Oberbürgermeister im GA-Jahresinterview: Nimptsch plant neue Bürgerbefragung

BONN · Gut zwei Jahre ist Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch im Amt. Über seine Arbeit, seine Erfolge, Niederlagen und seine Ziele sprachen mit er im GA-Jahresinterview.

 Rede und Antwort stand Jürgen Nimptsch dem General-Anzeiger in seinem Dienstzimmer im Alten Rathaus. Fotos:Barbara Frommann

Rede und Antwort stand Jürgen Nimptsch dem General-Anzeiger in seinem Dienstzimmer im Alten Rathaus. Fotos:Barbara Frommann

Foto: Barbara Frommann

Was sind die drei größten Erfolge seit Ihrem Amtsantritt?
Jürgen Nimptsch: Erstens: Es ist uns gelungen, den Nothaushalt abzuwehren. Dabei war es in den ersten Wochen meiner Amtszeit nicht für jeden selbstverständlich, ob man dieses Ziel anstreben sollte. Viele waren auch bereit, die Verantwortung nach Köln zur Kommunalaufsicht abzuschieben. In der Verwaltung und auch in der Politik hat man sich aber dann richtigerweise dafür entschieden, das Heft in der Bonner Hand zu behalten. Als zweiten Erfolg werte ich die konstruktive Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und dem Personalrat. Wir haben Strukturveränderungen in der Verwaltung vorgenommen, um Prozesse zu optimieren; die Verwaltung ist schlagkräftiger geworden. Schließlich bin ich sehr zufrieden, dass wir mit meinem Zutun einen einmütigen WCCB-Ratsbeschluss erreicht haben. Wir werden bald wieder Eigentümerin des WCCB-Grundstückes sein und den Weiterbau des Kongresssaales organisieren können.

Ihr Ziel war, das WCCB schnell weiterzubauen. Das haben Sie nicht erreicht. Wo hakte es?
Nimptsch: Ich war im November 2009, kurz nach meiner Amtsübernahme, sehr froh gestimmt. Es gab damals eine Einigung zwischen mir, den Vertretern der Sparkasse KölnBonn und dem WCCB-Insolvenzverwalter, wie ab Januar 2010 der Weiterbau finanziert und organisiert werden könne. Doch dann ist die Sparkasse von ihrer Haltung aufgrund der bekannten Umstände, in die sie geraten war und die ihr ein eigenes EU-Verfahren eingebracht hatten, wieder abgerückt.

Also ist die Sparkasse schuld?
Nimptsch: Nein, sie hatte nur nicht die Möglichkeit, weiter Geld in das Projekt zu geben. Das muss man akzeptieren. Eine andere Finanzierungsmöglichkeit über Dritte bestand nicht. Deshalb mussten wir zuerst die Verhandlungen für eine Heimfallvereinbarung führen. Vor einigen Tagen haben wir nun nach zähen Verhandlungen die Grundschuld der Sparkasse übernommen und können im ersten Schritt über den Zwangsverwalter die Fertigstellung des fast fertigen Parkhauses in Angriff nehmen.

Bleibt es bei der Eröffnung des Kongresssaals im Sommer 2013?
Nimptsch: Ich bin zuversichtlich, dass wir im Juni die erste große Konferenz im Erweiterungsbau ausrichten können; das haben wir den UN versprochen.

Und wenn es nicht gelingt?
Nimptsch: Es wird gelingen.

Wie soll der gewaltige Sanierungsstau behoben werden: Beethovenhalle, Stadthalle Bad Godesberg, Oper, die Schulen?
Nimptsch: Das sind Herausforderungen, wie sie viele Städte kennen. Es war zum Beispiel für mich als ehemaligen Schulleiter nicht angenehm, gleich zu Beginn meiner Amtszeit sagen zu müssen, dass es Ratsbeschlüsse zur Sanierung von Schulen gibt, für die gar kein Geld vorhanden war. Dennoch habe ich immer die Haltung vertreten, Schulen und Kindergärten kommen zuerst und das wird, wenn es keine andere politische Zielvorgabe gibt, auch so bleiben. Was die sonstigen städtischen Immobilien betrifft: Wir werden 2012 mit der Aufstellung des Haushalts 2013/ 2014 die Debatte führen müssen, was wir uns leisten können. Das wird auch die Hallen und Spielstätten betreffen.

