Friedensplatz Schaustelle Baustelle

Bonn · In Bonns größter Grube sind zeitweise 150 Mann im Einsatz. Bei jedem Wetter und manchmal auch bis in den späten Abend bei Flutlicht. Am Friedensplatz entsteht jetzt die neue Geschäftsstelle der Sparkasse KölnBonn nebst Einzelhandelsflächen und einer Tiefgarage.

 Wer anderen eine Grube gräbt: Die Baggerfahrer haben vor Baubeginn rund 15.000 Kubikmeter Erde bewegt

Wer anderen eine Grube gräbt: Die Baggerfahrer haben vor Baubeginn rund 15.000 Kubikmeter Erde bewegt

Foto: Volker Lannert

Es soll nicht wenige Männer geben, für die wäre eine Fahrt auf einem Bagger ein tolles Geschenk. Ab 100 Euro aufwärts kostet der Spaß, mit dem im Internet als ideales Geschenk für alle Männer, die Adrenalin und Action lieben, geworben wird. Wer Bonns derzeit wohl größte Baustelle - neben dem Word Conference Center Bonn (WCCB) - passiert, der wird diese Annahme auf Anhieb teilen.

Da stehen sie. Tagtäglich. Junge und alte Männer. Und schauen mit großen Augen in das tiefe, sehr tiefe Loch am Friedensplatz. Die Sparkasse KölnBonn baut dort über ihre 100prozentige Tochter ProBonnum ihre neue Geschäftsstelle samt Büros, Einzelhandelsflächen und einer Tiefgarage für die Mitarbeiter. Ein gigantisches Bauprojekt für 30 Millionen Euro. Nach den Plänen des Büros Ortner & Ortner aus Berlin soll ein zweigeteilter Neubau mit einer Einkaufsgalerie und 6.400 Quadratmetern Handelsfläche auf drei Ebenen entstehen.

Manchmal gesellt sich auch die eine oder andere Frau zu den Männern an den Bauzaun. Unter Garantie hat sie einen kleinen Jungen an der Hand oder im Buggy sitzen. Bob der Baumeister. Es liegt anscheinend in den Genen, dass vor allem Männer fasziniert sind von Baustellen. Der Spielzeughersteller Lego hat das längst erkannt und verkauft in Deutschland immer mehr Bausätze an Erwachsene. Die erwachsenen Lego-Liebhaber greifen vor allem zu teuren Produkten wie dem Raupenbagger oder einem detailgenauen Unimog für 180 Euro. Doch was ist das schon gegen eine echte Baggerfahrt.

Ob die unsere Männer am Zaun allerdings auf der Sparkassen-Baustelle unternehmen würden, das ist höchst fraglich. Denn es kostet schon Überwindung, zu Fuß die steilen Kies- und Sandberge hinab in die Baugrube zu steigen. Abenteuerlich, wie die Baggerfahrer es bei diesen Neigungswinkeln schaffen, tonnenweise Erdreich - insgesamt haben sie bis zu Beginn der Hochbauarbeiten rund 15.000 Kubikmeter Erde bewegt - auf die Laster zu schaufeln und nicht kopfüber mit der schweren Baumaschine abzustürzen.

Angesichts solcher zugegebenermaßen sehr weiblich geprägter Bedenken können die beiden Chefs auf der Baustelle, die Ingenieure Florian Schmidt und Carsten Weißenfels, nur schmunzeln. "Das sind doch Vollprofis", beruhigt Schmitz. Er hat federführend die Abbrucharbeiten des alten Sparkassengebäudes, das aus den fünfziger Jahren stammt, begleitet und wird in wenigen Tagen seinem Kollegen Weißenfels eine bis ins letzte Detail vorbereitete rund 4.500 große Fläche überreichen und damit den Startschuss für den Hochbau geben.

