Kaum jemand will König werden

Einige Schützenbruderschaften kämpfen mit massiven Nachwuchsproblemen

Kaum jemand will König werden
Foto: Max Malsch

Beuel. Die Szene ist Alexander Gierlich heute noch etwas peinlich. Sie ereignete sich 2008 beim traditionellen Königsschießen der Sankt Sebastianus Schützenbruderschaft Küdinghoven: Zwar schossen die Schützen fleißig Kopf, Flügel und Schwanz des Holzvogels ab, doch beim Höhepunkt der ganzen Veranstaltung verweigerten sie sich: Niemand wollte den Rumpf des Vogels abschießen und somit zum Schützenkönig aufsteigen.

Schließlich musste der erste Brudermeister Gierlich zur Tat schreiten: "Vor den Augen des halben Dorfs habe ich dann den Vogel vom Hochstand abgeschraubt."

Das prestigeträchtigste Amt, das eine Schützenbruderschaft zu vergeben hat, der Höhepunkt im Vereinsleben vieler Mitglieder - in Küdinghoven blieb es daraufhin vakant. Weil auch 2009 kein Interessent für die Königswürde in Sicht gewesen war, verzichtete die Bruderschaft ganz auf das Königsschießen und veranstaltete dafür ein öffentliches Manöverschießen, dessen Sieger nicht die repräsentativen Pflichten eines Schützenkönigs wahrnehmen musste.

"Leider interessieren sich hier immer weniger Leute für das Brauchtum", klagt Gierlich. Seine Bruderschaft ist klein, von 45 Mitgliedern sind nur noch 15 aktiv. "Jeder von uns war schon mehrere Male König, seit sechs Jahren haben wir keinen neuen Schützen hinzugewonnen."

In Beuel ist die Küdinghovener Bruderschaft damit noch ein Einzelfall. Die beiden anderen Beueler Schützenvereine - Sankt Sebastianus in Pützchen und Jesus-Maria-Josef in Oberkassel - haben 130 beziehungsweise 250 Mitglieder und immer mehrere Schützen, die um die Königswürde wetteifern.

Doch auf der anderen Seite des Rheins fällt es vielen historischen Schützenvereinen von Jahr zu Jahr schwerer, einen König zu finden: In Kessenich gibt es aktuell keinen Schützenkönig, das gleiche Schicksal ereilte Endenich vergangenes Jahr, die Tannenbuscher Sankt-Sebastianus-Schützen 1473 verzichten seit vier Jahren ganz auf ein Königsschießen.

Angesichts der aktuellen Königsflaute muss man sich fragen: Haben die Vereine, die sich so sehr der Vergangenheit verpflichtet fühlen, auch eine Zukunft? Die Limpericher Sankt Hubertus Bruderschaft hat bereits 2006 endgültig ihre Flinte ins Korn geworfen und ist in den Sportschützen Beuel aufgegangen, die sich ausschließlich dem Schießsport widmen und dessen Tradition weitestgehend ausklammern.

Auf der überregionalen Ebene sehen die Zahlen gut aus: Der Bund der historischen deutschen Schützenbruderschaften verzeichnet 2009 bundesweit knapp 250 000 Mitglieder. In der Diözese Köln, zu der auch die 21 Bonner Bruderschaften gehören, sind 50 098 Schützen in Bruderschaften organisiert - Platz drei im Deutschlandvergleich. "Das sind bedeutend mehr Mitglieder als noch vor zehn Jahren", berichtet Rolf Nieborg, Pressesprecher der Dachorganisation.

Doch auch in Beuel macht sich Sorge über die langfristige Zukunft der historischen Schützenvereine breit - auch abseits der kriselnden Küdinghovener Bruderschaft. "Das hat vor allem mit dem Strukturwandel der vergangenen Jahrzehnte zu tun", meint Michael Dreiling, Erster Geschäftsführer der Sankt-Sebastianus-Schützen in Pützchen, deren Mitgliederzahl in den vergangenen Jahren konstant geblieben ist.

"Früher waren die einzelnen Beueler Ortschaften quasi unabhängige Dorfgemeinschaften, da war das Schützenfest noch ein Ereignis, auf das das Dorf Wochen im voraus hinfieberte", sagt er. "Heute hingegen ist der Fokus der Menschen viel stärker nach Bonn ausgerichtet. Und gegen die riesige Konkurrenz an Freizeitangeboten einer Großstadt haben es die Schützenbruderschaften schwer." Das zeige sich auch bei der Altersstruktur vieler Schützenvereine: "Wir haben praktisch keine Mitglieder zwischen 21 und 35 Jahren."

Das Problem hat Marc Rosbach nicht. Der Erste Brudermeister der Oberkasseler Schützen steht einer sehr jungen Bruderschaft vor. Ihr Geheimnis: Sie ist gleichzeitig ein Junggesellenverein, entsprechend jung sind seine 107 aktiven Mitglieder. In den vergangenen Jahren sei die Bruderschaft sogar gewachsen, berichtet Rosbach stolz: "Wir sind extrem gut im Dorf verankert und genießen ein hohes Ansehen."

Ein schrumpfender, ein konstanter und ein wachsender Verein - eine Bilanz der Schützenbruderschaften in Beuel zu ziehen, fällt schwer. Die Jungschützenmeisterin des Bonner Bezirksverbands, Gertrud Strahl, glaubt jedenfalls fest an die Zukunft der historischen Schützenvereine: "Unser Motto “Glaube-Sitte-Heimat„ ist nicht aus der Mode gekommen. Man muss es der Jugend nur zeitgemäß präsentieren."

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