig Liebe versprochen.

"Das ist ja lustig. Der Anfang ist gemacht", sagt ein überraschter Andreas Archut, Sprecher der Uni Bonn, und hält das ganze für eine sympathisches gesellschaftliches Phänomen. Das Tiefbauamt der Stadt ist bei seinen jährlichen Kontrollen zufällig auf die Schlösser an der Kennedybrücke gestoßen.

Eigentlich gibt es dafür auch nur eine brauchbare Stelle, wie Stefanie Zießnitz vom Presseamt der Stadt sagt. Auf der nach Köln zugewandten Seite befindet sich eine Art Gitter, wo irgendwann eine Geländerbeleuchtung angebracht werden könnte. Bis es soweit ist, "lassen wir die Schlösser erst mal hängen".

So gelassen hat sich die Deutsche Bahn vor rund zweieinhalb Jahren nicht gezeigt, als sie die ersten Liebesbeweise an der Kölner Hohenzollernbrücke mit Bolzenschneidern abknipsen wollte.

Die Kölner Lokalpresse hatte das Thema schnell zu ihrer Sache gemacht, heute hängen mehr als 20.000 Schlösser in allen Formen und Größen an dem Gitter der Fußgänger- und Eisenbahnbrücke, wie Forscher vor ein paar Monaten nachgezählt haben. Mittlerweile singen die Höhner mit "Schenk mir dein Herz" bereits ein Lied davon.

Doch wie fing das alles an? Eine Kollegin aus Köln hatte im September 2008 Dagmar Hänel, die Leiterin der Abteilung Volkskunde im Landschaftsverband Rheinland (LVR) in Bonn, informiert: "Da hängen Vorhängeschlösser an der Hohenzollernbrücke."

Da waren es erst ein gutes Dutzend. "Schließt da vielleicht jemand sein Fahrrad an?", fragte sich Hänel. Aber das wäre "vollkommen idiotisch". So dauerte es ein wenig, und sie kam auf die Liebesschlösser, die es auch von Italien bis runter ins Baltikum und in St. Petersburg gibt.

Sogar in den Bergregionen Chinas an Straßenbegrenzungen auf den Wegen zu Klöstern. "Wir dachten, da ist der Ursprung", sagt Hänel. Pustekuchen. Die Sinologen der Uni Bonn stellten schnell fest, dass es sich um ein recht neues Phänomen handelt - von europäischen Touristen eingeschleppt.

So ist die Sache mit den Schlössern ein Ende des 20. Jahrhunderts entstandenes Ritual. Es ging wohl los in Rom oder Florenz, so Hänel. Die meisten Schlösser hängen heute in der Ewigen Stadt an der Milvischen Brücke über dem Tiber.

In Köln haben nicht nur Jungverliebte ihre Spuren hinterlassen. Auch Menschen, die mit einem Schloss ihre Liebe zur Stadt ausdrücken wollen. Familien hängen ein Papa-Mama-Schloss an, darunter mehrere kleine für ihre Kinder. Es gibt Freundschaftsschlösser, Symbole von Abschlussklassen und glitzernde, pinke Dinger wohl von jungen Mädchen. Ein Kölner hat eine Art Todesanzeige mit Lebensdaten befestigt.

Neben riesigen antiken Hinguckern zeugen Zahlenschlösser von der Vergänglichkeit der Liebe, "dem Lebensabschnittsgefährten", so Hänel. Das sei in Hinblick auf die Scheidungsrate ehrlicher.

"Die erste Liebe ist meist nach drei bis vier Monaten vorbei." Trotzdem stünden die Schlösser für den Wunsch, die Liebe solle ewig dauern - ein Zeichen gegen den Werteverfall. Wichtig ist laut der Volkskundlerin aber auch, dass der Ort interessant ist. Die zugige und laute Hohenzollernbrücke etwa stehe mitten in der kölschen Heimat - den Dom, Rhein und Hauptbahnhof im Blick.

Ob "der schöne Brauch" an der Kennedybrücke Fuß fassen wird, weiß Hänel noch nicht. Am Weiher vielleicht eher - ein Symbol für die Poppelsdorfer und Studenten. Und vielleicht sind es auch die 130 Nationen an der Uni, die den Brauch weiter in die Welt hinaustragen, wie Archut sagt. Er hofft nur, dass sich die Enten nicht an den ins Wasser geworfenen Schlüsseln verschlucken.

Dagmar Hänel sucht Bonner, die selbst ein Schloss aufgehängt haben. Sie ist über (02 28) 98 34 261, dagmar.haenel@lvr.de, zu erreichen.

Zur PersonEine schönere Arbeit als die Erforschung von Bräuchen kann sich Dr. Dagmar Hänel kaum vorstellen. "Oftmals verschwinden sie, aber hier, bei den Liebesschlössern, ist ein Brauch im Aufschwung", sagt die 41-jährige Leiterin der Abteilung Volkskunde beim LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte Bonn. Das Interessante: Die Gewohnheiten der Menschen verraten etwas über die Gesellschaft. Hänel, die schon zahlreiche Bücher und Schriften veröffentlicht hat, mag das Thema Liebesschlösser ganz besonders.

"Denn sonst beschäftige ich mich mit Tod und Beerdigung." Wichtig ist Dagmar Hänel, die sich für den Verbleib der Volkskundler an der Bonner Uni einsetzt, dass alle Forschungsergebnisse den Menschen in einer verständlichen Sprache vermittelt werden. Zum Beispiel beim Vortrag am 3. Mai, ab 14 Uhr im Landesmusem an der Colmantstraße. Da geht es bei "Symbole von Liebe und Beziehung" auch um die Schlösser.

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