Seit Herbst 2010 sind Schmitz und seine Leute auf dem Baugelände zugange. Bis zu 150 Arbeiter sind zeitweise auf der Baustelle im Einsatz. Bei jedem Wetter, manchmal bis in den späten Abend bei Flutlicht. Nachdem die in den fünfziger Jahren errichtete Sparkassenzentrale am Friedensplatz asbestsaniert worden war, kamen die Abrissbagger. Auch ein Schauspiel, das wochenlang täglich viele hundert Passanten in seinen Bann zog. Stück für Stück trugen die Arbeiter die Mauern ab. Bis zum Schluss nur noch ein Gebäuderest wie ein hohler Zahn, mit dem markanten roten Sparkassen S oben auf dem Dach hervorragte. Und auch dieses letzte Stück Sparkasse verschwand eines Tages.

Es war nicht das erste Haus, das die Sparkasse auf dem Areal gebaut hatte. Der erste Neubau der städtischen Sparkasse entstand zwischen 1911 und 1913 am Friedensplatz, der damals noch Friedrichplatz hieß. Etwa 50 Jahre zuvor, am 14. Oktober 1844 war die "Städtische Sparkasse zu Bonn" zusammen mit dem städtischen Leihhaus im Alten Rathaus eröffnet worden.

Weil Jahre später der Platz nicht mehr ausreichte, entschied man sich für ein neues Gebäude am Friedensplatz. Eigentlich wollte die Stadt auf diesem Areal, auf dem einst Stallungen für den kurfürstlichen Hofstaat standen und das sie 1909 erworben hatte, ihr neues Theater bauen. Doch die Kommune Bonn war schon damals recht klamm und konnte das Geld für den Neubau nicht aufbringen.

Geld hatte hingegen die städtische Sparkasse. Sie errichtete wenig später an der dem Stadttheater zugedachten Stelle ihr neues, klassizistisch anmutendes Hauptgebäude, das, wie auch die meisten anderen Häuser am Friedensplatz von den Bomben im Zweiten Weltkrieg überwiegend verschont geblieben war und nach Kriegsende zunächst der britischen Kommandantur als Unterkunft diente. Doch die Modernisierungswelle in den ersten Nachkriegsjahrzehnten machte auch vor dem schmucken Sparkassenbau nicht halt. Er wurde abgerissen und durch einen aus heutiger Sicht eher kastenförmigen, schmucklosen Neubau ersetzt.

Der damalige Architekt rettete aus den Abrisstrümmern des Altbaus eine etwas 500 Kilo schwere Skulptur, die als tragender Schlussstein im Hauptportal-Torbogen der alten Sparkasse gehangen hatte. Der Stein stellt eine Frau dar, die - wie passend - gerade ein Geldstück in eine Spardose steckt. Der Mann brachte die Skulptur in seinen Garten und vererbte sie nach seinem Tod einem Freund: Günter Kampkötter. Mit Manneskraft und Hebegeräten gelang es, den Stein in den 1980-er Jahre noch einmal zu versetzen. Seitdem ziert er Kampkötters Garten. "Der Stein wird nächstes Jahr hundert Jahre alt", sagt der 84-Jährige Nordstädter.

Die heutigen Bauherren der Sparkasse hatten mit anderen Hinterlassenschaft der Vergangenheit zu kämpfen: Im März 2011 legte ein Baggerführer Mauerreste der alten Heinrich-Bastion frei. Sie gehörte zu dem barocken Festungsgürtel, der im 17. Jahrhundert um die Stadt errichtet worden war. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts wurden bereits erste Teile wieder abgebrochen und eingeebnet. Im Umfeld des Alten Stadthauses am Bottlerplatz, das derzeit zum Haus der Bildung ausgebaut wird, wurden die Mauern erst Anfang des 20. Jahrhunderts abgetragen. Weitere Bastionsmauerreste fielen dem ersten Sparkassengebäude und noch einmal dem Nachfolgebau zum Opfer.

Ein Fund, der die Baustelle vorübergehend lahmlegte und das Vorhaben um rund eine Million Euro verteuert. Denn die Denkmalschützer machten zur Auflage, dass ein Teil der alten Heinrich-Bastion in der künftigen Tiefgarage sichtbar sein muss. Das Amt für Bodendenkmalpflege hatte die Bastion als bedeutendes Zeugnis der Bonner Stadtgeschichte eingestuft und wollte sie am liebsten komplett erhalten. Das ging natürlich nicht, denn wäre in der Garage kaum noch Platz für Autos gewesen. Jetzt fallen um die elf der bisher rund 90 geplanten Mitarbeiterparklätze weg.

