Neue Stimmen zu Missbrauchsvorfällen am Aloisiuskolleg

Das sah am Mittwoch das Aloisiuskolleg (Ako) natürlich gerne: Gut 500 Ex-Schüler und Schülereltern sprachen übers Internet ihrem Kolleg in einem offenen Brief ihr Vertrauen aus.

Neue Stimmen zu Missbrauchsvorfällen am Aloisiuskolleg
Foto: Ronald Friese

Bad Godesberg. Das sah am Mittwoch das Aloisiuskolleg (Ako) natürlich gerne: Gut 500 Ex-Schüler und Schülereltern sprachen übers Internet ihrem Kolleg in einem offenen Brief ihr Vertrauen aus.

"In der Diskussion um Vorwürfe sexuellen Missbrauchs am Ako befürworten wir die offene Auseinandersetzung und drücken dem Kolleg unsere Verbundenheit aus", schrieben die Unterzeichner aus ganz Deutschland.

Sie hätten in ihrer Zeit an der Schule "weder sexuelle Gewalt noch Missbrauch erlebt", seien aber fassungslos und betroffen von den aktuellen Vorwürfen, fügten sie hinzu.

Auch Deutschlands Jesuitenprovinzial Stefan Dartmann versicherte dem Kolleg am Mittwoch noch per Schreiben jede mögliche Hilfe.

Er schrieb aber auch, dass die Opfer, die sich gemeldet hätten, "uns einen Dienst erwiesen haben: Ihnen gebührt Respekt, Dank und Anerkennung. Wir wollen ihnen so gut als möglich beistehen."

Sowohl die Unterschriftenliste der Altschüler als auch die Stellungnahme des Ordens seien wichtige Zeichen des Vertrauens für die Kollegsgemeinschaft, sagte Ako-Sprecher Robert Wittbrodt am Abend dem GA.

"Sie geben uns, die wir die Krise im Sinne der Betroffenen aufarbeiten, Rückendeckung." Am Donnerstag wird nun mit Spannung der Bericht der vom Orden beauftragten Anwältin Ursula Raue erwartet, bei der sich sämtliche Missbrauchsopfer melden können.

Derweil versucht man an der Schule selbst, wieder in den Alltag zurückzufinden. Doch schon auf den ersten Blick ist vieles anders geworden. Überall in den Gebäuden hängen die Kontaktdaten möglicher Beratungsstellen aus:

die der Berliner Beauftragten des Jesuitenordens, der Bonner Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt und jetzt auch die der kostenlosen Hotline des Bad Godesberger Dekanats, die unter der Telfonnummer 0800/330 30 50 täglich von 8 bis 21 Uhr ein offenes Ohr auch für anonyme Hilfesuchende hat.

"Ansprechpartner im Umgang mit der aktuellen Situation am Ako" listet die Schule zudem, übrigens auch auf ihrer Homepage www.aloisisuskolleg-bonn.de, sogar altersbezogen auf: Schüler, Lehrer und Jesuitenpater stehen hier bereit.

"Es kann darum gehen, mehr Informationen zu erhalten, den eigenen Ärger auszudrücken, Trauer und Enttäuschung zu formulieren oder aber die persönliche Unsicherheit mit jemandem zu teilen", definiert das Ako diese Hilfe.

Von der Homepage ist seit Mittwoch auch erstmals der für die Jahrzehnte zwischen 1973 und 2004 der sexuellen Übergriffe verdächtigte ehemalige Internats- und dann Schulleiter unter den abgebildeten Ordensbrüdern verschwunden. Wie berichtet, lebt der 82-Jährige jetzt in einem Pflegeheim.

Nach dem plötzlichen Rücktritt von Rektor Pater Theo Schneider (der GA berichtete) fungiert nun Pater Ulrich Rabe als kommissarischer Nachfolger.

Schulleiter Bernhard Wissmann hat einen Elternbrief in der Hoffnung verteilt, "dass das Vertrauen in unser Kolleg und die darin wirkenden Lehrer und Erzieher erhalten bleibt. Und sollte es erschüttert worden sein, werden wir alles daran setzen, es zurückzugewinnen."

Doch es stoßen gerade im Internet, aber auch dem GA gegenüber weiterhin die Meinungen derjenigen aufeinander, die im Bezug auf den belasteten Pater von "väterlicher Zuneigung" oder eben von klarem sexuellen Missbrauch sprechen.

Ein Betroffener vermutet bei anderen "das Stockholm-Syndrom", das psychologische Phänomen, bei dem Opfer ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Peinigern aufbauen.

Andere erinnern an den hier nicht zitierbaren Text eines Grafittos, das Ende der neunziger Jahre Handlungen des betreffenden Paters kurzzeitig am Schulgebäude anprangerte.

"Aber wenn da früher was war", sagen heutige Schülereltern, "dann haben jetzt alle Betroffenen die Möglichkeit, das auf den Tisch zu legen."

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