Wo bleibt das Hallenkonzept?
Nimptsch: Wenn man das Hallenkonzept vereinfacht darstellt, wird das heißen: Es können nicht alle Veranstaltungsräume, Spiel- und Sportstätten offen bleiben beziehungsweise in der bisherigen Weise betrieben werden. Wenn man sich einmal traut, das in Angriff zu nehmen, weiß man auch, wo wir sparen können. Aber alle Vorschläge der Verwaltung und des OB, Schließungen ins Auge zu fassen, sind von der Politik bislang zurückgeholt worden. Ich erinnere nur an die Diskussion um die Schwimmbäder.

Welche Halle wollen Sie denn schließen?
Nimptsch: Das kann ich im Moment nicht sagen. Der Sanierungsbedarf der Godesberger Stadthalle steht noch nicht fest; ähnliches gilt für das Beueler Brückenforum. Zunächst muss aber bis zur Jahresmitte 2012 die Frage geklärt sein: Wie geht die Entscheidung für eine neue Beethoven-Konzerthalle aus? Gelingt es, bis zum 30. Juni 2012 die privaten Mittel aufzutreiben? Dann stellt sich die Frage eines Konzeptes sowohl für die Beethovenhalle als auch für alle anderen Säle und Spielstätten völlig anders. Deshalb wird es auch erst eine Entscheidung zu anderen Veranstaltungsorten geben können, wenn wir wissen, ob die neue Konzerthalle in der Rheinaue komplett privat finanziert werden kann oder nicht.

Das heißt, bis dahin bleibt alles liegen?
Nimptsch: Das heißt, bis Mitte 2012 kann es dazu keine weiteren Entscheidungen geben.

Sie mussten viel Kritik einstecken, als Sie die Schließung der Oper vorgeschlagen haben. Ist das noch ein Thema für Sie?
Nimptsch: Ich hatte vorgeschlagen, über eine Kooperation zwischen Köln und Bonn nachzudenken. Das ist ganz schnell unter der Überschrift "Opernschließung" gelaufen.

Ach? Die Verwaltung hat doch förmlich geprüft, ob der Opernstandort fürs neue Festspielhaus in Frage käme. Das hätte das Aus für die Oper bedeutet!
Nimptsch: Das musste die Verwaltung prüfen. Es gehörte zum seriösen Geschäft, alle Möglichkeiten für einen Standort der neuen Konzerthalle zu prüfen, auch wenn für die meisten klar war, dass weder der Abriss des Opernhauses oder der Beethovenhalle in Frage kommen würde. De facto könnte die Kooperation mit der Oper Köln, die ich in der Tat zur Qualitätssicherung für unausweichlich halte, so beginnen, dass die Kölner, die ab 2013 wegen der anstehenden Sanierung zwei Jahre kein Opernhaus haben werden, unseren Standort mitnutzen können. Das ist leider bislang nicht zustande gekommen. Daran sieht man, wie schwer sich die Kulturhäuser mit einer solchen Zusammenarbeit tun. Ich bin aber überzeugt, dass ein größerer Kostendruck die nötige Bewegung erzeugen wird und erinnere daran, dass es für den Bonner Kulturhaushalt einen Deckelbeschluss von 55 Millionen Euro gibt.

Noch eine Frage zu Konzepten. Wo bleibt das Bäderkonzept? Und welches Schwimmbad schlagen Sie dieses Mal zur Schließung vor

Nimptsch: Bis März 2012 werden die Ergebnisse eines soeben fertig gestellten Gutachtens zur Bäderlandschaft in der Verwaltung und Rat diskutiert werden. Möglicherweise wird auch die Bürgerbefragung, die wir zum Haushalt im April 2012 per Internet durchführen, Hinweise ergeben. Dort werden unter anderem zehn Leitfragen gestellt. Eine dieser Fragen soll sein, ob sich die Bürger ein neues attraktives Freizeitbad bei Schließung von bestehenden Bädern vorstellen können.

