Corona-Beschränkungen Joseph-Woelfl-Haus überträgt Klassikkonzert im Internet

Lessenich-Meßdorf · Wegen der Corona-Beschränkungen überträgt Joseph-Woelfl-Haus in Bonn an diesem Sonntag ein Live-Konzert im Internet. Woelfl-Kenner auf fünf Kontinenten warten bereits darauf.

 Sopranistin Anna Christin Sayn (von links), Margit Haider-Dechant und Hermann Dechant proben den Ablauf für das Woelfl-Konzert am Sonntag.

Sopranistin Anna Christin Sayn (von links), Margit Haider-Dechant und Hermann Dechant proben den Ablauf für das Woelfl-Konzert am Sonntag.

Foto: Stefan Hermes

„Setzt euch zusammen und trinkt vielleicht auch ein Glaserl Wein dazu“, ist ein Herzenswunsch der habilitierten Konzertpianistin Margit Haider-Dechant, wenn sie über das an diesem Sonntag, 12. Juli, stattfindende Live-Konzert spricht. Wegen der aktuellen Beschränkungen gibt es eine Video-Übertragung aus dem Woelfl-Haus über das Internet. Woelfl-Kenner und -Liebhaber auf fünf Kontinenten erwarten das Konzert bereits.

Zumindest überall dort, wo inzwischen die ehemaligen Studierenden des Musikerehepaars Margit Haider-Dechant und Hermann Dechant leben. Neben den mehr als 200 Mitgliedern der erst 2015 ins Leben gerufenen Bonner Joseph-Woelfl-Gesellschaft (JWG) und denen ihres Pendants, einer bereits seit 2011 von Haider-Dechant in Wien gegründeten internationalen Gesellschaft, wird das Konzert vor allem auch für diejenigen interessant sein, denen Joseph Woelfl (1773 bis 1812) noch kein Begriff ist.

Geboren in Salzburg gilt Woelfl als Zeitgenosse Mozarts und Beethovens einer der erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit. Er war als Komponist und Pianist unter anderem Wegbereiter für Felix Mendelssohn Bartholdy, Frédéric Chopin und Franz Liszt. In seiner Wiener Zeit trat er gemeinsam mit Beethoven auf, vollzog aber hauptsächlich eine europaweite Karriere, die auf Empfehlung Mozarts in Warschau begann und ihn über Paris nach London führte. Dank Haider-Dechant weiß man bis heute bereits von mehr 640 Werken, die Woelfl in seinen nur 39 Lebensjahren geschaffen hat.

„Ich habe sehr schnell die Ähnlichkeit Woelfls zu Mozart gespürt“, stellt die Sopranistin Anna Christin Sayn bei ihren Proben für das Sonntagskonzert fest. Sie wird die beiden Woelfl-Arien „Das schöne Milchmädchen“ und „Der Kopf ohne Mann“ sowie das Lied „Soul of my Love“ aus „Six English Songs“ zu Gehör bringen. „Gerade die zweite Arie, die ich singen werde“, sagt Sayn, sei im Tonumfang sehr herausfordernd und anspruchsvoll.

„Erst geht es richtig in den Keller und dann wird eine lockere Leichtigkeit gefordert“, sagt die junge Sopranistin und lacht. Sie studierte an der Kölner Musikhochschule Gesangspädagogik und künstlerischen Gesang. Obwohl Sayn bereits auf zahlreiche Opernprojekte verweisen kann, sei sie erst durch das bevorstehende Konzert auf Woelfl aufmerksam geworden. „Ich kannte Woelfl zuvor nicht“, sagt sie und freut sich über die Entdeckung eines Komponisten, von dem sie sagt, dass er „definitiv nicht zum Standardrepertoire“ gehört.

Für viele Klassik-Liebhaber könnte die Entdeckung Woelfls bedeutend sein. So verweis Woelf 1798 in einem über mehrere Tage dauernden „Piano-Duell“ in Wien den drei Jahre älteren Beethoven auf den zweiten Platz. „Für alle Beethoven-Verehrer gerade in Bonn“, so die Musikwissenschaftlerin Haider-Dechant, sei es gewiss eine „pikante Vorstellung“, die sie auf den Sieger des damaligen Wettbewerbs und seine originäre pianistische Linie neugierig machen dürften.

Die Beschäftigung mit Woelfl und das Anliegen, ihn der Klassikwelt wieder als einen der großen Komponisten bewusst werden zu lassen, hat Haider-Dechant seit ihrem 17. Lebensjahr nicht mehr losgelassen. „Da war ich noch besessen von Beethoven“, sagt die Pianistin. Durch den Wunsch Beethovens Pathétique auf dem Klavier spielen zu können, sei die Wienerin zur Musik gekommen.

Zu dieser Zeit hatte sie auch von ihrer Großmutter – einer geborenen Woelfl – von ihrem berühmten Vorvorfahren erfahren. Damals seien gerade einmal 43 Werke von ihm bekannt gewesen. „Alles, was es über ihn zu lesen gab, war grottenschlecht“, so Haider-Dechant.

Auch wenn die Wahl-Bonnerin seit 2018 als Dozentin an der Bonner Universität tätig ist, dürfte ihre und die Beschäftigung ihres Mannes Hermann Dechant mit Joseph Woelfl inzwischen zu einer Lebensaufgabe geworden sein. „In kürzester Zeit“, erzählt sie stolz, habe sie 30 000 Euro für eine treuhänderische Woelfl-Stiftung zusammenbekommen.

Sie ist zuversichtlich, auch bald über die benötigten 100 000 Euro zur Gründung einer rechtlich selbständigen Woelfl-Stiftung berichten zu können, um „die wissenschaftliche Aufarbeitung von Biographie und Werk von Woelfl sowie die Bekanntmachung derselben in der Öffentlichkeit“, wie es im Vereinszweck der JWG Bonn formuliert ist, vorantreiben zu können.

Zudem soll es ab Oktober wieder Hauskonzerte geben, die zunächst ebenfalls ins Internet übertragen werden. Während des Konzerts am Sonntag werden Margit Haider-Dechant und Hermann Dechant in einer Doppelmoderation ihren Zuschauern das Leben und Wirken Woelfls nahebringen. Und auch Anna Christin Sayn will dazu beitragen, die Musik Woelfles unvergesslich zu machen.

Das Konzert wird am Sonntag zwischen 16 und 17 Uhr über einen Link auf der Webseite www.woelflhaus.de übertragen.

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