Knappe Kassen: Bonner ringen ums Geld

Bonn · Sport gegen Kultur, Kultur gegen Sport: In den vergangenen Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, dass zwischen beiden seit dem Auftreten der Initiative "Pro Sportstadt Bonn" der Verteilungskampf in Zeiten knapper Kassen voll entbrannt sei.

Was die Sache nicht leichter macht, ist, dass sich diese Rivalität gewissermaßen in einem Haus abspielt. Denn der Lenker und Taktgeber der Sport- sowie Kulturförderung in der Stadt ist ein Mann, der Kultur- und Sportdezernent Martin Schumacher. Die Debatte wird emotional geführt, viele Bürger, ob kultur- oder sportaffin oder beides, was ja nicht selten vorkommt, schalten sich ein.

  • Das sagt der Sport: Eigentlich bräuchte die Initiative "Pro Sportstadt Bonn" jetzt eine hauptamtliche Kraft. Und eine Homepage. Und ein Büro. Aber all das hat sie nicht. "Wir sind von der Resonanz überrascht worden. In diesem Ausmaß hätte ich nicht damit gerechnet", sagt Michael Scharf. Der Vorsitzende der SSF Bonn bildet gemeinsam mit Rainer Wolff (Beueler JC), Kay Milner (Bonner THV) und Wolfgang Wiedlich (Telekom Baskets) gewissermaßen das "Außenministerium" der Initiative.
  • Die angekündigte Sportstättennutzungsgebühr hatte die Bonner Sportvereine auf die Barrikaden getrieben. "Viele sind wach geworden", erzählt Scharf. "Jeden Tag kommen etliche Mails, und selbst Leute ohne Amt in einem Sportverein fragen, ob sie mitmachen können." Zu tun ist derzeit vor allem eines: reden. Auch mit den Vertretern des Kulturkreises Bonn, die den Sportlern "vertrauensbildende Gespräche" angeboten haben.
  • "Wir nehmen dieses Angebot gerne an", sagt Michael Scharf, "werden aber nicht von unseren Positionen abrücken." Kernforderungen des Zehn-Punkte-Katalogs, den die Initiative aufgestellt hat, sind der Verzicht auf die Einführung einer Sportstättennutzungsgebühr sowie ein anderes Verhältnis in der Förderung von Sport und Kultur. Aus einer Relation von 1:6 soll ein Verhältnis von 2:5 werden. In einem Boot wähne man sich allerdings, was die Gesamtsituation Bonns angehe. "Man sollte darüber reden, was in der Stadt überhaupt in zehn Jahren noch möglich ist."
  • Auch Kay Milner geht keineswegs auf Konfrontationskurs zur Kultur. "Natürlich haben wir nichts gegen die Kultur", betont der BTHV-Geschäftsführer. "Aber meine persönliche Meinung ist, dass man zumindest darüber sprechen sollte, ob die Oper in Bonn noch notwendig ist. Wir sind ja nicht mehr Hauptstadt."
  • Ein wenig packt sich Milner auch an die eigene Nase, was den späten Zusammenschluss der Vereine angeht: "Der Bonner Sport hat lange Zeit geschnarcht, aber was jetzt passiert, wird von Dauer sein." Geht es nach Michael Scharf, wird im Bonner Sport kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Initiative werde nicht ewig bestehen, doch solle sie irgendwann im Stadtsportbund weiterleben. "In ein bis zwei Jahren könnte es vielleicht so weit sein. Wir brauchen aber Leute im Stadtsportbund, die unsere Ideen wirklich vertreten."
  • So schnell wie möglich sollen nun die knapp 40 Vereine, die der Initiative beigetreten sind, an einen Tisch gebracht werden. Danach stehen Gespräche mit der Kultur an, mit den Parteien, mit den sportpolitischen Sprechern, mit Sport- und Kulturdezernent Martin Schumacher und mit Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. Dessen Büro rief bereits bei Michael Scharf an, um sein Gesprächsangebot zu bekräftigen. Allerdings hat sich der OB erst mal für drei Wochen eine Auszeit genommen.
  • Das sagt die Kultur: "Wir sind natürliche Bündnispartner und suchen den freundschaftlich-partnerschaftlichen Umgang", sagt Elisabeth Einecke-Klövekorn, die Vorsitzende der Theatergemeinde (TG), zur Gründung von "Pro Sportstadt Bonn" und plädiert für eine "Umarmungsstrategie".
  • Die TG ist der mitgliederstärkste Verein im Bündnis "Kulturkreis Bonn", in dem inzwischen 47 Bonner Kulturvereine organisiert sind. Der Kreis vertritt rund 25.000 Mitglieder. Vor einem Jahr wurde das Bündnis als Reaktion auf den Bürgerhaushalt gegründet. In der kommenden Woche organisiert er seine bislang bedeutendste Veranstaltung: den kulturpolitischen Aschermittwoch, bislang eine Domäne des nach dem Tod der Sprecherin Karin Hempel-Soos kaum noch existenten Kulturrates.
  • Der Kulturkreis, der sich inhaltlich deutlich vom Kulturrat abgrenzt, will zum kulturpolitischen Aschermittwoch im Kunstmuseum hundert Menschen aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenbringen. Gastredner ist der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Der Hausherr der hochkarätigen Veranstaltung, Kunstmuseums-Intendant Stephan Berg, hält nichts von einer überhitzten Konfrontation von Sport und Kultur: "Schlimm ist, wenn sich einzelne Gruppierungen gegeneinander ausspielen lassen. Dann haben wir verloren."
  • Das gelte für das Verhältnis zwischen Sport und Kultur ebenso wie für den Umgang der einzelnen Kultursparten miteinander. In einer Presserklärung des Kulturkreises Bonn heißt es, man bedaure, "dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, als ob die Sportstadt Bonn in einem unüberwindbaren Interessenkonflikt zur Kulturstadt Bonn stehe".
  • Und weiter: "Die Bonner Bürgerinnen und Bürger, die Sport und Kultur durch ihr ehrenamtliches Engagement unterstützen, sind eigentlich natürliche Verbündete." Wenig förderlich sei jedoch, so der Kulturkreis, "wenn in der Darstellung des städtischen Haushalts nicht vergleichbare Daten zur Diskussion gestellt werden." Manfred Jung, der über die "Bürger für Beethoven" Mitglied des Kulturkreises" ist, hat dem Bündnis "Pro Sportstadt Bonn" Gespräche angeboten-
  • Der Kulturkreis Bonn sieht sich, so Jung, weniger als Vertreter kultureller Einzelinteressen, denn als Bündnis, das einerseits Kompetenzen bündelt und Kooperationen fördert, andererseits im Dialog mit der Kommunalpolitik eine "realistische Haushaltsstrategie und die langfristige Finanzierbarkeit der Kultur" zum Ziel hat. "Man muss der Stadt die Möglichkeit lassen, grundsätzlich Kürzungen vorzunehmen", formuliert Werner Hundhausen vom Kulturkreis, "eine Kürzung nach dem Gießkannenprinzip aber kann für manchen das Ende bedeuten."
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