Gegen den Antsemitismus Bonner hält nach Angriff Sitz-Mahnwache vor der Synagoge

Bonn · Mit einer Sitz-Mahnwache vor der Synagoge will Rolf Rau aus Oberkassel ein Zeichen zur Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde setzen. Vorigen Dienstag hatten drei junge Syrer das Gotteshaus mit Steinen beworfen und zudem eine israelische Flagge verbrannt.

 Mit warmer Jacke und einem Handy ausgestattet hält Rolf Rau (59) seit 9 Uhr an diesem Freitag aus Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde Mahnwache vor der Synagoge in Bonn. Er hofft, dass er im Laufe des Tages abgelöst wird.

Mit warmer Jacke und einem Handy ausgestattet hält Rolf Rau (59) seit 9 Uhr an diesem Freitag aus Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde Mahnwache vor der Synagoge in Bonn. Er hofft, dass er im Laufe des Tages abgelöst wird.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Gewaltausbrüche und Raketenangriffe in Israel und Palästina haben auch Rolf Rau auf den Plan gerufen. Der Vorsitzende des Vereins Freies Förderwerk, der in Oberkassel lebt, sitzt seit Freitag, 9 Uhr, ausgestattet mit warmer Jacke, einem Regenschirm und einem Buch auf einem mitgebrachten Stuhl vor der Synagoge an der Tempelstraße, „um der Gemeinde zu zeigen, dass sie nicht allein ist“, wie er sagt. Die Synagoge war am Dienstag von drei jungen Syrern mit Steinen beworfen worden, auch hatten die Männer eine Israel-Flagge vor dem Gotteshaus angezündet.  Rau versteht seine Sitzwache als Zeichen der Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde in Bonn.

Als Rau am Morgen vor der Synagoge auftauchte, wurde er zunächst misstrauisch von der Polizei beäugt, berichtet er später dem GA. „Die haben erst einmal alle meine Taschen durchsucht, das konnte ich nachvollziehen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Dann hätten die Beamten ihn aber gewähren lassen.  „Der Angriff auf die Bonner Synagoge ist in meinen Augen ein ganz schlimmes Zeichen für unsere jüdischen Mitbürger. Besonders betroffen hat mich die Tatsache, dass die Vorsitzende der Synagogengemeinde es nicht mehr wagt, im Lokalfernsehen ihr Gesicht zu zeigen. So weit ist es in unserem Land schon wieder gekommen“, so Rau.

Rolf Rau möchte von Politik eingeforderte Solidarität zeigen

Er wolle daher das konkret umsetzen, was die Politiker von den Bürgern eingefordert hätten. „Ich möchte, nachdem ich in den vergangenen Tagen selbst so viel Solidarität erfahren habe, meine Solidarität mit den Menschen jüdischen Glaubens in unserer Stadt zeigen“, sagte Rau. Damit zielt Rau auf das von seinem Verein betriebene Labyrinth in der Rheinaue ab, dem ab nächstem Jahr das Aus droht. Wie berichtet, steht die Rheinaue unter Denkmalschutz, das Labyrinth passe daher nicht mehr dorthin, so die Denkmalschützer.  Auf die Berichterstattung im GA folgte eine Flut an Leserbriefen, in denen allesamt nur Unverständnis und Verärgerung über die Vorgaben des Denkmalschutzes zum Ausdruck kam.

Rau hat auch ein Telefon dabei, für alle Fälle. „Damit werde ich um Hilfe rufen, falls es wieder zu einem Angriff kommt“, erklärt er. Selbstredend werde er nicht eingreifen, sondern das der Polizei überlassen. „Ich werde hier so lange aufpassen, bis es einen anderen Menschen gibt, der ebenfalls mit einem Stuhl ausgestattet meine Wache ablöst. Vielleicht gelingt es uns so, über die nun bevorstehenden Tage und Wochen einer vielleicht neuen Intifada der Jüdischen Gemeinde in Bonn ein klein wenig Schutz und ganz viel Solidarität zu geben.“ Nach Beendigung seiner Wache werde er seinen Stuhl als Zeichen der Solidarität vor der Synagoge stehen lassen.  „Obwohl ich kein Jude, sondern Atheist bin, möchte ich mit meiner Aktion zum Ausdruck bringen, dass die Bonner Synagoge in der jetzigen schwierigen Zeit auch meine Synagoge ist.“

Damit Gleichgesinnte nicht unkoordiniert zur Synagoge kommen, bittet Rau darum, ihn unter seiner Mobilnummer 0163/7653728 anzurufen, um „eine lückenlose Wache vor der Synagoge organisieren und koordinieren zu können“. Sollte sich niemand melden, will Rau entsprechend der Coronaverordnung bis zum Beginn der Ausgangssperre sitzen bleiben und am Samstag um 5 Uhr wiederkommen.  Einige Passanten seien bereits vorbeigekommen, eine ältere Frau wolle ihn am Nachmittag ablösen, damit er zur Toilette gehen könne. Ein anderer habe versprochen, ihm ein warmes Essen vorbeizubringen.

Polizei: Für mehrere Personen gilt Anmelde-Pflicht 

Bei mehreren Personen, die gleichzeitig vor der Synagoge Mahnwache halten wollten, müsste das als Versammlung angemeldet werden, sagte Polizeisprecher Michael Beyer. Laut dem Sprecher hat die Bonner Polizei ihre Schutzmaßnahmen vor der Synagoge seit dem Anschlag verstärkt. So bewachen die Beamten das Gotteshaus derzeit wieder bis auf Weiteres rund um die Uhr. Die Bonner Staatsanwaltschaft teilte am Freitag mit, dass die weiteren Ermittlungen liefen.

Im Juli 2018 hatte die Attacke eines damals 20-jährigen Deutschen mit palästinensischen Wurzeln auf den jüdischen Gastprofessor Yitzhak Melamed aus den USA bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Der junge Mann hatte den Wissenschaftler am helllichten Tag auf der Bonner Hofgartenwiese angegriffen und ihm mehrmals die Kippa vom Kopf geschlagen. 2019 verurteilte das Bonner Amtsgericht den Angreifer, der noch in anderen Fällen angeklagt war, unter anderem wegen Volksverhetzung zu einer hohen Jugendstrafe. Die Attacke schlug medial auch deshalb hohe Wellen, weil die hinzugerufene Polizei Opfer und Täter verwechselte und den Professor niederstreckte. Das anschließende Ermittlungsverfahren gegen die am Einsatz beteiligten Polizisten stellte die Bonner Staatsanwaltschaft ein.

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