Doch beklagen können sich die Denkmalschützer nicht: ProBonnum ließ die Bastionsmauer von Experten mit einem brandneuen Vermessungsverfahren erfassen: mit dem sogenannten 3D-Laserscan-Verfahren. "An nur einem Tag können wir mit dem neuen 3D-Laserscan-Verfahren eine Arbeit erledigen, für die wir normalerweise mehrere Woche benötigen", erklärt Diplom-Ingenieur Martin Pilhatsch auf der Baustelle. Mit dem zusätzlichen Einsatz einer hochpräzisen Spiegelreflexkamera konnten er und seine Kollegen die Mauerreste bis in den letzten Winkel und mit exakter Farbwiedergabe der Gesteinsarten und des Lehms erfassen. Aus diesen Daten entwickelten sie dann am Computer ein 3D-Modell, das die Bastion 1:1 wiedergibt. Ein Verfahren, das das Büro bereits an verschiedenen anderen Stellen erfolgreich eingesetzt hat, etwa bei der Oper Köln. Der Vorteil für den Denkmalschutz: Der historische Fund kann damit viel exakter analysiert werden.

Funde aus der Römerzeit wie einst beim Bau der Tiefgarage am Friedensplatz machten die Arbeiter indes nicht. Dafür ist an der Stelle wohl schon zu oft tief gegraben worden. Sensationell war allerdings der Fund Mitte der Achtziger in der Garagenbaugrube. Dort legten Archäologen vom Amt für Bodendenkmalpflege vollständig erhaltene Skelette und sogar unbeschädigte Gefäße, darunter zwei Becher und Schüsseln aus der Römerzeit, frei, die aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert stammten. Bei der Fundstelle handelte es sich um ein spätantikes Gräberfeld.

Aber das liegt lange zurück. Vergessen ist wohl auch längst der Streit aus dem vorigen Jahr um eine 40 Jahre alte Kastanie. Sie wuchs inmitten der Budapester Straße. Doch weil der neue Sparkassenbau zu dieser Seite drei Meter breiter wird als der Vorgänger, musste der Baum weichen. Nach langem Hin und Her fiel er der Säge zum Opfer. Die Straße wäre mit Baum für den Busverkehr zu eng geworden. Die Sparkasse verteidigte ihre Planung, sie nutze lediglich ihr Grundstück im vollen Umfang aus, erklärt Laufer. Und selbstredend wird sie entsprechend der Baumsatzung einen neuen Baum an anderer Stelle pflanzen.

Jetzt sind erst einmal alle froh, dass Abriss, Aushub und auch das Verlegen von zig kilometerlangen Kabeln, Leitungen und Rohren glimpflich über die Bühne gegangen sind. Ein regelrechter Kraftakt war die Entfernung der Tresorbodenplatte. Die Panzerknacker hätten sich vermutlich daran die Zähne ausgebissen. Der Kraftakt gelang nur dank eines speziellen Seilsägesystems.

Noch einmal geht der Blick aus der Baugrube hoch bis zur Budapester Straße, wo sich schon wieder eine Menschen- beziehungsweise Männertraube gebildet hat und mit sichtlicher Begeisterung zuschaut, wie nach und nach mit schwerem Gerät tiefe Löcher in den Boden gebohrt werden. Der Neubau soll umweltfreundlich mit einer Geothermie-Anlage beheizt werden. Von dort unten wirkt die Straße recht fragil. Wieder kann einem angst und bange werden. Nicht dass die Straße irgendwann einbricht! Auch hier können Schmitz und Weißenfels beruhigen: Eine sogenannte Bohrpfahlwand, mit zahlreichen, je 16 Metern langen Ankern stützt das Erdreich unter der Straße ab. "Da kann nichts passieren", versichert Schmitz.

Ab jetzt hat Kollege Weißenfels das Sagen. Es geht los mit den Hochbauarbeiten. Schon im Spätsommer nächsten Jahres soll der dritte Neubau der Sparkasse am Friedensplatz bezugsfertig sein.

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