Die Stadt ist knapp am Nothaushalt vorbeigeschrammt. Reichen die bisherigen Sparbemühungen aus?
Nimptsch: Wenn man nur den Nothaushalt vermeiden will, ja. Wenn man zu einem ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden kommen will, muss Bonn bis 2015 pro Jahr jeweils eine Lücke von 40 Millionen Euro schließen. Aber das schaffen wir nicht aus eigener Kraft. Wir sind auf Hilfen aus Bund und Land angewiesen. Da kann man vielleicht optimistisch sein, weil Bund und Land begonnen haben, Hilfen für die Kommunen bereit zu stellen. Wenn wir parallel dazu auch im eigenen Haushalt sparen, bin ich überzeugt, dass uns der Etatausgleich gelingen kann. Wir müssen uns die Kardinalfrage stellen, ob wir bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt wollen, also wirklich keine neuen Schulden machen wollen.

Wie viel kann die Stadt aus eigener Kraft sparen, ohne zu viel Attraktivität einzubüßen?
Nimptsch: Ich denke, wir könnten noch 20 Millionen pro Jahr selbst erbringen. Die andere Hälfte müsste über die Einnahmeverbesserung aus Bund und Land erzielt werden.

Werden Sie wieder an der Gebührenschraube drehen, um dieses Ziel zu erreichen?
Nimptsch: Wir haben für 2013 schon diverse Steuer- und Gebührenerhöhungen eingeplant. Viel mehr ist dann auch 2015/16 nicht mehr möglich. Mein Ziel ist es, dass wir noch in dieser Dekade sagen können: Wir leben nicht länger auf Kosten unserer Enkel. Ich halte es zum Beispiel nicht für richtig, dass wir für einen Abend in der Oper bei einer Vollkostenrechnung 200 000 Euro aus dem Bonner Haushalt ausgeben, während über 50 Prozent der Zuschauer aus dem Rhein-Sieg-Kreis kommen.

Es mehren sich die Klagen über eine gefrustete Verwaltung, die Dienst nach Vorschrift tue. Haben Sie Ihre Leute nicht im Griff?

Nimptsch: Der Oberbürgermeister ist nicht der Obermanager, der alles an sich zieht und einsam entscheidet. Sie führen heute weder 5.500 Mitarbeiter noch ein einzelnes Dezernat allein mit einem starken OB, sondern auch mit starken Beigeordneten, starken Amtsleitungen, starken Abteilungsleitungen. Was wir unter meiner Leitung im Verwaltungsvorstand verabreden, wirkt als gemeinsame Vorstandsentscheidung in die Verwaltung hinein. Der Erfolg unserer Arbeit aber wird von den Mitarbeitern und ihren direkten Führungskräften produziert. Manches von dem, was andere sich von der Verwaltung wünschen oder was wir uns selbst wünschen, ist aufgrund der an manchen Stellen zu dünnen Personaldecke nicht umsetzbar. Die Überlastung vieler Mitarbeiter will und darf ich nicht hinnehmen. Da haben wir Diskussionsbedarf mit der Politik.

Man sieht Sie viel auf repräsentativen Terminen. Bleibt da noch genügend Zeit für das Verwaltungsgeschäft?
Nimptsch: Mein Tag ist ja nicht nur acht Stunden lang. Die Termine für die Repräsentation unserer Stadt halten sich mit denen in der Verwaltung die Waage. Reine Repräsentationstermine, bei denen ich den direkten Kontakt zu vielen Bürgern habe, nehme ich vor allem in den Abendstunden und am Wochenende wahr.

