Angst um die Zukunft des Instituts Professor Madea: "Rechtsmedizin stirbt gewaltsamen Tod"

BONN · Beim Festakt anlässlich des 90-jährigen Bestehens der Bonner Rechtsmedizin herrschte getrübte Stimmung aufgrund der Mittelkürzungen.

 Im rechtsmedizinischen Institut Bonn zeigt Professor Gerhard Kernbach-Wighton den Kühlschrank, in dem Blutproben aufbewahrt werden. Mit der Untersuchung ist demnächst ganz Schluss.

Im rechtsmedizinischen Institut Bonn zeigt Professor Gerhard Kernbach-Wighton den Kühlschrank, in dem Blutproben aufbewahrt werden. Mit der Untersuchung ist demnächst ganz Schluss.

Foto: Roland Kohls

90 Jahre ist sie alt und noch immer voller Tatendrang, doch allmählich geht ihr die Luft aus: Die Bonner Rechtsmedizin wird langsam zu Tode stranguliert. Diese Befürchtung äußerte am Freitag Professor Burkhard Madea in seiner Begrüßungsrede auf dem Festakt anlässlich des 90-jährigen Bestehens "seines" Instituts, zugleich Auftakt für die 21. Frühjahrstagung der Region Nord der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin.

Madea beklagte: "Sie stirbt eines gewaltsamen Todes." Nach kontinuierlichen Mittelkürzungen - und weitere drohen - wurden der Bonner Rechtsmedizin nun auch noch die Blutuntersuchungen weggenommen. Mit Folgen auch für Bonns Polizei und Justiz.

Sie hatte Madea kürzlich darüber informiert, dass es der Bonner Rechtsmedizin von Verwaltung und Dekan der Universitätskliniken als einzigem Institut verwehrt worden war, sich an der Ausschreibung für die toxikologischen und Blutalkoholuntersuchungen zu beteiligen. Begründung: Bonn könne keine kostendeckenden Erlöse erzielen. Diese Bewertung aber, so Madea, beruhe auf einem Gutachten, dass der Kaufmännische Direktor der Unikliniken "bei sich selbst in Auftrag" gegeben habe und erhebliche Mängel auch in Form von falschen Vergleichszahlen aufweise.

In Wahrheit zähle sein toxikologisches Labor zu den leistungsstärksten bundesweit. Nun aber fielen mehrere tausend Blutuntersuchungen jährlich weg mit Folgen nicht nur für das Institut selbst in Form von finanziellen Verlusten, Einschränkungen der wissenschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten und Gefährdung von Arbeitsplätzen. Auch auf Bonns Justiz kämen zum Beispiel aufgrund der weiteren und teureren Wege nach Köln, wo das Blut nun untersucht wird, höhere Kosten zu, die am Ende der Steuerzahler zu tragen hat.

Auch Bonns Staatsanwaltschaftschef, Bernd König, beschäftigt das Thema: "Ich beobachte eine mögliche weitere Absenkung der Mittel mit Sorge." Denn für die Staatsanwaltschaft sei eine ortsnahe Rechtsmedizin immens wichtig. Und nicht nur ihn beunruhige die Tendenz, Institute zu schließen und zusammenzulegen. Auch die Justizministerkonferenz habe klargestellt: "Ein weiterer Rückbau läuft dem berechtigten Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafverfolgung zuwider."

Gerade bei Tötungsdelikten sei die Hinzuziehung des Rechtsmediziners schon am Tatort und die möglichst schnelle Obduktion für die Aufklärung wichtig, so König. Er sichert Madea zu: "Wir werden unsere Aufträge weiter an Bonn vergeben, weil wir die Qualität der Arbeit zu schätzen wissen."

Der Dekan der Medizinischen Fakultät, Max Baur, erklärt dazu: "Die Sparzwänge betreffen uns alle." Aber für Madea steht fest: "Wenn wir wie geplant demnächst statt 1,6 Millionen Euro nur noch die Hälfte erhalten, können wir dichtmachen."

Bisherige Aufgaben des Bonner Instituts

Die Rechtsmedizin nimmtnicht nur Aufgaben für Polizei, Justiz, Universitätskliniken undKrankenhäuser wahr, sondern auch in Forschung und Lehre. Das BonnerInstitut ist forensisch für den Landgerichtsbezirk Bonn zuständig.Zurzeit sind dort 25 Mitarbeiter tätig, davon neben InstitutsleiterBurkhard Madea vier weitere Ärzte, jeweils zwei in24-Stunden-Bereitschaft.

Pro Jahr fallen knapp 400 Obduktionen an.Zuletzt wurden 5000 toxikologische Blutuntersuchungen und 5000Untersuchungen auf Alkohol durchgeführt. Das Institut nimmtjährlich 1500 Leichenschauen vor, die vor der Feuerbestattungamtsärztlich angeordnet werden. Madea geht davon aus, dassbundesweit pro Jahr 2000 Tötungsdelikte unentdeckt bleiben, weildie Opfer nicht rechtsmedizinisch untersucht werden.

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