Konflikt zwischen Konfession und Ortsnähe

Empörung bei Eltern: Nach einem NRW-Erlass müssen katholische Grundschulen "Bekenntniskinder" vorziehen

Bad Godesberg. Max Ehlers kann's nicht fassen. "Obwohl wir direkt neben der Donatusschule wohnen, wird unser Sohn im neuen Schuljahr wohl nicht mit seinen Kindergartenfreunden in diese Schule gehen dürfen." Denn der Kleine aus gemischt-konfessioneller Ehe ist noch nicht getauft.

Muss man ihn also, wie aktuell im Ortsteil mehrfach geschehen, zwecktaufen lassen? An der Katholischen Grundschule werden nämlich wie an den anderen konfessionellen Grundschulen seit dem laufenden Schuljahr auf Druck des NRW-Schulministeriums auch ortsferne katholische Kinder den ortsnahen nicht-katholischen bevorzugt.

Laut Stadtverwaltung zogen deshalb zu Schuljahresbeginn an der Donatusschule neun, an der Beethovenschule zwölf und an der Domhofschule sieben Nachbarfamilien den Kürzeren. Im übrigen Bonn waren sechs Kinder betroffen. Die Empörung unter den kommenden Aspiranten sei also entsprechend groß, weiß Ehlers.

Zwar sei die benachbarte Gotenschule ebenfalls sehr gut, betont der Vater. "Aber kommt es mit dieser Regelung nicht automatisch zur Ausgrenzung nicht katholischer, also auch muslimischer Kinder? Das ist für eine Gesellschaft ganz kritisch", sagt Ehlers.

Und ist damit einer Meinung mit all denen, die sich nach einem entsprechenden Bürgerantrag von Molly Spitta und Beatrix Buttler zur parteilosen Elterninitiative "Kurze Beine, kurze Wege" zusammengetan haben.

Die Marschrichtung des Schulministeriums und damit auch des Bonner Schulamts sei politisch unakzeptabel, meint Birgit Wolz, ebenfalls betroffene Mutter. "Katholische Kinder aus jeder Ecke Bonns werden vorgezogen - da kräuseln sich im 21. Jahrhundert doch die Fußnägel."

Auch Bekenntnisschulen müssten weiterhin das umliegende Viertel widerspiegeln und dürften Kinder anderer oder keiner Religion oder Konfession nicht verdrängen. Zumal sie ja keineswegs von der Kirche, sondern zu 100 Prozent von Land und Kommune finanziert würden.

Gegen jegliche restriktive Auswahl schon zum ersten Schuljahr wendet sich denn auch der Resolutionsvorschlag für die heutige Schulausschuss-Sitzung, den SPD, FDP, Grüne und Bürger Bund eingebracht haben. Die Landesregierung wird darin aufgefordert, den entsprechenden verfügten Erlass zurückzunehmen.

Und wie sehen die Zahlen vor Ort genau aus? An einer der drei genannten Godesberger Bekenntnisschulen zum Beispiel haben zu diesem Schuljahr sechs ortsferne, aber katholische i-Dötzchen entsprechend viele Nachbarskinder verdrängt, hat der GA aus gut informierten Kreisen erfahren.

Die Schulleitung habe, kontrolliert vom Schulamt, Auslese betreiben müssen, sei damit aber "kreuzunglücklich" und wäre "sehr erleichtert", wenn die Verschärfung der Aufnahmeregelung wieder entfiele. "Da entstehen Härten, für die wir auch keine rheinischen Lösungen mehr finden können", ist von dieser Schulleitung zu erfahren.

Und die in den nächsten Wochen betroffenen Eltern? Die bekommen plötzlich auf GA-Anfrage sogar von der Schuldezernentin den Rat, gegen eine etwaige Absage zu klagen. Das sollten sie aber unbedingt schon im Voraus tun, bevor die Listen voll seien, ergänzt Schülermutter Astrid Engels aus bitterer Erfahrung.

Ihr Kind war deshalb nicht mehr in die Beethovenschule gelangt. Ansonsten stünden die Chancen, zu gewinnen, jedoch unbedingt gut, erklärt Birgit Wolz, Juristin und demnächst wohl selbst Betroffene. "Das Schulgesetz steht eindeutig über einer Ausbildungsordnung".

Das Kind eines Juraprofessors etwa habe an die Beethovenschule nachrücken können, weil der Vater die Klage schon in der Schublade hatte. "Was heißt das aber für alle die, die sich nicht wehren können?", fragt Wolz.

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