Wie klappt inzwischen die Zusammenarbeit mit der schwarz-grünen Ratsmehrheit?
Nimptsch: Es gab eine schwierige Situation im April 2011, als wir konkurrierende Vorstellungen von der Zukunft des WCCB hatten. Schwarz-Grün war anderer Meinung als ich und setzte sich mit knapper Mehrheit durch. Ich habe den Beschluss beanstandet, um Zeit für eine nochmalige Diskussion der Frage zu gewinnen, was denn das Beste zum Wohl der Stadt sei. Danach gab es eine gemeinsame Haltung, die schließlich im Juli zu einem einstimmigen Ratsbeschluss geführt hat. Das war vielleicht ein Lernprozess für beide Seiten. Seitdem ist die Zusammenarbeit angenehm, beide Seiten sind bemüht, konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Warum äußern Sie als einziger Repräsentant so viel Verständnis für Verteidigungsminister de Mazière und seine Hardthöhen-Pläne? Damit schwächen Sie den Widerstand der Region.
Nimptsch: Wir schreiten in der Region in Abstimmung mit den Ländern NRW und Rheinland-Pfalz voran und werden ein Gutachten zum Berlin/Bonn-Gesetz auf den Weg bringen. Dies wird unsere Rechts- und Verhandlungsposition stärken. Dabei geht es nicht um ein einzelnes Ministerium, sondern um die Grundsatzfrage, wie die Bundesrepublik Deutschland das Berlin/Bonn-Gesetz in den nächsten Jahrzehnten leben will. Was die Hardthöhe angeht, musste ich im September zur Kenntnis nehmen, dass der Minister den Prüfauftrag erteilt hatte, die 8.000 Bundeswehrmitarbeiter in den nachgeordneten Dienststellen entlang der Rheinschiene in andere Regionen der Bundesrepublik zu verlagern. Das wäre für unsere Region fatal gewesen. Wir hätten dann zuerst die meisten der 3.470 struktursicheren Arbeitsplätze in den nachgeordneten Dienststellen in Bonn verloren und vielleicht in zehn oder 20 Jahren auch noch die Arbeitsplätze im Bonner Ministerium. Damit Bonn dann aber eventuell nicht mit leeren Händen dasteht, habe ich pragmatisch dafür plädiert, die Dienstposten außerhalb des Ministeriums jetzt in Bonn aufzustocken, der Versetzung von 360 Mitarbeitern im Ministerium bis 2014 nach Berlin zuzustimmen und danach über weiteres zu befinden. So etwa ist auch das Ergebnis, das uns 220 weitere struktursichere Arbeitsplätze in den nachgeordneten Dienststellen gebracht hat.

Die Versetzung von weiteren 350 Beamten nach Berlin hat der Minister doch längst beschlossen!
Nimptsch: Mehr war unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht möglich. Vielleicht ist es so, dass ich im Unterschied zu dem einen oder anderen Politiker nicht an den nächsten Wahltermin denke, sondern daran, wie unsere Stadt 2025 aussehen sollte.

Wie wird 2012 für Bonn?
Nimptsch: Wir werden mit unseren fortgeführten Investitionen im Kinder- und Jugendbereich dazu beitragen, dass wir weiter Zuwachs an Kindern und Arbeitsplätzen haben. Zum Festspielhaus sage ich: Wir können das schaffen, denn es wäre ein "Hauptgewinn" für unsere Stadt, eine privat finanzierte neue Konzerthalle zu haben. Und die gute Botschaft am Jahresende wird sein: Nothaushalt abgewehrt!

Zur Person: Jürgen Nimptsch wurde am 16. April 1954 in Wesseling geboren, wuchs in Brühl auf. Nach dem Abitur studierte er in Bonn Deutsch und Sport auf Lehramt. Anschließend war er an verschiedenen Schulen als Lehrer tätig. Von 1996 bis zu seinem Amtsantritt als Bonner Oberbürgermeister im Oktober 2009 leitete er die Gesamtschule in Beuel. Seit 1985 ist Nimptsch Mitglied der SPD. In seiner Freizeit spielt der 57-Jährige bei der Bühnenspielgemeinschaft der "Cäcilia Wolkenburg" in Köln Theater. Er ist mit der Lehrerin Hanne Hufschmidt verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Die Familie lebt in Beuel.

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