Interview mit Thomas Stockhorst "Mit den Daumen kann man nicht schwimmen"
BONN · Die Schwimmfähigkeit vieler Kinder hat in den letzten Jahren nachgelassen, sagt Thomas Stockhorst. Er hat 25 Jahre Erfahrung im Schwimmunterricht bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Bonn.
Wann haben Sie schwimmen gelernt, Herr Stockhorst?
Thomas Stockhorst: Mit knapp vier Jahren. Damals lernten Kinder das Wasser im Schwimmbad mit den Eltern oder Großeltern kennen und bauten ihre Fertigkeiten in der Schule oder den Vereinen aus. Dieses frühe Heranführen findet heute nicht mehr so statt. Schwimmunterricht in der Schule ist nicht mehr so intensiv.
Und woran liegt das?
Stockhorst: Viele Schulschwimm-becken sind verschwunden, die Klassen größer geworden, in ländlichen Gebieten wird oft die einzige Schwimmhalle geschlossen. Zudem hören wir oft von Eltern, dass nur noch ein Lehrer den Schwimmunterricht leitet. So ist natürlich keine Trennung zwischen Schwimmern und Nichtschwimmern, also gezielte Förderung möglich.
Schwimmunterricht mit immer weniger Kindern, die Erfahrung haben, birgt Gefahren...
Stockhorst: Natürlich kann im Wasser schneller Schlimmeres passieren, als in der Turnhalle, wenn der Lehrer mal nicht aufpasst. Dazu kommt, dass die Hallen oft nicht an den Schulen liegen. Das bedeutet großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand.
Was folgt aus dem Ganzen?
Stockhorst: Aus der Summe der Faktoren ergibt sich, dass immer weniger Kinder immer langsamer schwimmen lernen. Ein Trend, der uns Sorgen bereitet.
Warum ist Schwimmen überhaupt wichtig?
Stockhorst: Weil es einfach überlebenswichtig ist. Wenn ein Kind ins Wasser fällt, ertrinkt es. Und Kinder vom Wasser fernzuhalten ist in Bonn schwierig.
Sie beklagen auch mangelnde motorische Fähigkeiten bei Kindern. Droht bald eine "Generation Schwimmflügel"?
Stockhorst: Nein, das wäre zu drastisch ausgedrückt. Aber immer mehr Kinder haben Schwierigkeiten, ihren Körper richtig zu bewegen. Ich stelle oft fest, dass einige vor dem Eintritt in einen Kurs noch nie im Wasser waren. Kinder klettern heute nicht mehr auf Bäume, sondern kennen sich besser mit der Playstation aus. Nur: Mit den Daumen kann man nicht schwimmen.
Wer ist verantwortlich dafür, dass Kinder schwimmen lernen?
Stockhorst: Eindeutig die Eltern. Verein und Schulen können da nur behilflich sein. Aber das funktioniert nicht, wenn ein Kind erst kurz vor dem ersten Badeurlaub mit sechs Jahren zum ersten Mal einen Kurs besucht.
Zur Person
Thomas Stockhorst ist 39 Jahre alt und seit 25 Jahren ehrenamtlich in der Schwimm- und Rettungsschwimmausbildung aktiv. Seit 20 Jahren ist er Lehr- und Prüfberechtigter für Schwimmen und Rettungsschwimmen. Zudem ist Stockhorst stellvertretender Bezirksleiter der DLRG in Bonn sowie Leiter des Ausbildungszentrums Hardtberg.